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Joe Bidens Lateinamerika-Politik: Neuanfang?

Nach vier Jahren Trump will Präsident Joseph Biden die Lateinamerika-Politik der USA neu ausrichten. Auf ihn warten große Aufgaben. Was kann Lateinamerika von seiner Politik erwarten?

Joe Biden hat Erfahrung in Zentralamerika

Joe Biden, damals noch als Vizepräsident, mit Präsident Juan Orlando aus Honduras und mit den Ex-Präsidenten Jimmy Morales aus Guatemala und Sánchez Cerén aus El Salvador. Archivbild: Presidencia El SalvadorCC0 1.0

Lateinamerika steht vor gewaltigen Aufgaben: Die Corona-Krise hat die Volkswirtschaften einiger Länder teils deutlich stärker einbrechen lassen als in anderen Teilen der Welt. Bis sich die Region davon erholt, werden Jahre vergehen. Zudem macht sich das Misstrauen in die Demokratien durch teils massive Proteste der vergangenen Jahre in Ecuador, Kolumbien, Chile, Guatemala und Haiti deutlich bemerkbar. Auch der neue US-Präsident wird diese Probleme in seiner Zusammenarbeit mit den südlichen Nachbarn zu spüren bekommen.

Dennoch setzen viele internationale Beobachtungen hohe Erwartungen in seine Lateinamerika-Politik. Unter Trumps "America-First"-Maxime hatten die Beziehungen zu den Nachbarn zuletzt an Bedeutung verloren. Oft hieß das: harte Abschottung gegenüber Mexiko und Zentralamerika sowie Säbelrasseln gegen Kuba und Venezuela. Wie verändert sich die Politik unter dem neuen US-Präsidenten?  Und welche Rolle spielt Lateinamerika überhaupt für die USA?

Die Probleme im eigenen Land

Denn die USA selbst sind tief gespalten, die Wirtschaft ist durch die Corona-Krise schwer angeschlagen. Es wird Biden viel politische Kraft kosten, die Probleme im eigenen Land anzugehen und gleichzeitig einer globalen Führungsrolle gerecht zu werden. Eine Funktion, die unter Trump stark gelitten hatte. Das sieht auch Michael Camilleri vom US-Think-Tank "The Dialogue“ so, der sich mit interamerikanischer Zusammenarbeit beschäftigt: "Joe Biden wird als Präsident einen klaren Fokus auf innenpolitische Angelegenheiten legen". Dennoch werde Biden auch Lateinamerika und die Karibik nicht ganz vernachlässigen. "Denn vieles was in der Region passiert, wirkt sich unmittelbar auf die USA aus", sagt Camilleri.

Allen voran die Flüchtlingsströme aus zentralamerikanischen Ländern wie Guatemala, Honduras und El Salvador. Joe Biden hatte im Wahlkampf angekündigt, beim Thema Flucht eine zweigleisige Strategie zu fahren: Zum einen will er die – so wörtlich - "inhumane und unverantwortliche" Migrationspolitik von Trump rückgängig machen – eine Politik, die Familien auseinanderriss und rund 70.000 Migranten zwang, vor der US-Grenze auf einen Asylbescheid zu warten. Zum anderen will Biden verstärkt die Fluchtursachen bekämpfen.

Erste Schritte in der Migrationspolitik  

Einige Schritte in diese Richtung hat Biden bereits unternommen: Wie US-Medien berichten, haben am vergangenen Freitag die ersten 25 Migranten offiziell die Grenze überquert. Insgesamt werden rund 25.000 Migranten erwartet. Sie müssen nun nicht mehr länger in Mexiko warten, während ihr Asylverfahren in den USA läuft. Das ist der Auftakt vom Ende der "Bleib in Mexiko"-Politik seines Vorgängers, mit der Trump versuchte, Asylanträge nach Mexiko auszulagern. 25 Asylsuchende sollen täglich folgen, jedoch müssen sie bereits einen Asylantrag in den USA gestellt haben. Das heißt, sie müssen bereits Teil des "Bleib in Mexiko"-Programms sein. Für Neuankömmlinge bleibt ein Grenzübertritt schwierig. 

Zuvor hatte Biden bereits ein Übereinkommen mit Guatemala, Honduras und El Salvador rückgängig gemacht, dass die drei Länder als sichere Drittstaaten klassifizierte. Trump hatte den Pakt im Jahr 2019 mit den Staaten des sogenannten "Dreiecks des Nordens" unterzeichnet, nachdem er mit Sanktionsdrohungen Druck auf sie ausgeübt hatte. Das Abkommen zwang Migranten, Asyl in den drei Ländern zu beantragen, obwohl es dort wegen der ausufernden Bandenkriminalität nicht sicher ist. Mit den Rücknahmen wendet sich der neue Präsident klar von der "Null-Toleranz-Politik“ seines Vorgängers ab. 

Fluchtursachen bekämpfen

Doch noch wichtiger dürfte es sein, die Ursachen der Flucht zu bekämpfen. Biden kündigte an, dass er dafür vier Milliarden US-Dollar in die Hand nehmen wolle. Die Aufgaben seien gewaltig, sagte Biden, aber " wenn der politische Wille vorhanden ist, gibt es keinen Grund, warum Zentralamerika nicht die nächste große Erfolgsgeschichte der westlichen Hemisphäre werden kann". Sein Plan sieht vor, Armut und Korruption zu bekämpfen, die Sicherheitskooperation zu vertiefen, um die Bandenkriminalität zu verringern und durch technische Hilfe die Institutionen zu fördern.

Doch hier liegt häufig das Problem: Denn die Partner in der Region gelten nicht gerade als zuverlässig. Die Kooperation dürfte auch für Biden nicht einfach werden. Vor allem in El Salvador regiert Präsident Nayib Bukele zunehmend autoritär. US-Außenminister Antony Blinken telefonierte zudem kürzlich mit seinem guatemaltekischen Amtskollegen, Pedro Brolo, wobei er die "strukturellen Probleme" wie Korruption direkt ansprach. 

Michael Camilleri vom Think Tank "The Dialogue" sieht die Schwierigkeiten, dennoch glaubt er, dass Biden das Thema sehr ernst nimmt. "Biden hat viel Erfahrung in Zentralamerika. Er wird nicht nur versuchen, die Mittel in die Länder zu senden, sondern sie auch wirksam einzusetzen. Sein Ziel wird sein, die Eliten dazu zu bewegen, sie für das Wohlergehen aller einzusetzen." Gleichzeitig müsse Biden zunächst versuchen, trotz des Versprechens einer humanen Flüchtlingspolitik, die Asylsysteme in den USA nicht zu überlasten – und die Grenzen zu sichern. Bis Bidens Plan einer Trendwende in der Migrationsfrage aufgeht, dürfte also noch einige Zeit verstreichen.

Bidens Umgang mit Venezuela 

Wohl noch schwerer dürfte es Biden mit einem weiteren Krisenstaat haben: Venezuela. Präsident Nicolás Maduro zeigt bisher wenig Interesse, mit der neuen US-Regierung zu verhandeln. Somit bleibt das oberste Ziel der Venezuela-Politik, freie Wahlen in dem südamerikanischen Land zu erreichen, in weiter Ferne. Doch es gibt Veränderungen: Trump fuhr eine klare Einschüchterungspolitik gegen das sozialistische Regime, er zog die Sanktionen an, unterstützte Oppositionsführer Juan Guadió und schloss auch einen Militärschlag nicht aus. "Unter Biden hat sich vor allem der Umgangston geändert", beobachtet Michael Camilleri, "es gibt keine Drohungen eines Militärschlags mehr." Die Politik setze wieder mehr auf Diplomatie statt Aggression.

Experten erwarten auch, dass einige Sanktionen der USA, die Venezuela hart treffen, bisher Maduro jedoch nicht wirklich schwächen konnten, wieder zurückgenommen werden.  "Die USA werden eine Mischung aus Anreizen und politischem Druck führen", schätzt Camilleri. Das bedeutet, dass einige Mittel der Trump-Regierung wie Sanktionen weiter Bestand haben werden. Gleichzeitig müsse die US-Regierung versuchen, so Camilleri, humanitäre Hilfe zu leisten und die umliegenden Länder wie Kolumbien zu stabilisieren. Im Moment sei das der effektivste Weg gegen das autoritäre Regime. 

Autor: Julian Limmer 

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