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Kolumbien: Frühere Guerilla will auf die politische Bühne

Mit dem Diebstahl eines der Schwerter des Befreiers Simón Bolívar aus einem Museum in Bogotá, trat die kolumbianische Guerillagruppe M-19 am 17. Januar 1974 das erste Mal an die Öffentlichkeit. Weitere Aktionen folgten, wie die Besetzung des Justizpalastes in Bogotá, ehe sich die Gruppe 1990 in eine politische Partei umwandelte und später in anderen Gruppierungen aufging. Nun wollen einige der früheren Guerilleros die M-19 als Partei wiederbeleben.

Der Justizpalast auf der Plaza Bolívar in Bogotá wurde nach seiner Zerstörung 1985 neu aufgebaut. Damals wurde er von einem Guerillakommando besetzt, das Militär reagierte mit Gewalt. Foto: Lichterbeck/Adveniat

"2020, inmitten der Pandemie, haben viele von uns wieder Kontakt zueinander aufgenommen, um zu erfahren, wie es den anderen gehe. Wir haben uns in virtuellen Chaträumen getroffen. Ende 2020 beschlossen wir, am 17. Januar 2021 eine Gedenkveranstaltung zu organisieren und eine Rechtsfigur für die "Bewegung 19. April" (Movimiento 19 de Abril, kurz: M-19) anzustreben. Es ist der Jahrestag, an dem wir das Bolívar-Schwert wiedererlangt haben", erzählt Néstor García Buitrago, Ökonom und eine der treibenden Kräfte hinter der Initiative. García stieß Ende 1974 zur Guerilla; zwischen 1979 und 1981 war er insgesamt 32 Monate inhaftiert. Nach der Niederlegung der Waffen wurde er 1991 als Abgeordneter für die aus der Guerilla hervorgegangene Partei "Demokratische Allianz M-19" in den Kongress gewählt. 

Nach der virtuellen Gedenkveranstaltung am 17. Januar 2021 hielten García und seine Mitstreiter am 13. März 2021 auf der Plaza Bolívar im Zentrum Bogotás eine öffentliche Veranstaltung ab. Danach starteten sie die für die Eintragung ins Parteiregister nötige Unterschriftensammlung.

Aufstieg und Fall der M-19

Die M-19 hat sich schon einmal als politische Bewegung konstituiert. Nach ihrer Demobilisierung am 8. März 1990 wurde die Guerrilla unter dem Namen "Alianza Democrática M-19" (AD-M-19) zu einer politischen Bewegung und war eine der wichtigsten politischen Kräfte in der verfassungsgebenden Versammlung 1991. Bei den Wahlen 1991 gewann die AD-M-19 neun Senatorensitze und 12 Abgeordnetenmandate. 

"1994 wurde keiner von uns gewählt, was die Rechtspersönlichkeit der "Demokratischen Allianz M-19" gefährdete“, erzählt García. „Im Jahr 1997 beschloss eine Gruppe von Genossen, sich von der AD-M-19 zu distanzieren und uns als "Bewegung 19. April" um die Erlangung der Rechtspersönlichkeit zu bemühen. Wir sammelten damals 130.000 Unterschriften." Im Jahr 1998 verlor die M-19 erneut ihren legalen Status, da sie bei den Wahlen nicht genügend Stimmen erzielte. Wieder wurden Unterschriften gesammelt. Die M-19 bekam zwar den legalen Status zurück, konnte ihn aber nicht nutzen. "Es war eine sehr komplexe Situation in Kolumbien damals, eine Zeit der Verfolgung und vieler Offensiven der Paramilitärs", sagt García. Um die Jahrtausendwende wurde der M-19 die Rechtsfigur endgültig entzogen, weil sie keine Sitze im Kongress oder die nötige Mindestanzahl an Stimmen erreichte. Einige ihrer ehemaligen Mitglieder schlossen sich dem als "Polo Democrático Alternativo" bekannten Linksbündnis an, andere gründeten die Partei "Opción Centro" (heute Alianza Verde).

Gewählt werden statt wählen

"Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, dass die Bewegung 19. April (M-19) nicht ein weiterer Verschwundener in Kolumbien ist. Es gibt viele Dinge, die unvollendet geblieben sind", sagt García. Also begannen er und seine Mitstreiter nach mehr als 20 Jahren erneut Unterschriften zu sammeln. Dabei hätten sie viel Zustimmung und Zuspruch erfahren, sagt der 68-Jährige, vor allem von der jungen Generation. Doch als sie am 13. Dezember 70.000 Unterschriften beim Parteiregister einreichen wollten, wurden diese nicht angenommen, da sie die nötige Police nicht bezahlt hatten. 

"Die staatliche Versicherungsgesellschaft stellte uns 140 Millionen Pesos (rund 31.000 Euro) in Rechnung", klagt García. Das Zehnfache der üblichen Prämie – zuviel Geld für die M-19. Die Gruppe legte Einspruch ein, doch bis über den entschieden ist, kann die M-19 ihre Kandidatenliste für die Parlamentswahlen nicht einreichen. Anfang Januar wissen sie also immer noch nicht, ob sie an den Wahlen am 13. März teilnehmen dürfen.

"Keiner der damaligen Führer der M-19 ist heute Kandidat", betont García. "Es geht nicht um uns, es geht nicht darum, selbst gewählt zu werden – ich bin kein Kandidat. Die Kandidaten sind soziale Aktivisten, Anführer des ländlichen Kolumbiens. Sie haben nie das Recht ausüben können, gewählt zu werden. Sie waren immer nur da, um zu wählen. Sie sind jetzt die Kandidaten der "Bewegung 19. April" von heute, nicht die Guerilleros von gestern."

Ehemaliger Guerillero als Präsident?

Ein früherer Guerillero der M-19, Gustavo Petro, hat dagegen gute Chancen, bei den Präsidentschaftswahlen im Mai/Juni als Sieger hervorzugehen. Bislang führt der linke Kandidat in allen Umfragen. Petro war Mitbegründer der "Demokratischen Allianz M-19"; später war er in anderen politischen Formationen aktiv: Movimiento Vía Alterna (1997-2005), Polo Democrático (2006-2010) und Colombia Humana (seit 2011).

"M-19 ist nicht Teil von Colombia Humana, unterstützt aber die Präsidentschaftskandidatur von Gustavo Petro", sagt García. Gleichzeitig unterstreicht er die Eigenständigkeit. "Wir wollen die Organisation sein, die für Demokratie und soziale Gerechtigkeit kämpft. Wir haben eine Agenda, für die wir eintreten werden." García nennt die Vertiefung des Friendsprozesses in Kolumbien, die Lösung des Landproblems sowie Nachhaltigkeit als wichtigste Punkte. "Die Bewegung M-19 will Protagonist und sichtbar sein. Aus diesem Grund kehren wir in den Kongress zurück. Das ist unsere Aufgabe, unser Auftrag." Es fehlt aber noch die Anerkennung der Unterschriften.

Autor: Andreas Knobloch

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