Kirche in Chile fordert Sozialpakt in Corona-Krise
Die Kirche in Chile appelliert an Politik und Gesellschaft: Im Mittelpunkt aller Hilfen und Strategien müssten die Armen stehen - nicht nur in der Corona-Krise.
Angesichts der enormen sozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie fordert die Chilenische Bischofskonferenz von der Politik des südamerikanischen Landes einen Solidarpakt für die am härtesten von der Krise betroffenen Menschen. In einer am Dienstag, 2. Juni 2020, veröffentlichten Stellungnahme rufen die chilenischen Bischöfe die gesellschaftlichen Autoritäten und Funktionsträger des Landes dazu auf, Einzelinteressen beiseite zu lassen, um ein Sozialabkommen zu erreichen. Dessen Ziel müsse es sein, eine Neuorientierung der Ressourcen des Staates vorzunehmen, damit Hilfe jene erreiche, die derzeit leiden.
Corona-Pandemie führt zu Hunger
Die Bischöfe zeigten sich besorgt, dass die sozialen Effekte der Krise desaströse Ausmaße erreichen könnten. Der Einbruch der Wirtschaft und der Anstieg der Arbeitslosigkeit sorgten für eine starke Reduzierung der Einkommen. Die ärmsten Bevölkerungsschichten seien davon besonders betroffen: Sie litten unter der mangelnden Lebensmittelversorgung, ja Hunger. Migranten seien obdachlos und ohne helfendes Netz, Senioren könnten ihre Wohnungen nicht verlassen.
"Chile erwartet von seinen politischen Autoritäten und sozialen Funktionsträgern die Bereitschaft und den Willen für ausreichende Kompromisse, um einen Sozialpakt für das Wohl der Menschen zu erreichen, der es erlaubt, vorteilhafte Bedingungen für alle Bewohner unseres Landes, insbesondere die Ärmsten zu erreichen." Zugleich appellieren die Bischöfe eindringlich an alle Personen und Institutionen, die helfen können, mit wirtschaftlichen Initiativen oder Sachleistungen die solidarischen Kampagnen in Chile zu unterstützen.
Wirtschaft bricht um 14,1 Prozent ein
Erst am Montag hatte die Tageszeitung "La Tercera" über einen historischen Einbruch der chilenischen Wirtschaft in der Corona-Pandemie berichtet. Laut Zentralbank sei die Wirtschaft im April um 14,1 Prozent eingebrochen. Ähnliche Abstürze gab es nur 1975 (12,9 Prozent) und 1982 (11 Prozent). Chiles konservativer Präsident Sebastian Pinera erklärte, das Land befinde sich derzeit in der schlimmsten Phase der Epidemie.
Schon zu Beginn der Corona-Pandemie hatte die Kirche die chilenische Politik kritisiert. Die Regierung in Chile habe, so die Chilenische Bischofskonferenz, eine große Chance verpasst, auf die Forderungen der Zivilgesellschaft einzugehen. Die wichtigsten sozialpolitischen Forderungen, die seit Mitte Oktober des vergangenen Jahres bei großen Demonstrationen erhoben wurden, seien "von denen, die die Entscheidungen in Chile treffen, von der Prioritätenliste gestrichen worden". Wichtige Anliegen, wie unter anderem Zugang zum Gesundheitswesen, Wertschätzung der Frau in der Gesellschaft, Schutz der verwundbarsten Bevölkerungsgruppen, gerechte Bezahlung und Schaffung von Arbeitsplätzen, seien nicht mit der notwendigen Entschlossenheit und Effizienz vorangebracht worden.
Chilenen fordern eine Verfassungsänderung
Chile wird seit Monaten von Unruhen erschüttert. Die Demonstrationen entzündeten sich zunächst an einer Fahrpreiserhöhung für die Metro und weiteten sich später zu Forderungen nach einer Verfassungsänderung und einer anderen Sozialpolitik aus. Die aktuelle Verfassung stammt noch aus der Zeit der chilenischen Militärdiktatur von General Augusto Pinochet (1973 bis 1990). Sie wurde von den Sicherheitskräften unter anderem dafür verwendet, hart gegen demonstrierende Ureinwohner, die Mapuche, vorzugehen.