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Kolumbien: Lateinamerikas größter Kohlemine droht Streik

"El Cerrejón" heißt die größte Kohlemine Lateinamerikas, die sich im Norden Kolumbiens über 69.000 Hektar erstreckt. Wegen rückläufiger Nachfrage aus Europa gerät das Unternehmen unter Druck und versucht die negative Geschäftsentwicklung auf die Belegschaft abzuwälzen. Die muss sich bis zum 20. August zwischen Arbeitsgericht und Streik entscheiden. Im Interview mit Blickpunkt Lateinamerika erklärt Igor Kareld Díaz (53 Jahre), Präsident der Gewerkschaft der Kohlearbeiter "Sintracarbón", wie das Unternehmen versucht, Arbeitsstandards zu senken und die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu reduzieren. 

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Igor Kareld Díaz (53 Jahre) ist Präsident der Gewerkschaft "Sintracarbón", die die Arbeiter der Kohlemine "El Cerrejón" in Kolumbien vertritt. Foto: Knut Henkel

Im Interview mit Blickpunkt Lateinamerika erklärt Igor Kareld Díaz (53 Jahre), Präsident der Gewerkschaft der Kohlearbeiter Sintracarbón, die seit Monaten einen neuen Tarifvertrag in der größten Kohlemine Lateinamerikas, Cerrejón, auszuhandeln versuchen. Die gigantische Mine, versucht aufgrund sinkender Nachfrage, Arbeitsstandards zu senken und die Zahl der Mitarbeiter*innen zu reduzieren. 

Seit November 2019 laufen die Tarifverhandlungen mit dem Management von El Cerrejón. Mitte Juli haben die Manager die Katze aus dem Sack gelassen und einen neuen Vorschlag für einen Tarifvertrag vorgelegt. Ist der Vorschlag verhandelbar?
 
Nein, er ist unannehmbar, denn er will Erfolge aus früheren Tarifverträgen über den Haufen werfen. Dazu gehört nicht nur der Transport zum Heimatort, Zuschüsse zur Gesundheitsversorgung, sondern auch unser Schichtmodell, das auf den Kopf gestellt werden soll. 
 
Wie wird derzeit gearbeitet und wie soll zukünftig gearbeitet werden, wenn es nach dem Cerrejón-Management geht?
 
El Cerrejón will auf sieben Arbeitstage drei freie Tage folgen lassen. Derzeit arbeitet die Belegschaft fünfzehn Tage á 12 Stunden im Monat. Mit der neuen Regelung wären es 21 Tage á 12 Stunden, wodurch Belastung und Unfallgefahr massiv zunehmen. Mit dem neuen Modell wäre zudem eine Schicht mit 1.250 Arbeitern obsolet. Diese Schicht soll auf dem Rücken der restlichen Belegschaft eingespart werden, das heißt 1.250 Arbeiter verlieren ihren Job. Dagegen wehren wir uns. 
 
Warum steht das derzeitige Schichtmodell überhaupt zur Disposition?
 
Das fragen wir uns auch. Es ist das Management, dass das alte Modell in Frage stellt und uns als Gewerkschaft unter Druck setzt. In Sintracarbón sind rund 4.000 der 6.000 festangestellten Kumpel organisiert und indirekt vertreten wir auch die Interessen der rund 6.000 Leiharbeiter. Wir haben das Schichtmodell, nach dem wir jetzt seit 30 Jahren arbeiten, hart erkämpft und durchgesetzt, weil es zuvor viele Arbeitsunfälle gab. Damals sprachen wir immer von Todesschichten. Der Kampf hat Jahre gedauert, bis wir zu diesem verträglicheren Modell mit 15 Arbeitstagen kamen.  
 
Ist es nicht ein Verstoß gegen den Tarifvertrag, das Schichtmodell ohne Verhandlung mit Sintracarbón zu ändern?
 
Für uns definitiv, aber das ist nun ein Fall für die Anwälte und das Arbeitsgericht. Dort werden wir belegen, dass das Schichtmodell über Jahre funktioniert hat und dass Gewinne erwirtschaftet wurden. 
 
Insgesamt gehen die Gewinne jedoch zurück. Es wird weniger Kohle geordert – ist El Cerrejón unter Druck?
 
Ja, El Cerrejón ist unter Druck. Daher will die Mine die gleiche Menge Kohle mit deutlich weniger Personal fördern. Unsere Arbeitsbedingungen sollen nachhaltig verschlechtert werden und dagegen wehren wir uns: entweder vor dem Arbeitsgericht oder per Streik. Das muss die Urabstimmung ergeben, die bis zum 20. August stattfinden wird. Ich persönlich glaube, dass es zum Streik kommen wird, aber warten wir ab. 
 
El Cerrejón wirbt mit dem Slogan „Verantwortungsvoller Bergbau“ – wird das Unternehmen dem Slogan gerecht?
 
Nein, das Unternehmen verhält sich sehr widersprüchlich - nicht nur gegenüber uns Arbeitern, auch gegenüber den Gerichten. Die haben nach Klagen von Anwohnern Umweltauflagen erteilt. Denen kommt das Unternehmen jedoch bisher nicht nach. Weder ist die Umweltbelastung, wie zum Beispiel die Kontaminierung des Flusses Río Ranchería, reduziert, noch sind die Pläne zur Umleitung des Río Bruno storniert worden.
 
Produziert der Tagebau El Cerrejón wieder mit voller Kapazität?
 
Der Bergbau gehört, so hat es die Regierung verfügt, zu den notwendigen ökonomischen Tätigkeiten. Deshalb dauerte der Lockdown nur bis Anfang Mai. Seitdem wird wieder gefördert. Derzeit produzieren wir mit 80 Prozent der Kapazitäten. Das birgt jedoch auch Risiken, denn nach dem heutigen Stand sind mehr als 184 mit Corona infizierte Arbeiter registriert worden. Die können das Virus weitergeben – theoretisch auch an die benachbarten Gemeinden, die genau das befürchten. 
 
Wie wirkt sich die sinkende Nachfrage nach Kohle aus Europa aus?
 
Das macht uns natürlich Sorgen, denn die Energiewende hin zu mehr Wind- und Solarkraft dämpft die Nachfrage nach Kohle aus Kolumbien. Innerhalb von Sintracarbón sind alternative Wind-  und Solarprojekte in der Guajira (ein Verwaltungsbezirk Kolumbiens) durchaus ein Thema. Allerdings lässt sich über einen derartigen Umbau der Mine nicht diskutieren – das Management hat nur Kohle im Kopf. 

Interview: Knut Henkel

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