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Chile |

Interview: "Uns töten sie, nur weil wir Mapuche sind"

Viele Mapuche fühlen sich in Chile gegängelt und unterdrückt, ihre Gegner werfen ihnen hingegen Aufruhr und Terrorismus vor. Millaray de las Nieves Railef Córdova erzählt im Interview davon, was es für sie bedeutet, eine Mapuche-Frau in Chile zu sein.

Die Mapuche Millaray de las Nieves Railef Córdov. Foto: Judith Mintrop

Im Süden Chiles flammt der Konflikt zwischen den Mapuche und der chilenischen Regierung immer wieder auf. Es geht um Land, das eigentlich den Mapuche gehörte und das jetzt die Forst- und Stromindustrie nutzt. Es geht auch um kulturelle Anerkennung.  Zuletzt befand sich der spirituelle Führer Celestino Córdova für über drei Monate im Hungerstreik. Lastwagen wurden in Brand gesteckt – beschuldigt werden für diese Anschläge meist die Mapuche.

Millaray de las Nieves Railef Córdova, eine 34-jährige Halb-Mapuche, lebt in Pucón (Region „La Araucanía“). Im Interview spricht sie darüber, was es heißt, Mapuche zu sein, über die Probleme und ihren Traum für die Zukunft.

Was bedeutet es für dich, Mapuche zu sein?

Es ist für mich eine Ehre, aber es bedeutet auch Verantwortung. Denn Mapuche heißt übersetzt: „Menschen der Erde.“ Deshalb ist es unsere Aufgabe, uns um unsere Mutter Erde zu kümmern. Häufig ist das kein Spiel, denn sie töten und unterdrücken uns. Wir können nicht die Arme verschränken, nichts tun und zulassen, dass wir eliminiert werden.

Wurdest du in deinem Leben oft diskriminiert, weil du Mapuche bist?

Mein Vater hat mir von klein auf beigebracht, dass ich auf meine Herkunft und Kultur stolz sein soll. Als ich noch in der Schule war, habe ich mich manchmal geprügelt, weil sie mich „Indio“ nannten. Als ich älter wurde, wurde mir klar, dass ich das nicht als Beleidigung verstehen sollte. Denn unsere indigene Kultur ist großartig und ich bin stolz darauf!  

Bist du selbst aktiv?

Ich gehe oft auf Demonstrationen. Häufig denke ich dabei an Fälle, wie den vor wenigen Wochen in Ercilla: Eine Mutter und ihre Tochter wurden umgebracht, weil sie um ihr Land gekämpft hatten. (Anfang dieses Monats wurden in der Gemeinde Ercilla zwei Mapuche-Frauen in ihrem eigenen zu Hause tot aufgefunden. Eine Hypothese geht von Selbstmord aus, Mapuche-Vertreter fordern hingegen Aufklärung. Noch ist nicht eindeutig geklärt, wie die Frauen ums Leben gekommen sind a. d. Red.). Ich befinde mich in einer ähnlichen Situation, aber vielleicht bin ich nicht ganz so kämpferisch, wie die beiden Frauen es waren.

Ich bin davon überzeugt, dass der Dialog der beste Weg ist, Konflikte zu lösen. Das ist vor allem bei unserer Regierung wichtig. Ich stelle sie mir wie einen eifrigen Hund vor, der darauf wartet, dass ihm der Ball zugeworfen wird. Sie warten, bis ein Mapuche etwas Falsches tut und dann kommen sie mit voller Wucht.

Doch wir kämpfen nur für die Gerechtigkeit. Wir kämpfen dafür, dass uns unser Territorium zurückgegeben wird. Die Folgen der Ausbeutung der Natur sind deutlich zu sehen. Wenn wir nichts tun, wird die Natur kaputtgehen.

Unterstützt du die Proteste in Form von Hungerstreiks, wie es in den vergangenen Monaten passiert ist?

Es wäre mir lieber, wenn sie nicht notwendig wären. Aber mit dieser stumpfen und tauben Regierung scheint dies die einzige Möglichkeit zu sein, sich Gehör zu verschaffen. Ich habe den größten Respekt vor dem Machi Celestino Cordová. Nicht jeder Mensch würde es durchhalten, fast vier Monate lang nichts zu essen. 

Wie siehst du die Entwicklung der Konflikte – hat sich das in den letzten Jahren verschlimmert?

Die Mapuche hatten schon immer viele Gegner und es kam zu Kämpfen. Uns wurde mehrmals Land weggenommen. Für uns sind mündliche Botschaften wichtiger, als das geschriebene Wort. Das führte dazu, dass Mapuche Verträge unterschrieben haben, ohne die genauen Details zu kennen. Schließlich kamen Leute in unser Gebiet, denen Land versprochen wurde. Doch es war ein großer Betrug der Regierung.

Liegt das Problem also in der Geschichte? Darin, dass der Staat Mapuche-Land geraubt und an Nicht-Mapuche vergeben hat?

Das ist ein großes Problem. Das andere Problem ist, dass wir uns verwestlicht haben. Es gibt heute Mapuche, die unsere Kultur nicht aktiv leben, also weder unsere Sprache sprechen noch die traditionellen Feierlichkeiten begehen. Manchen ist es peinlich, Mapuche zu sein. Denn wir sind in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der viele denken, dass es Menschen gibt, die mehr wert sind als andere. Einige Mapuche haben deshalb ihre Nachnamen geändert - um als Chilenen gesehen zu werden und somit scheinbar mehr wert zu sein. Sie selbst beschuldigen dann ihr Volk, die Bösen zu sein. Es tut mir im Herzen weh, das zu sehen.

Ein anderes Problem ist die Bildung. Die Geschichte der Mapuche kommt darin kaum vor. Deshalb gelten wir Indigenen für viele immer noch als die Barbaren.

Kannst du diejenigen verstehen, die vor vielen Jahren Land im Gebiet der Mapuche gekauft haben und dieses nicht wieder hergeben wollen? Schließlich haben sie es nach ihrem Verständnis rechtmäßig erworben.

Das ist schwierig pauschal zu beantworten. Es kauften einige sicherlich Land, ohne zu wissen, dass es Mapuche-Land war. In einigen Fällen wurden die Käufer einfach nicht informiert. Doch normalerweise kann Mapuche-Land nicht legal an Nicht-Mapuche verkauft werden. Aber es gibt auch die, die genau wussten, welches Land sie kauften.

Was würdest du dir für die Zukunft wünschen?

Keine Angst haben zu müssen aufgrund meines Nachnamens. Keine Angst haben zu müssen, als Mapuche demonstrieren zu gehen. Denn aktuell demonstrieren wir zwar, aber unter ständiger Angst. Sie töten uns. Auf der ganzen Welt werden Indigene getötet. Es wäre schön, nicht mehr Tag für Tag in den Nachrichten sehen zu müssen, dass sie einen nach dem anderen deines Volkes umbringen. Natürlich werden auch Chilenen umgebracht, aber unter anderen Umständen. Uns töten sie, nur weil wir Mapuche sind.

Das Interview führte Judith Mintrop

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