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Interview zu Mercosur-Abkommen: "Wir müssen die Zerstörung von Wäldern ächten"

Das geplante Handelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten ist umstritten. Umweltschützer und Menschenrechtler protestieren dagegen. Christoph Hoffmann, entwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, erklärt im Interview, wieso er die Kritik an dem Abkommen nicht teilt. 

Der Amazonas-Regenwald wird aktuell durch Brandrodung stark bedroht. Christoph Hoffmann meint, man müsse Waldzerstörung international ächten. Foto: Jürgen Escher/Adveniat

Ein bedeutendes Zeichen gegen Protektionismus und Handelskriege sagen die einen, eine fatale Entscheidung für die Umwelt sagen die anderen. Das geplante Handelsabkommen der Europäischen Union mit den Mercosur-Staaten Paraguay, Uruguay, Argentinien und Brasilien ist umstritten. Vor allem, weil die Brände des Amazonas-Regenwalds unter Brasiliens rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro  wieder stark zugenommen haben. Im Juni wurden von den Behörden in Brasilien die höchste Zahl an Bränden für diesen Monat seit 13 Jahren gemessen. 

Kritiker werfen dem Handelsvertrag vor, er würde durch sinkende Zölle auf Rindfleisch und Soja die Exporte dieser Produkte in die EU steigern und somit Brandrodungen am Amazonas noch weiter vorantreiben. Eine kürzlich veröffentliche Studie von Greenpeace und dem katholischen Hilfswerk Misereor legt zudem nahe, dass der aktuelle Vertrag beim Thema Menschenrechte und Umweltschutz defizitär sei. "Das Handelsabkommen würde in Südamerika die Expansion von Zuckerplantagen, Sojafeldern und Weideflächen beschleunigen. Das sind Haupttreiber von Waldzerstörung, Landvertreibungen indigener Völker und Menschenrechtsverletzungen", sagt der Hauptgeschäftsführer von Misereor Pirmin Spiegel. 

Der entwicklungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Christoph Hoffmann, erklärt im Interview mit Blickpunkt Lateinamerika, wieso er dennoch für ein Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten ist. In einigen Punkten sieht aber auch er noch Verhandlungsbedarf.

Blickpunkt Lateinamerika: Ist die Angst berechtigt, dass das Freihandelsabkommen ein Brandbeschleuniger am Amazons sein könnte?

Christoph Hoffmann: Ich glaube nicht. Wir haben noch kein Mercosur-Abkommen, der Amazonas brennt trotzdem. Es liegt nicht am Freihandel, sondern an dem brasilianischen Präsidenten, der den Amazonas-Regenwald als Entwicklungshindernis ansieht, das er beseitigen will. Das macht er mithilfe von Menschen, die dadurch Geld verdienen wollen, indem sie dort Soja anbauen oder Vieh züchten. Wenn ich den Wald schützen will, muss ich diesen Leuten ein anderes Einkommen bieten. Und hier hat sich ein globaler Handel bewährt. Es darf natürlich auch keinen Raubtierkapitalismus geben.

Sie haben das Thema Soja angesprochen: Der Sojaanbau ist zu großen Teilen für Brandrodung am Amazonas verantwortlich. Aktuell sind laut einer Studie von Greenpeace und Misereor gerade einmal 13 Prozent des in die EU exportierten Sojas entwaldungsfrei. Besteht nicht die Gefahr, dass durch sinkende Zölle mehr exportiert wird und so auch mehr gerodet wird?

Ja, das Risiko besteht. Allerdings ist das Abkommen noch nicht ratifiziert. Wir sind für einen regelbasierten Freihandel. Es kann nicht sein, dass in so einem Abkommen das Wort Amazonas nicht vorkommt. Wir als FDP wollen uns auf UN-Ebene einig werden, dass keine Waldverluste mehr möglich sind.

Wie wollen sie das garantieren?

Wir müssen die Zerstörung von Wäldern ächten. Das ist ein gemeinsamer Schritt, den man so ähnlich auch schon bei Kriegsverbrechen gegangen ist. Wo man Tribunale hat, in denen Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Genozide bestraft werden.

Die Vernichtung von Wald muss weltweit aufhören. Dazu müssen wir auch unseren Beitrag leisten - und dafür Geld ausgeben. Wenn wir Bauern in Brasilien neue Möglichkeiten eröffnen, indem wir sagen: 'Pflanzt Bäume, statt sie zu verbrennen', und wir kompensieren das dann mit Co2-Mitteln, dann bringen wir eine positive Bewegung in Gang.

Ein Freihandelsabkommen kann dafür eine Grundlage sein. Es schafft wirtschaftliche Anreize, indem es Zölle und Bürokratie abbaut. Dafür braucht es Regalen - und es gibt auch bereits ein Kapitel zur Nachhaltigkeit in dem Abkommen.

In dem Nachhaltigkeitskapitel, das sie ansprechen, sind auch jetzt schon Ziele des Pariser-Klimaabkommens  verankert. Nun legt die Studie von Greenpeace und Misereor nahe, dass der Paragraf kaum eine Wirkung hat, da ein Fehlverhalten nicht sanktioniert werden kann. Wie wollen Sie dann mit Vertragsbrüchen umgehen?

Darüber muss es in Deutschland aber auch innerhalb der EU noch eine weitere Debatte geben. Wir haben ja auch in der Welthandelsorganisation gewisse Spielregeln. Solche Regeln brauchen wir auch beim Mercosur-Abkommen. Gemeinsame Verpflichtungen.  

Sanktionen sind hingegen nur schwer umzusetzen, da man dafür internationale Schiedsgerichte bräuchte. Die Geschichte zeigt, dass das in der Praxis nicht wirklich funktioniert.

Sie sprechen von gemeinsamen Verpflichtungen. Brasiliens Präsident ist in Vergangenheit nicht gerade durch seine Kompromissbereitschaft aufgefallen. Als die Bundesregierung Hilfsgelder für die Aufforstung in Höhe von 35 Millionen Euro des Amazonasfonds auf Eis gelegt hatte, weil sie ein Zeichen gegen die verheerenden Brände am Amazoans setzten wollte,  antwortete Bolsonaro lapidar: Behaltet euer Geld und mischt euch nicht ein. Wie wollen sie jemanden wie Bolsonaro dazu bringen, sich wirklich für mehr Umweltschutz zu verpflichten?

Wir wollen auf keinen Fall, wie Entwicklungsminister Gerd Müller von der CSU fordert, die Zahlungen des Amazonasfonds wieder aufnehmen. Das wäre ein falsches Signal. Wir wollen stattdessen die Entwicklungszusammenarbeit mit Brasilien ganz kappen. Bolsonaro hat bewiesen, dass er sich an keine internationalen Regeln hält. Deshalb braucht es da eine harte Ansage.

Eine harte Ansage. Könnten Sie das konkretisieren?

Wie gesagt, wollen wir auf keinen Fall den Amazonasfonds wiederbeleben und Gelder für die Regierung von Bolsonaro bereitstellen. Wir sollten stattdessen verstärkt mit der Zivilbevölkerung in Brasilien zusammenarbeiten.

Was genau meinen sie damit?

In den Ländern gibt es viele Initiativen, die sich für den Schutz des Waldes oder der Indigenen in den Gebieten einsetzten. Oft sind das NGOs. Ich könnte wir vorstellen, verstärkt mit solchen Initiativen zusammenzuarbeiten. So lassen sich die staatlichen Institutionen, die Bolsonaro kontrolliert, umgehen.

Sie sprechen die Rechte der Indigenen an. Untersuchungen zeigen, dass in Brasilien viel Land von Indigenen einfach geraubt wird. Häufig um es als Weidefläche zu nutzen. Würde der Bedarf an solchen Flächen nicht noch wachsen, wenn durch sinkende Zölle mehr Fleisch und Soja exportiert wird?

Wer sagt denn, dass mit einem Abkommen die Exporte steigen würden. Das wird immer so behauptet. Es geht hier auch darum, wie wir unsere eigene Landwirtschaft aufstellen. Müssen wir wirklich so viel Vieh halten wie bisher? Hier gibt es noch viel Klärungsbedarf. Aktuell herrscht noch ein großes Ungleichgewicht.

Exporte von Rohstoffen spielen für die Wirtschaft der Mercosur-Staaten eine zentrale Rolle. Größtenteils sind es Produkte wie Soja, Fleisch oder Rohstoffe wie Eisenerze. Wie könnte es durch Freihandel denn gelingen, dass diese Länder nicht mehr so stark von diesen Exporten abhängig sind?

Wir sprechen hier von einem Modell, das Entwicklungsländern die Rolle der Rohstofflieferanten zuschiebt. Und die verarbeiteten Länder sind dann wir in Europa. Dieses Modell stößt an seine Grenze. Die europäischen Märkte sind gesättigt. In den Ländern des globalen Südens herrscht hingegen noch viel Potenzial. Die Chancen liegen hier weniger im Export von einzelnen Gütern, sondern von Maschinen und Anlagen.

Die Rahmenbindungen, wie die Infrastruktur, haben sich dort über die Jahre deutlich verbessert.  Es wird auch für deutsche Firmen immer interessanter, dort Fabriken etwa zur Weiterverarbeitung von Gütern zu gründen. Also dort Anlagen zu betreiben, die wiederum sowohl in diesen Ländern als auch bei uns Arbeitsplätze garantieren.

Aber was nützt dann der Freihandel, wenn deutsche Firmen dort für den lokalen Markt produzieren?

Das Abkommen gilt ja auch für Anlagen und Maschinen. Bisher war es ja so, dass deutsche Firmen, die ins Ausland wollten, für ihre importierten Maschinen zahlen mussten. Das wäre dann nicht mehr der Fall, das ist ein großer Vorteil.

Herr Hoffmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Zur Person: Christoph Hoffmann ist promovierter Forstwissenschaftler und seit 2017 ist er für die Freie Demokratische Partei (FDP) Mitglied des Deutschen Bundestages.  

Das Interview führte Julian Limmer 

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