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Kolumbien: "Der Staat muss die Akteure der Unterdrückung zurückziehen"

Im Interview mit Blickpunkt Lateinamerika spricht Calis Erzbischof Darío de Jesús Monsalve Mejía (73) über den Angriff auf einen indigenen Protestmarsch in seiner Heimatstadt, die Lage im Land und einen möglichen Ausweg aus der Krise.

Erzbischof Darío de Jesús Monsalve Mejía aus Cali, Kolumbien. Foto: Tobias Käufer

Erzbischof Darío de Jesús Monsalve Mejía aus Cali, Kolumbien. Foto: Tobias Käufer

Herr Erzbischof, es gab kürzlich Bilder und Berichte über Angriffe auf einen indigenen Protestmarsch in Cali. Wie bewerten Sie das?

Erzbischof Darío de Jesús Monsalve Mejía: Es gibt hier viel Rassismus und Diskriminierung in den unterschiedlichen Sektoren der Gesellschaft. Und es gibt auch eine verbreitete Ideologie der Selbstverteidigung. Ich glaube, dass dieser Angriff den indigenen Völkern großen Schaden zugefügt hat. Ich glaube, dass die indigenen Völker ein sehr wichtiger Teil der Gesellschaft sind, für Frieden und Gemeinschaft stehen. Ich habe mich deshalb dafür entschuldigt, was ihnen in Cali widerfahren ist. Ich hoffe, dass die Vorfälle untersucht und ordnungsgemäß bestraft werden, insbesondere jene, die auf völlig unangemessene Weise auf den Einsatz von Waffen zurückgegriffen haben.

Welche Lösung wäre kurzfristig denkbar und möglich, um die Gewalt zu stoppen und welche Vorschläge haben Sie für eine mittelfristige Lösung der strukturellen Probleme?

Im Angesicht der Welle der Gewalt ist es erst einmal notwendig, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken. Das bedeutet, dass der Staat die institutionellen Akteure der Unterdrückung, insbesondere die Spezialeinheit ESMAD, zurückzieht. Stattdessen muss der Staat die Sicherheitskräfte zum Schutz des Lebens mobilisieren. Das heißt, dass das Leben aller, einschließlich friedlicher Demonstranten, also jener, die nicht mit tödlichen Waffen ausgestattet sind, geschützt werden muss. Der Staat muss garantieren, dass er keine Waffen gegen das Leben der Bürger einsetzt, dass Waffenbesitz vollständig kontrolliert und Genehmigungen für Waffenbesitz eingefroren werden.

Das alles muss dazu dienen, um die Mobilisierung von bewaffneten Zivilisten, oder Personen, die wie Soldaten agieren, zu unterbinden. Dass bewaffnete Zivilisten durch die Straßen von Cali gefahren sind, um zu töten oder zu verletzten, darf nicht wieder geschehen. Die Kontrolle der Waffen erfordert aber gleichzeitig auch weitergehende Maßnahmen, die sicherstellen, dass Menschen, die plötzlich verschwinden, die illegal inhaftiert sind, sofort freigelassen werden. Wer nicht unter Anklage steht, muss freigelassen werden.

Wie würden Sie die Rolle der Kirche bei den Protesten und dem Dialog mit dem Komitee beschreiben?

Die Kirche versucht, zwischen beiden Seiten zu vermitteln. Auf der einen Seite wollen wir den betroffenen Sektoren der Gesellschaft dabei helfen, dass der Protest friedlich bleibt und auf der anderen Seite den Staat dabei unterstützen, dem Volk die Rechte zu ermöglichen, die ihm zustehen. Das Volk muss um diese Rechte nicht betteln oder verhandeln. Die Aufgabe, die wir als Kirche erfüllen, muss sein, die Autonomie des Protests zu respektieren und den Dialog zwischen allen beteiligten Sektoren zu beschleunigen. Die Kirche füllt mit der Begleitung der friedlichen Proteste auch eine grundsätzlich territoriale Rolle aus, um auf lokaler Ebene die Prozesse der Einigung voranzutreiben. Es geht darum, die Stimme der Ausgrenzten in jenen Gesprächen, die von den Gremien, Gewerkschaften, Akademikern und anderen geführt werden, auch hörbar zu machen, um struktruelle Veränderungen für die Menschen zu erreichen.

Können Sie einmal versuchen zu beschreiben, was derzeit in der kolumbianischen Gesellschaft passiert?

Die Protestierenden fordern den Schutz ihrer Rechte und die Garantie, friedlich demonstrieren zu dürfen, sowie sofortige Maßnahmen zur überlebenswichtigen Inklusion der ärmsten, der am stärksten ausgegrenzten Sektoren in der gesamten Gesellschaft. Damit wollen sie den Staat zum Handeln bringen. Die Situation in Kolumbien ist sehr angespannt. Es gibt im Prinzip zwei Strategien, die die Situation im Land erheblich verschärfen. Eine ist die des internen Umbruchs, die sicherlich politische Ziele, kurzfristiger und langfristiger Natur, anstrebt. Und dann gibt es die Strategie eines sozialen Umbruchs, deren Ursache auf die soziale Ungerechtigkeit von so vielen Jahren zurückzuführen ist und durch die Wirtschaftskrise infolge der Pandemie noch einmal verschärft und verdichtet wurde. 

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Interview: Tobias Käufer

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