Kolumbien macht einen Schritt nach vorn
Kolumbien hat einen neuen Präsidenten: Ivan Duque (41), rechtskonservativ und, was das ganz große politische Parkett angeht, ziemlich unerfahren. Das kann ein Problem, das kann aber auch eine Chance sein.
Denn die Aufgaben, die sich dem in Bogotá geborenen Juristen in den Weg stellen, sind enorm: Da sind die vielen Hunderttausend Flüchtlinge aus Venezuela, die Arbeit und ein würdevolles Leben innerhalb der kolumbianischen Gesellschaft suchen. Und da ist Venezuelas sozialistischer Präsident Nicolas Maduro, der angesichts der schweren innenpolitischen Krise händeringend einen außenpolitischen Konflikt sucht, um die eigenen Reihen zu schließen. Er wird Bogotás neuen starken Mann schon bald auf die Probe stellen. Provokationen sind die Stärke Maduros, in diesem Fall ist Duques Unerfahrenheit eher ein Nachteil.
Wenn es um die Bewältigung des bewaffneten Konfliktes geht, ist es eher von Vorteil, dass Duque einer jüngeren Generation angehört, die in einem befriedeten Kolumbien deutlich größere Wachstumschancen für die Wirtschaft sieht. Duque will wie Petro die extreme Armut besiegen und die Mittelschicht breiter werden lassen. Er setzt dabei auf ein gesundes Wirtschaftswachstum. Eine florierende Wirtschaft soll Arbeitsplätze schaffen. Dass er in seiner Siegesrede auf Triumphgesten verzichtete und stattdessen versöhnliche Töne auch mit Blick auf den Friedensprozess anschlug, zeigt, dass er die Ausgangslage realistisch einschätzt. Für gravierende Änderungen oder sogar einer Aufkündigung des Friedensvertrages mit der Farc, wie in einigen internationalen Medien in Unkenntnis der rechtlichen Lage befürchtet, bräuchte Duque eine deutliche Mehrheit in den Kammern. Die hat aber sein „Demokratisches Zentrum“ nicht.
Eine starke Opposition und ein breites politisches Spektrum
Zudem wird sich Duque auf eine starke Opposition einrichten müssen. Gustavo Petro hat mit 42 Prozent das beste Ergebnis eines Linkspolitikers in den letzten Jahren einfahren können. Schon 2010 wäre das möglich gewesen, als es der Grüne Antanas Mockus in die Stichwahl gegen den späteren Sieger Juan Manuel Santos schaffte. Petro scheiterte damals mit 9,2 Prozent im ersten Durchgang und versagte Mockus seine Unterstützung. Diesen Egoismus von damals erlaubte sich das rot-grüne Lager diesmal nicht. Der immer noch enorm populäre Mockus stellte sich auf die Seite Petros.
Kolumbien hat mit dieser Wahl einen Schritt nach vorne gemacht. Das Land erlebte die friedlichsten Wahlen seit Jahrzehnten, das politische Spektrum ist breiter aufgestellt. Gibt es eine größere Bestätigung für den Friedensprozess, als dass Farc-Chef Timochenko noch in der Nacht dem Uribe-Lager zum Wahlsieg gratulierte? Und wäre nicht erst dann wirklich Frieden, wenn sich das Uribe-nahe Duque-Lager und das Timochenko-nahe Petro-Lager die Hand geben, Friedensvertrag hin oder her?
Rot-Grüne Opposition muss sich profilieren
Das rot-grüne Oppositionsbündnis ist seit Sonntag zu einem echten Gegenspieler Duques aufgestiegen. Die vor allem in den sozialen Netzwerken bisweilen populistisch agierenden Helfer Petros haben es verstanden, einen großen Teil der Kolumbianer für ihre neue Bewegung zu gewinnen. Es fehlt allerdings noch an inhaltlicher Substanz. Bislang zeichnet sich Petro vor allem dadurch aus, dass er ankündigt, was er nicht tun will, und dass er sehr vage Versprechen abgibt. In den nächsten vier Jahren kann das Projekt nun wachsen und sich auch inhaltlich besser aufstellen.
Petro ist in den vergangenen Monaten zu einer nationalen Figur geworden und ist aus seinem bislang eher auf Bogotá beschränkten Wirkungskreis hinausgewachsen. Er kündigte an, sich für den Umweltschutz, die Umsetzung des Friedensprozesses und den Schutz der Menschenrechte einzusetzen. Dabei kann er auf eine breite Basis an den Universitäten und im intellektuellen Milieu bauen. Um die Kolumbianer aber davon zu überzeugen, dass er das Land auch regieren kann, braucht es mehr. Nicht wenige Beobachter hatten am Sonntagabend das Gefühl: Petros Stunde wird noch kommen.
Ein Ansatz wäre, dass sich Petro international als Vermittler positioniert. Denn es sind die blutigen Linksdiktaturen in Venezuela und Nicaragua, die der lateinamerikanischen Linken eine Wahl nach der anderen verhageln, weil das „venezolanische Modell“ in nahezu allen lateinamerikanischen Wahlkämpfen als Schreckgespenst und Horrorszenario dient. Eine Persönlichkeit, die sich als Konfliktlöser etabliert und die Krisenherde in Managua und Caracas entschärft, fehlt der lateinamerikanischen Linken und würde ihr viel der von Maduro und Ortega zerstörten Reputation zurückbringen. Und Petro vielleicht 2022 ins Präsidentenamt.
Autor: Tobias Käufer, Bogotá