Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Kolumbien |

Kohleimporte bringen Kolumbiens Präsidenten in die Bredouille

Kolumbiens neuer linksgerichteter Präsident Gustavo Petro will perspektivisch weg von Öl und Kohle. Doch wegen des Ukraine-Kriegs steigen derzeit in Deutschland die Kohleimporte aus Kolumbien wieder an. 

Protest gegen die Erhöhung der Steinkohleimporte aus Kolumbien Ende Juni 2022 im Hamburger Steinkohlehafen. Foto: Banneraktion im Steinkohlehafen Hamburg, Ende Gelände Hamburg, CC BY-NC 4.0

Protest gegen die Erhöhung der Steinkohleimporte aus Kolumbien Ende Juni 2022 im Hamburger Steinkohlehafen. Foto: Banneraktion im Steinkohlehafen HamburgEnde Gelände HamburgCC BY-NC 4.0

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine bringt auch die Politik im fernen Kolumbien durcheinander. Auf der Suche nach Alternativen für die russischen Energieträger schauen europäische Staaten und vor allem Deutschland besonders genau in das südamerikanische Land. Kolumbien gehört weltweit zu den zehn größten Exporteuren von Steinkohle. Und Deutschland ist ein eifriger Abnehmer. Vergangenes Jahr deckte die Bundesrepublik dort 5,5 Prozent ihrer Importe. Und in diesem Jahr steigen die deutschen Einkäufe deutlich an.

Kolumbien will Energiewende

Aber der künftige Präsident Gustavo Petro, der am 7. August sein Amt antritt, will die Abhängigkeit der Wirtschaft von fossilen Brennstoffen deutlich verringern. Das war ein zentrales Wahlkampfversprechen. „Wir müssen die Wirtschaft dekarbonisieren", unterstrich Petro immer wieder. Das heißt, die erste links-grüne Regierung In der Geschichte Kolumbiens will sich perspektivisch auch von der Kohleförderung verabschieden, dem zweitgrößten Devisenbringer nach dem Erdöl. Der Abbau des schwarzen Gesteins macht etwa 14 Prozent der Exporte Kolumbiens aus. Zudem hängen 130.000 Arbeitsplätze am Kohleabbau. 
 
„Die Energiewende wird schrittweise erfolgen, der Staat wird Kohle aufkaufen. Und die Bergleute werden in neuen Energien ausgebildet", erklärt die künftige Umweltministerin Susana Muhamad. Die Einnahmen durch den Extraktivismus sollen künftig durch mehr Landwirtschaft und Tourismus ersetzt werden.

Deutsche Kohleimporte steigen

Doch Europas Energienot bringt diese ambitionierte Umweltagenda nun durcheinander und die künftige Regierung in eine ethische und ökonomische Zwickmühle. Besonders Deutschland macht Druck. Wurden im ganzen vergangenen Jahr 1,78 Millionen Tonnen aus Kolumbien bezogen, stiegen die Importe im ersten Quartal 2022 laut Statistischem Bundesamt schon auf 687.842 Tonnen. Damit kam mehr Kohle aus Kolumbien als aus Australien und den USA. 
 
Nach Worten der Bundestagsabgeordneten Kathrin Henneberger (Grüne) ist das schon eine unmittelbare Folge des Ukraine-Krieges. Gleich nach Beginn der Invasion hätten sich die großen deutschen Stromkonzerne nach Alternativen zur russischen Kohle umgeschaut und seien dabei auf Kolumbien gekommen, sagt Henneberger, die im Bundestags-Ausschuss für Klimaschutz und Energie sitzt und sich derzeit vor Ort in Südamerika ein Bild von der Situation macht. 

Kohlemine raubt Indigenen Lebensgrundlage

Kräftig nachgeholfen hat auch Bundeskanzler Olaf Scholz, der die scheidende Regierung von Präsident Iván Duque bereits im April darum bat, noch mehr Kohle zu liefern. Duque hinterlässt das Problem seinem Nachfolger. „Da wird Druck aufgebaut, der deutschen Unternehmen die Tür öffnen soll“, kritisiert Henneberger den Kanzler-Anruf und spricht von „neuem kolonialem Verhalten“. „Wir brauchen aber keinen Ausbau der Kohleimporte, sondern eine gemeinsame Exit-Strategie mit Kolumbien“.
 
Dabei seien die Importe aus Kolumbien seit 2018 deutlich zurückgegangen, unterstreicht die Grünen-Abgeordnete. Ein Grund: Die Förderung in der Mine „El Cerrejón“, dem größten Tagebau Lateinamerikas, ist seit Jahren hoch umstritten. Das Bergwerk liegt im nördlichen Departement La Guajira auf dem Territorium der Wayuu-Indigenen, die Vertreibung, Einschüchterung und das Versiegen ihrer Flüsse in einer der ohnehin ärmsten Regionen beklagen. Die künftige Vizepräsidentin Francia Márquez kritisierte schon im Februar über den Kurznachrichtendienst Twitter: „In La Guajira befindet sich die größte Kohlemine Kolumbiens, und in diesem Departement sterben Kinder an Hunger. Ist das Entwicklung?“

Langfristige Entwicklungsperspektiven nötig

Noch haben sich Gustavo Petro und seine designierte Umweltministerin Muhamad nicht zu dem europäischen Energiewunsch geäußert. Zeigt sich Kolumbien solidarisch mit Europa, werden die eigenen Umweltziele geopfert. Allerdings brächten mehr Importe auch mehr Geld, das die Regierung dringend für die geplanten Sozialprogramme und letztlich auch den Energieumbau braucht. 
 
„Eine für Deutschland kurzfristige Lösung der Energiekrise durch zusätzliche Kohleimporte aus Kolumbien könnte hier langfristige Auswirkungen haben,“ warnt aber Florian Huber, Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Bogotá. „Es könnte die Anstrengungen für die Energiewende zurückwerfen.“ Insbesondere die Schließung von Minen sowie politische Entscheidungen zur Renaturierung, Finanzierung von Folgekosten sowie die Förderung von wirtschaftlichen Alternativen für die Kohleregionen könnten sich so weiter hinauszögern, fürchtet Huber. 

Text: Klaus Ehringfeld, Mexiko

Weitere Nachrichten zu: Umwelt, Wirtschaft

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz