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Chile |

Kollektives Rücktrittsangebot - für eine "pastorale Bekehrung"

Die Kirche in Talcahuela wurde beim Erdbeben 2010 komplett zerstört. Blick durch das schmiedeeiserne Kreuz am Hoftor. (Symbolfoto: Adveniat/Hoch)
Die Kirche in Talcahuela wurde beim Erdbeben 2010 komplett zerstört. Blick durch das schmiedeeiserne Kreuz am Hoftor. (Symbolfoto: Adveniat/Hoch)

Ist das nun anständig oder hasenfüßig? Am Ende ihrer Gespräche mit Papst Franziskus über den Missbrauchsskandal in ihrem Land haben alle katholischen Bischöfe Chiles dem Papst ihren Amtsverzicht angeboten. Nun soll er entscheiden, wessen Rücktritt er annimmt und wessen nicht. Aber: Sollten nicht die Bischöfe selbst Verantwortung übernehmen? Nun also wieder der Papst?

Jedoch: Das Kirchenrecht sieht gar nicht vor, dass ein Bischof selbst zurücktritt; er kann dies dem Papst nur anbieten. Nur wenn dieser annimmt, ist der Amtsverzicht wirksam. Bis dahin blieben alle Bischöfe aktiv im Amt, sagte Bischof Juan Gonzalez von San Bernardo bei der Vorstellung der Erklärung am Freitag in Rom. Dennoch ist das kollektive Rücktrittsangebot der Bischöfe schon ein vielleicht beispielloser Vorgang. Und er zeugt vom Willen zu einem echten Neubeginn.

System des Wegschauens

Sollte dies als kollektives Schuldeingeständnis verstanden werden, so gälte dies wohl in unterschiedlichem Grad. Nicht jeder ist gleichermaßen in den Fall des wegen Missbrauchs verurteilten Priesters Fernando Karadima (87) verwickelt. Da es aber um mehr als einzelne Fälle von sexuellem Missbrauch geht, sondern um ein System von Machtmissbrauch, Wegschauen und Nichtwahrhabenwollen, will sich wohl kein Bischof gänzlich freisprechen.

Bereits zu Beginn des Treffens am Dienstag hatte Franziskus die Bischöfe in einem zehnseitigen Schreiben wissen lassen, es reiche nicht aus, "nur die konkreten Fälle zu behandeln und die betreffenden Personen zu entfernen". Das müsse geschehen, sei aber nicht genug. "Es muss noch mehr geschehen", so Franziskus in dem vertraulichen Text, der in der Nacht zum Freitag öffentlich wurde. Das machten auch die drei Vertreter der Missbrauchsopfer deutlich, die der Papst vor drei Wochen bei sich zu Gast hatte. Franziskus selbst hatte eingestehen müssen, sich geirrt und Fehler gemacht zu haben. Nachdem ihm seine Sonderermittler, Erzbischof Charles Scicluna und der Theologe Jordi Bertomeu, nach Gesprächen mit 64 Betroffenen einen 2.300 Seiten starken Bericht auf den Tisch gelegt hatten, wurde das Ausmaß des Skandals klar. Zerknirscht und reumütig zeigte sich der Papst in seinem Brief vom 8. April, in dem er die Bischöfe nach Rom zitierte.

Ein Neubeginn

Der Neuanfang, den die Bischöfe nun mit Franziskus machen wollen, beginnt mit ihrer "Bitte um Vergebung für den Schmerz, den sie den Opfern, dem Papst, dem Volk Gottes und unserem Land mit den von uns begangenen schweren Irrtümern und Unterlassungen bereitet haben". Gleichzeitig danken sie den Opfern für "ihre Ausdauer und ihren Mut, trotz der enormen persönlichen Schwierigkeiten", die sie auch vonseiten der Kirche erleiden mussten. Angekündigt waren die Gespräche im Vatikan als "synodaler Prozess". Den hat der Papst in Gang gesetzt, indem er erst den Opfern zuhörte und dann mit den Verantwortlichen sprach. Der Brief, den er am Dienstag den Bischöfen ans Herz legte - oder hinter die Ohren schrieb -, ist Ausdruck einer geistlichen Führung, mit der Franziskus den Blick der Kirche fort von sich selbst auf Christus richtet - und damit auf die Menschen.

Ein Neuanfang der Kirche in Chile muss mehr umfassen als die Aufarbeitung und künftige Prävention sexuellen Missbrauchs. Wie Bertomeu als einer der Sonderermittler sagte, geht es dort - anders in den USA und in Irland - nicht nur um sexuellen Missbrauch, sondern auch um den von Macht und seelsorglicher Führung. Damit ist in Chile, das noch unter den Folgen der Pinochet-Diktatur (1973-1990) leidet, ein umfassenderes Problem angesprochen - das sich verschärft auch in den Skandalen rund um die "Colonia Dignidad" zeigte.

Das Treffen in Rom sei "ein Meilenstein eines tief gehenden Umkehrprozesses", schreiben die Bischöfe. Wenn dieser Weg gut verläuft, könnte Chile zum Beispiel jener "pastoralen Bekehrung" werden, die Papst Franziskus 2013 in seinem grundlegenden Schreiben "Evangelii gaudium" beschrieben hat und die er seither der ganzen Kirche predigt. Einige der angebotenen Rücktritte wird Franziskus in Kürze wohl annehmen. Er wird Bischöfe ernennen, die er für "pastoral bekehrt" hält - vorausgesetzt, er lässt sich nicht wieder falsch beraten. Dann aber muss Chiles Kirche mit ihren Bischöfen den neuen Weg vor allem selbst gestalten.

Autor: Roland Juchem (KNA)

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