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In Honduras bahnt sich eine institutionelle Krise an

Am kommenden Sonntag soll Xiomara Castro als erste Präsidentin von Honduras vereidigt werden. Doch wer ihr den Amtseid abnehmen wird, ist unklar, denn ein Riss zieht sich durch die Fraktion ihrer Partei. Die Reformagenda der Regierung steht auf der Kippe.

Wandmalerei mit der honduranischen Flagge in San Pedro Sula, Honduras. Foto (Symbolbild): Adveniat/Jürgen Escher

Wandmalerei mit der honduranischen Flagge in San Pedro Sula, Honduras. Foto (Symbolbild): Adveniat/Jürgen Escher

Xiomara Castro ist das Gesicht des politischen Wandels, der ab dem 27. Januar Honduras verändern soll. An diesem Sonntag wird die 62-jährige Politikerin der linksliberalen Partei Freiheit und Neugründung (Libertad y Refundación), kurz Libre, in den Präsidentenpalst einziehen – als erste Frau in der Geschichte des Landes.

Die Agenda der 62-jährigen Politikerin steht und die Erwartungen sind immens. Denn eine Reform der gesamten politischen Infrastruktur, sprich der Institutionen, ist anvisiert. „Das wird extrem schwer, denn faktisch muss die neue Regierung zurückbauen, was deren Vorgänger aufgebaut haben: eine klientelistische, korrupte Struktur“, so Joaquin A. Mejia, Jurist und Analyst des jesuitischen Forschungszentrum Eric-SJ, das vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützt wird. Das hat seinen Sitz in El Progreso, einer Kleinstadt nahe der Industriemetropole San Pedro Sula, und leistet Menschenrechtsarbeit sowie Beratung in der benachbarten Agrarregion des Valle de Sula. 

Fehlende Mehrheit im Parlament

„Rückzubauen, was in den letzten zwölf Jahren seit dem Putsch 2009 aufgebaut wurde, wird Jahre dauern, denn Xiomara Castro fehlt das, was ihr Vorgänger Juan Orlando Hernández hatte: eine Mehrheit im Parlament“, umreißt Mejía das Kernproblem. 128 Sitze hat das Parlament. Davon entfallen auf die Koalition von Xiomara Castro nur 60. Also muss die Präsidentin sich Mehrheiten suchen, die nötig sind, um etliche der Gesetze, die ihr Vorgänger Juan Orlando Hernández oft zu Gunsten einer korrupten Elite durchgebracht hat, rückgängig zu machen.

Dabei reicht aber oftmals keine einfache Mehrheit, sondern eine Zwei-Drittel-Mehrheit mit 85 Stimmen ist nötig. Das macht die Sache kompliziert, sind sich viele Anhänger der zukünftigen Präsidentin sicher. Zu denen gehört der Kaffeebauer und Geschäftsführer der Kaffeegenossenschaft Comsa Rodolfo Peñalba genauso wie der Menschenrechtsaktivist Donny Reyes. „Die Nationale Partei hat 44 Mandate und damit quasi eine Sperrminorität. Das schränkt die Gestaltungsmöglichkeiten von Xiomara Castro ein“, so Peñalba. 

Regierungspartei Libre ist gespalten

Hinzu kommt, dass Libre keine homogene Partei ist, sondern aus Fraktionen besteht, die sich unter dem Dach des Parteiprogramms zusammengefunden haben. Doch am Wochenende kristallisierten sich die unterschiedlichen Strömungen mehr als deutlich heraus. Mit Luis Redondo und Jorge Calix haben sich zwei Abgeordnete zum Parlamentspräsidenten wählen lassen: der erste mit 48 Stimmen und der Unterstützung der designierten Präsidentin, der andere mit 79 Stimmen der Abgeordneten, darunter die 44 der Nationalen Partei. Das deutet darauf hin, dass Calix, Libre-Abgeordneter und bis zum Wochenende Anhänger von Xiomara Castro, einen Deal mit der Nationalen Partei gemacht hat. Viele Gerüchte weisen in diese Richtung. So soll Calix von der zweitgrößten Bank FICOHSA aber auch aus dem Spektrum der so genannten ZEDEs, der Sonderwirtschaftszonen, unterstützt werden. 

Widerstand gegen Sonderwirtschaftszonen

Die ZEDEs sind ein neoliberales Projekt der Nationalen Partei und zugleich eines, gegen das die Opposition Sturm läuft und dessen Ablehnung die Parteienallianz hinter Xiomara Castro eint. Das Kürzel steht für "Zona de Empleo y Desarrollo Económico" (Zone für Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung), von denen es bisher drei gibt. Eine vierte ist in Vorbereitung und über weitere 22 kursieren Gerüchte, so Miriam Miranda.

Sie ist die Koordinatorin von Ofraneh (Organisación Fraternal Negra de Honduras), der wichtigsten Interessensorganisation schwarzer Menschen in Honduras und engagiert sich seit 2012 gegen die neoliberal ausgerichteten Sonderwirtschaftszonen. Diese liegen an der Karibikküste des Landes, wo die Garífuna, eine afrokaribische Ethnie, leben. „Für uns ist sind die ZEDEs eine neue Form der Kolonisierung - dagegen wehren wir uns“, sagt die charismatische Frau. Kein Wunder, denn genau genommen sind die ZEDEs kleine "Kolonien", die aus der nationalen Souveränität herausgelöst werden. Die autonomen Einheiten haben eine eigene Währung, ein eigenes Steuer- und Bildungssystem und eine eigene Verwaltung. Selbst die internationalen Überflugrechte sollen versilbert werden – alles zugunsten der Investoren. Dagegen hat sich eine breite Widerstandsbewegung gebildet, an deren Spitze sich Xiomara Castro mit ihrer Parteienallianz gesetzt hat. 

Eine institutionelle Krise bahnt sich an

Doch nun zieht sich ein Riss durch ihre Partei und sie kann nur noch auf 32 Abgeordnete statt auf ursprünglich fünfzig zählen. Hinzu kommen zehn Abgeordnete der Partei Salvador de Honduras (PSH), so dass die Präsidentin nach derzeitigem Stand keine Mehrheit im Parlament hat. Dafür machen Analysten wie Mejía die Clique um den noch amtierenden Präsidenten Juan Orlando Hernández verantwortlich. Gegen Hernández ermitteln die US-Gerichte wegen Drogendelikten. Ein Ausweg aus der Krise ist derzeit nicht absehbar. Sicher ist aber, dass die designierte Präsidentin Unterstützung aus dem Ausland braucht, vor allem aus den USA.

Hoffnungsschimmer für die ganze Region

Die haben kein Interesse an einer institutionellen Krise in Honduras, denn die könnte die Migrationszahlen erneut ankurbeln. Zudem hat sich das Weiße Haus mehrfach für eine Bekämpfung der omnipräsenten Korruption in Honduras ausgesprochen. Die steht ganz oben auf der Agenda der linksliberalen Xiomara Castro und sie hat durchaus ein Rezept, um dagegen aktiv zu werden. Der Antrag an die internationalen Player, die Vereinten Nationen und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), ist bereits vorbereitet, um zum zweiten Mal eine internationale Expertenkommission auf die Beine zu stellen, die dem Justizsystem in Honduras den Rücken stärken soll.

Eine Kommission gegen die Straflosigkeit wie in Guatemala die CICIG (UN-Kommission gegen die Straflosigkeit) möchte Castro in ihr Land holen, um dem Geflecht von Klientelismus und Korruption etwas entgegenzusetzen, sagen Experten wie Joaquín Mejía. „Das Instrument könnte Wunder wirken, wenn es die nötige internationale Unterstützung erhält“, so der Jurist. Das glaubt auch die guatemaltekische Menschenrechtsanalystin Claudia Samayoa. „Honduras könnte Modell stehen für Guatemala, Nicaragua oder El Salvador. Hier bietet sich eine historische Chance für ganz Mittelamerika“. Doch mit der Wahl von zwei Parlamentspräsidenten ist genau dieser Prozess nun gefährdet.

Text: Knut Henkel

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