Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Venezuela |

Kolumbien: „Die Stadt ist auf eine solche Menge von Migranten nicht vorbereitet“

Die Brücken zwischen Venezuela und Kolumbien sind geschlossen, dennoch kommen täglich venezolanische Migranten über die Grenze. Die Grenzstadt Cucuta ist dem Andrang kaum gewachsen, erklärt Padre Jose Elver Rojas im Interview. 

Venezolaner auf der "trocha" (inoffizielle Pfade zwischen Venezuela und Kolumbien). 

Padre Jose Elver Rojas hilft als Projektpartner des kirchlichen Lateinamerika-Hilfswerkes Adveniat in der kolumbianischen Grenzdiözese Cucuta bei der Lebensmittelversorgung venezolanischen Migrantinnen und Migranten. Blickpunkt Lateinamerika hat mit ihm über die aktuelle Situation vor Ort gesprochen.

Padre Jose, wie ist die augenblickliche Lage in Cucuta?

Padre Jose Elver Rojas: Die Migrationsituation ist weiterhin sehr komplex. Trotz der Tatsache, dass die internationalen Grenzbrücken nach wie vor geschlossen sind, kommen die Migranten aus Venezuela und kolumbianische Rückkehrer weiterhin über zahlreiche verschiedene illegale Grenzübergänge ins Land. Die Venezolaner kommen mit Hunger und Durst. Sie kommen, um einen Platz zu suchen, wo sie die nächste Nacht überstehen und schlafen können. Das geschieht für die Menschen unter großen Schwierigkeiten, denn es gibt kriminelle Gruppen, die für jeden Schritt, denn die Menschen tun, für jedes Lebensmittel, das sie mit sich führen unter Gewaltandrohung eine Zwangsabgabe einfordern.

Das liegt daran, dass viele Venezolaner kaum Zugriff zu Nahrungsmitteln und Medikamenten haben und diese in Kolumbien einkaufen. Andere Migranten, die dauerhaft in Kolumbien bleiben wollen, setzen ihren Weg aus Cucuta ins Landesinnere fort. Viele zieht es nach Bucaramanga, nach Bogota oder bis nach Ecuador und andere Länder Südamerikas. Hier in Cucuta ist die Lage für die Menschen sehr hart. Die Stadt ist auf eine solche Zahl an Migranten nicht vorbereitet, es werden sich rund um die Stadt neue weitere Elendsviertel bilden. Es ist schon zu neuen Gewaltausbrüchen gekommen, die auch von Venezolanern, in ihrer Verzweiflung und Aussichtslosigkeit begangen wurden. Dazu kommen auch Verbrechen von illegalen bewaffneten Gruppen, die sich in diesem Umfeld mehr und mehr ausbreiten.

Welche Unterstützung leistet die katholische Kirche vor Ort?

Die Unterstützung der Kirche geht weiter, auf lokaler wie auf nationaler Ebene. Die kolumbianische Kirche hat es zum Beispiel durch von Adveniat oder der Caritas unterstützte Projekte erreicht, Migranten aus Venezuela entlang der gesamten Grenze  helfen zu können. Wir konnten unser zwischenzeitlich wegen der Pandemie geschlossenes Haus für venezolanische Flüchtlinge in Cucuta wieder öffnen und Kinder, alleinerziehende und schwangere Frauen wieder zum Essen empfangen. Zudem konnten wir den Migranten Lebensmittelpakete, Hygieneartikel und Wasser zur Verfügung stellen.

Kolumbien hat mit einer international beachteten Entscheidung den Migrantinnen und Migranten ein zehnjähriges Aufenthaltsrecht eingeräumt und damit ihren Aufenthalt legalisiert. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?

Die jüngste Entscheidung der kolumbianischen Regierung bedeutet ein Zeichen der Hoffnung für all die Menschen, die ihr Land verlassen mussten, um eine neue, eine menschenwürdigere Form des Lebens zu suchen. Dies ist ein Weg, der es möglich macht, dass sich Familien im Land integrieren und weiterentwickeln können und ist eine Politik, der von anderen Ländern übernommen werden sollte. Es darf allerdings nicht bei der bloßen Ankündigung bleiben, den wir wissen nocht nicht wie diese Politik am Ende tatsächlich umgesetzt wird. Für uns vor Ort ändert sich erst einmal nichts. Die Migranten kommen weiterhin über illegale Grenzübergänge, den Trochas, ins Land.

Was kann denn die internationale Staatengemeinschaft tun, damit sich die Lage verbessert?

Padre Jose Elver Rojas: „In Kolumbien ist die Arbeitslosigkeit unter anderem durch die Pandemie auf über 20 Prozent gestiegen, 50 Prozent der Menschen arbeiten im informellen Sektor, der Rest im arbeitsrechtlich geschützten Sektor. In Cucuta ist die Situation noch dramatischer, hier liegt die Arbeitslosigkeit inzwischen bei 30 Prozent, 60 Prozent informeller Arbeit und nur zehn Prozent sind im arbeitsrechtlich geschützten Sektor tätig. Es gibt hier vor Ort keine Industrie oder große gefestigte Firmen. Wir hoffen deshalb, dass zum Beispiel Firmen aus Deutschland oder anderen starken Industrienationen bereit sind, sich hier anzusiedeln, in der Region zu investieren und damit Arbeitsplätze und Hoffnungen für die Migranten zu schaffen. Und wir bitten, dass uns Deutschland und andere Länder in dieser schwierigen Situation helfen und uns dabei unterstützen, unsere Brüder und Schwester aus Venezuela mit Lebensmitteln und Medikamenten zu unterstützen.

Das Gespräch führte Tobias Käufer 

Weitere Nachrichten zu: Soziales

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz