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Kolumbien: Ingrid Betancourts politisches Comeback

Zwei Jahrzehnte nach ihrer Entführung durch die FARC-Rebellen: Ingrid Betancourt kandidiert erneut für die kolumbianische Präsidentschaft. Welche Erfolgsaussichten schätzen politische Beobachter für sie ein?

Will 20 Jahre nach ihrer Entführung kolumbianische Präsidentin werden: Ingrid Betancourt. Foto: tobin.tCC BY-NC 2.0

Zwanzig Jahre sind gar nichts, heißt es in einem berühmten Tango von Carlos Gardel. In der Politik ist dies jedoch eine ewig lange Zeit, vor allem in einem Land wie Kolumbien, das in der Zwischenzeit einen jahrzehntelangen Bürgerkrieg beendet, einen Friedensvertrag mit den FARC-Rebellen geschlossen hat und noch immer den mühsamen Prozess der praktischen Umsetzung durchläuft. Auch im Leben von Ingrid Betancourt sind diese 20 Jahre nicht einfach so vorübergegangen, denn sie hat die meiste Zeit davon in Frankreich gelebt und sich aus der Politik zurückgezogen, wenn auch nicht ganz: Sie hat sich weiterhin für die Opfer von Gewalt eingesetzt, schrieb Bücher und nahm an Konferenzen teil.

Jetzt will die heute 60-Jährige den Kreis schließen, der vor zwei Jahrzehnten begann, als ihre Präsidentschaftskandidatur durch eine sechs Jahre andauernde Entführung durch die FARC-Rebellen abrupt unterbrochen wurde - eine Entführung, die sie zur international bekanntesten Geisel der kolumbianischen Guerilla machte.

Ingrid Betancourt wurde inzwischen mit internationalen Auszeichnungen wie dem französischen Orden der Ehrenlegion und dem spanischen Prinz-von-Asturien-Preis geehrt; nun kehrt sie auf die Wahlliste zurück. Und sie tut dies in einem Klima politischer Unsicherheit, mit einem rechten Flügel, der sich gerade neu organisiert, und einem linken Flügel, der in den Umfragen zwar führt, aber stagniert. Betancourt hat diese Woche ihre Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen am 29. Mai für das Wahlbündnis Centro Esperanza verkündet. Sie hofft, in einem stark polarisierten Land eine Option fernab der Extreme von rechts und links anbieten zu können.

Ein anderes Kolumbien

Ariel Ávila, Politikwissenschaftler und stellvertretender Direktor der kolumbianischen Stiftung Pares (Frieden und Versöhnung), ist der Meinung, dass Betancourt ihre Entscheidung zu spät getroffen hat, da es bereits andere Kandidaten gibt, die ihre Positionen im Wahlkampf festigen. Außerdem hat Betancourt seiner Meinung nach durch ihre lange Abwesenheit von der nationalen politischen Bühne an Bedeutung verloren.

"Wenn Sie heute einen 25-jährigen Jugendlichen nach ihr fragen, sagt er: 'Ach ja, die, die entführt wurde'. Das ist alles, was man hört", sagt der Politikwissenschaftler und betont, dass sich das Land bereits in einer anderen Debatte, in einer anderen Situation befindet. "Die kolumbianische Gesellschaft denkt heute über Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der Korruptionsbekämpfung und der Flächennutzung nach", erklärt er.

Zu Beginn des Jahrhunderts erlangte sie einen hohen Bekanntheitsgrad, als sie sich mit prominenten Persönlichkeiten anlegte und mit ihrer liberalen Partei brach, um die erste grüne Partei Kolumbiens zu gründen, die Partido Verde Oxigeno ("Partei Grüner Sauerstoff").

"Sie hatte in der Vergangenheit drei politische Ziele, mit denen sie ihrer Zeit voraus war. Erstens war sie Umweltschützerin, zweitens eine führende Vertreterin der Korruptionsbekämpfung und drittens eine Kandidatin, die die Suche nach einem Verhandlungsfrieden unterstützte", so Jorge Restrepo, Direktor des CERAC (Centro de Recursos para el Análisis de Conflictos) und Professor an der Päpstlichen Universität Xaveriana.

Moralische Autorität

"Ich würde sagen, dass sie als Opfer des bewaffneten Konflikts eine große Glaubwürdigkeit und eine große moralische Autorität besitzt", sagt Restrepo und betont, dass "sie eine Symbolfigur ist, die für die nationale Versöhnung wertvoller sein könnte als ein ideologischer, kämpferischer Anführer". Restrepo stimmt mit Ávila darin überein, dass die wirtschaftliche und soziale Lage den Kolumbianern derzeit die größten Sorgen bereitet, und obwohl "das Thema Frieden präsent ist, wird es im Wahlkampf nicht entscheidend sein".

Beide Analysten merken an, dass inzwischen andere Persönlichkeiten in Kolumbien ins Rampenlicht getreten sind, und glauben, dass es für Betancourt in den wenigen Monaten, die ihr bis zu den Wahlen bleiben, sehr schwierig sein wird, diese Situation umzukehren. Dennoch hat sich Ingrid Betancourt auch aus dem Ausland heraus immer wieder bei nationalen Ereignissen eingemischt und bei ihren sporadischen Besuchen im Land nicht darauf verzichtet, ihre Meinung zu äußern. Bei den Wahlen 2018 unterstützte sie zum Beispiel offen den Linkskandidaten Gustavo Petro, der dann aber Iván Duque unterlag.

Faktor Frau

Nun ist sie es, die sich um die Präsidentschaft bewirbt. "Ich glaube, sie weiß, dass es für sie schwierig sein wird, zu gewinnen. Eher möglich wäre eine Vizepräsidentschaft", sagt Ariel Ávila, obwohl er die Bedeutung ihrer Arbeit beim Schmieden des Wahlbündnisses Centro Esperanza anerkennt. "Sie wird eine Schlüsselrolle als Vermittlerin spielen, eine sehr wichtige Rolle als Verbindungsglied in der Koalition der Mitte und als Brücke für eine große alternative Koalition im zweiten Wahlgang", prognostiziert er. Ihr Einstieg ins Rennen bringt auf jeden Fall ein neues Gesicht in den Wahlkampf und könnte die weibliche Wählerschaft mit einer Botschaft der Gleichberechtigung mobilisieren. Beide Analysten sind sich einig: Einer ihrer größten Trümpfe ist gerade die Tatsache, dass sie eine Frau ist.

Eine Frau, die Jorge Restrepo als "furchtlos" beschreibt. Vor zwanzig Jahren waren ihr Mut und ihre schnörkellose Haltung zur Politik nicht unumstritten. Aber die Zeit hat auch bei ihr ihre Spuren hinterlassen. Für den Direktor von CERAC ist "Ingrid Betancourt als politische Führungspersönlichkeit und als öffentliche Person in Kolumbien heute eine ganz andere Person als vor ihrer Entführung. Heute sehe ich sie als viel ruhigere und versöhnlichere Persönlichkeit und als Stimme für die Opfer von Gewalt."

Quelle: Deutsche Welle , Autorin: Emilia Rojas

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