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Interview: „In Venezuela genießen Terroristen staatlichen Schutz“

Schon einmal war Venezuela im internationalen Terrorismus ein Begriff. Das war in den 70er Jahren, als der marxistisch inspirierte Venezolaner Ilich Ramírez Sánchez alias „Der Schakal“ weltweit Anschläge verübte. Heute bauen Organisationen wie Hisbollah Venezuela zu einer Plattform ihrer politischen und kriminellen Aktivitäten aus, sagt Joseph Humire. Am Mittwoch stellte der Direktor des Zentrums für eine Sichere Freie Gesellschaft (SFS) die Ergebnisse seiner Studie in einer Zoom-Konferenz des US-Think Tanks Atlantic Council vor. Sandra Weiss hat ihn interviewt.

Armenviertel, Caracas, Venezuela

Das Armenviertel Barrio Cartuche in Venezuelas Hauptstadt Caracas. Foto: Adveniat/Jürgen Escher

Herr Humire, wieso ist es so gefährlich, wenn Iran ein paar Öltanker nach Venezuela schickt, eine Flugverbindung einrichtet oder eine Autofabrik eröffnet, die in zehn Jahren weniger als 1.000 Fahrzeuge zusammengebastelt hat?

Diese Unternehmen sind Teil eines Netzwerkes, das Iran für den asymmetrischen Krieg gegen seinen Erzfeind USA nützt. Es geht darum, einen Keil zwischen Lateinamerika und die USA zu treiben, Unruhen zu schüren und die Region zu destabilisieren. Und dann ist Lateinamerika auch als logistische Plattform wichtig, zum Beispiel für die Geldwäsche. Deshalb hat Hisbollah traditionell eine starke Präsenz an der Dreiländergrenze zwischen Paraguay, Argentinien und Brasilien. In der dortigen Freihandelszone werden viele legale und illegale Güter umgesetzt, aus denen sich Hisbollah finanziert. Teheran hält Organisierte Kriminalität und Terrorismus für legitime Mittel der Geopolitik, und Hisbollah ist die Geheimwaffe dafür.

Was ist in Venezuela anders als beispielsweise im Dreiländereck?

In Venezuela genießen Terrororganisationen wie Hisbollah staatlichen Schutz, und iranische Agenten bekommen venezolanische Pässe. Venezuela ist für Iran so wichtig wie Syrien - als logistischer Knotenpunkt, als sicherer Hafen, als Operationsbasis, um Kontakte zur Drogenmafia und zu politischen Widerstandsgruppen in der Region auszubauen. Für solche Aktivitäten ist es wichtig, gesetzlose Räume zu schaffen, in denen die staatliche Autorität beschränkt ist, wie etwa die venezolanisch-kolumbianische Grenze.

Wie eng sind die Verbindungen der venezolanischen Machthaber zu Iran?

Machthaber Nicolás Maduro wickelt über Mittelsmänner, wie den gerade in Kapverden festgenommenen Geschäftsmann Alex Saab, Deals mit Iran ab, und zwar nicht nur den Tausch von iranischem Öl gegen Gold zur Umgehung des US-Embargos. In den USA läuft derzeit ein Prozess gegen einen Abgeordneten aus Maduros Partei, Adel El Zebayar, der vor einigen Jahren ein Geschäft zwischen der kolumbianischen Farc-Guerrilla und Hisbollah eingefädelt hat, wo Kokain gegen Waffen getauscht wurden und Venezuela dafür als Plattform diente.

Wirklich auffällig ist die iranische Präsenz in Lateinamerika aber nicht.

Teheran operiert nicht direkt, sondern über einheimische Mittelsmänner und Emissäre. Die traditionelle Stütze sind die syrisch-libanesischen Einwandererfamilien, die oft schon seit vielen Generationen in Lateinamerika leben und integriert sind. Viele von ihnen haben mehrere Pässe und Geschäftsniederlassungen in Freihandelszonen von Panama bis Paraguay. In ihren Sportclubs und Kulturzentren gibt es Hisbollah-Zellen, die Spenden eintreiben. In den vergangenen Jahrzehnten infiltrierte Iran außerdem soziale Bewegungen wie die Landlosen in Brasilien (MST) oder die ethno-caceristische Bewegung, die vom Vater des peruanischen Expräsidenten Ollanta Humala gegründet wurde. Ihnen wird die iranische Revolution nicht als religiös-fundamentalistisch verkauft, sondern als antiimperialistische Verteidigung der Bodenschätze. So etwas zieht immer in Lateinamerika. Diese Gruppen werden dann verdeckt finanziert.

Gibt es Hinweise, dass Hisbollah auch etwas zu tun hat mit den jüngsten Unruhen in Lateinamerika? Den Vorwurf gezielter Sabotage und provozierter Gewalt haben ja mehrere Präsidenten gemacht, zum Beispiel die Ecuadors und Kolumbiens - allerdings ohne Beweise.

Es gibt Geheimdienstberichte über verdächtige Aktivitäten der russischen, kubanischen und venezolanischen Geheimdienste im Internet, wo Proteste gezielt angestachelt wurden. Allerdings ist mir nichts von Hisbollah bekannt. Aber Iran, Russland und China verfolgen in Lateinamerika ja durchaus ähnliche Ziele.

Ein Fall wo Irans Geheimdienstaktivitäten auch in Lateinamerika in Terror mündeten, war der Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA in Buenos Aires im Jahr 1994. 2015 wurde dann der mit dem Attentat befasste Sonderstaatsanwalt, Alberto Nisman, ermordet. Steckte auch da wieder Iran dahinter? Eines der möglichen Motive ist ja, dass Nisman Kenntnis hatte vom Aufbau neuer Hisbollah-Netzwerke in ganz Lateinamerika…

Vieles an dem Fall ist leider ungeklärt, weil die argentinischen Ermittler den Tatort so schlampig sicherten, dass wertvolle Indizien verloren gingen. Das war ein forensisches Debakel und meiner Auffassung nach gewollt. Für mich ist die interessante Frage nicht nur, wer ihn umgebracht hat, sondern wer von seinem Tod profitierte. Und da ist die klare Antwort: Iran. Denn wenige Monate nach seinem Tod unterzeichnete die damalige Präsidentin Cristina Kirchner einen Vertrag über nukleare Kooperation mit Iran. Ich vermute, dass Nisman sterben musste, weil er diesen Vertrag gefährdete.

Interview: Sandra Weiss

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