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Interview: Europas Zusammenarbeit mit Kuba

Der Spanier Alberto José Navarro González ist seit Mai 2017 Botschafter der Europäischen Union in Kuba. Im Interview spricht er über die Folgen der US-Sanktionen für europäische Unternehmen und die Chancen einer engeren Zusammenarbeit. 

Seit 2017 ist Alberto Navarro Botschafter der Europäischen Union auf Kuba. Foto: Botschaft Europäische Union 

Blickpunkt Lateinamerika: Vor drei Jahren unterzeichneten die EU und Kuba erstmals ein Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit. Wie würden Sie den Stand der Beziehungen zwischen der EU und Kuba beschreiben.

Alberto José Navarro: Heute haben wir sehr gute Beziehungen zwischen Kuba und der EU. Die Ende 2016 unterzeichnete Vereinbarung über politischen Dialog und Zusammenarbeit trat zum 1. November 2017 in Kraft. In diesen etwas mehr als zwei Jahren haben wir im gemeinsamen Rat der EU und Kuba den Dialog zu Themen wie Menschenrechte, unilaterale Sanktionen, Massenvernichtungswaffen oder nachhaltiger Entwicklung ausgeweitet. Darüber hinaus führen wir Gespräche über Landwirtschaft, erneuerbare Energien und Klimawandel. Zugleich haben wir die Zusammenarbeit in den vergangenen drei Jahren beinahe vervierfacht, vor allem in den Bereichen nachhaltige Landwirtschaft, erneuerbare Energien; ein Experten-Austauschprogramm erlaubt es Kubanern, in europäischen Ländern Erfahrung zu sammeln und europäische Fachleute für die Themen wie Steuern oder Statistik ins Land zu holen. Mit „Transcultura“ wurde ein Kulturprogramm für die Karibik aufgelegt, das in Kuba angesiedelt ist. Wir haben in den vergangenen Jahren eine Politik des Dialogs angestoßen, einen bisweilen kritischen Dialog, denn wir stimmen nicht in allem überein, aber auf der Basis gegenseitigen Respekts.

Die zunehmend feindselige Politik der USA gegenüber Kuba, die Schwierigkeiten Venezuelas und der Rechtsruck in Ländern wie Brasilien und Bolivien könnten dazu führen, dass die EU für Kuba als Partner noch wichtiger wird. In welchen Feldern sehen Sie Potential für den Ausbau der Zusammenarbeit, wo mögliche Konflikte?

In den kommenden Jahren möchten wir die Zusammenarbeit mit Kuba vor allem auf zwei Gebieten ausweiten. Zum einen würden wir gern einen Fond zur Ausbildungsförderung, sowie für Mikrokredite und Anreize zur Gründung kleiner und mittlerer Unternehmen einrichten. Denn die Erfahrungen aus Europa zeigen uns, dass 85 Prozent der Arbeitsplätze und des Wohlstands durch kleine und mittlere Unternehmen geschaffen werden. Die andere Achse einer verstärkten Zusammenarbeit in der Zukunft ist die Digitalisierung. Wir möchten bei der Digitalisierung der Standesämter helfen, der 170 Grundbuchämter, beim Thema E-Governance… Aber es gibt weitere Bereiche. Kuba beispielsweise hat seine Stärken im Gesundheitswesen mit Tausenden Ärzten in sechzig Ländern weltweit oder im Kulturbereich. Wir können darüber nachdenken, in der Zukunft auf diesen Gebieten zu kooperieren.

Sie erwähnen den Bereich Gesundheit. Kuba sucht nach dem Wegfall der Ärztemissionen in Brasilien, Bolivien und Ecuador nach neuen Partnern. Glauben Sie, dass die EU kubanische Ärzte aufnehmen könnte?

In der EU haben wir bereits den Fall Portugal, das seit einigen Jahren eine Übereinkunft mit Kuba zur Entsendung von medizinischem Personal geschlossen hat. Auch Deutschland hat ein Programm für kubanische Krankenschwestern, die derzeit Deutsch lernen und noch in diesem Jahr nach Deutschland kommen werden. Wenn wir über Zusammenarbeit im Bereich Gesundheit reden, umfasst dies auch den Bereich Arzneimittel, wo Kuba große Errungenschaften aufweist, und vor allem die Süd-Süd-Zusammenarbeit. Kuba hat beispielsweise ein wichtiges Ärzteprogramm in Haiti. Statt europäische Ärzte nach Haiti zu schicken, könnte es Sinn machen, die kubanische Ärztemission in Haiti zu finanzieren. Norwegen und auch Spanien machen dies bereits.

Ein kontroverses Thema zwischen der EU und den USA ist die extraterritoriale Anwendung der US-Blockadepolitik gegen Kuba, wie die Aktivierung von Titel III des sogenannten Helms-Burton-Gesetzes durch die US-Regierung von Präsident Donald Trump im vergangenen Jahr. Einige bedeutende europäische Unternehmen mit Geschäften auf Kuba wurden daraufhin vor US-Gerichten verklagt. Welche Position vertritt die EU und was unternimmt sie, um ihre Unternehmen zu schützen?

Es ist bekannt, dass wir die extraterritoriale Anwendung der Sanktionen für illegal halten und der Meinung sind, dass sie gegen internationales Recht verstoßen. Leider wurde Titel III des Helms-Burton-Gesetzes im Mai vergangenen Jahres durch die US-Regierung aktiviert. Dieses Gesetz soll Verwirrung stiften, sodass Unternehmer und Investoren aufgeben und sagen: Ich werde nicht auf Kuba investieren, ich gehe besser nach Jamaika oder in die Dominikanische Republik. Die USA versuchen so, die kubanische Wirtschaft finanziell abzuwürgen. Das hat die EU wiederholt angeprangert. Im Jahr 1996 haben wir eine Resolution verabschiedet, das Blockade-Statut, die heute in allen Mitgliedsstaaten Gesetzescharakter hat. Es erlaubt europäischen Unternehmen, im Gegenzug die US-Seite vor europäischen Gerichten auf Schadenersatz zu verklagen. Soweit sind wir aber noch nicht gekommen. Bisher gibt es in den USA rund 20 Klagen, darunter einige gegen europäische Unternehmen, wie Meliá. Zuletzt wiederum wurden europäische und kubanische Unternehmen aus den Klagen nach dem Helms-Burton-Gesetz herausgenommen und die Kläger konzentrieren sich auf US-Unternehmen wie Booking.com, möglicherweise, weil sie sich so mehr Erfolgschancen versprechen. Bisher gab es noch keinen Richterspruch gegen irgendein europäisches Unternehmen.

In diesen Tagen wurde bekannt, dass die USA zudem mit der Anwendung von Titel IV des Helms-Burton-Gesetzes begonnen haben, das hochrangigen Vertretern europäischer Unternehmen und ihren Familienmitgliedern die Einreise in die USA untersagt. Konkret geht es um Gabriel Escarrer Jaume, den Vizepräsidenten und Generaldirektor der spanischen Hotelkette Meliá. Haben Sie Kenntnis von weiteren Fällen? Welche Gegenmaßnahmen wird die EU ergreifen?

Wir haben keine Kenntnis von weiteren Fällen. Die Schreiben an Meliá wurden bereits im Oktober letzten Jahres verschickt und traten im November in kraft. Später wurde Meliá, wie bereits erwähnt, aus der Klage nach Helms-Burton herausgenommen. Deshalb ist es unverständlich, dass dieses Schreiben weiterhin Bestand hat. Jedes Land ist souverän und kann selbst entscheiden, wer einreisen darf und wer nicht. Deshalb muss man an die Vernunft der USA appellieren, dass die Entscheidung gegen ein Unternehmen zurückgenommen wird, das nicht verurteilt und zudem aus der Klage herausgenommen wurde. Ich denke, das wird die EU über die gebotenen Kanäle tun.

Ich nehme an, Sie sprechen mit zahlreichen auf Kuba aktiven europäischen Unternehmern. Wie nehmen Sie deren Stimmung wahr?

Es gibt viel Beunruhigung, wie man sich vorstellen kann, denn die Situation ist schwierig. Es gibt Zahlungsrückstände von kubanischer Seite und es gibt eine Situation immer härterer finanzieller Strangulierung durch die USA. Von daher sind die europäischen Unternehmer hier auf Kuba für mich wahre Helden, denn sie müssen zahlreichen Schwierigkeiten jeder Art begegnen – finanzieller, ökonomischer und kredittechnischer Natur. Wir sind heute Kubas wichtigster Handelspartner – knapp 40 Prozent des kubanischen Außenhandels entfällt auf die EU. Doch es gibt Besorgnis angesichts der immer schwieriger werdenden Situation.

Danke für das Gespräch.

Das Gespräch führte Andreas Knobloch

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