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"In Guatemala ist Schwulsein eine politische Angelegenheit"

Mit seinem Amtsantritt im Januar ist Aldo Dávila der erste offen schwule Kongressabgeordnete in Guatemala. Das ist keine Selbstverständlichkeit in einem Land, in dem homophobe Morde noch weit verbreitet sind. 

Mit seinem Amtsantritt am 14. Januar ist Aldo Dávila der erste offen schwule Kongressabgeordnete in Guatemala.

Aldo Dávila aus Guatemala hat sich schon als Teenager für Politik interessiert, besonders für das Leben der Schwächeren in einer ungleichen und teilweise von Gewalt geprägten Gesellschaft haben. Jahrelang hat der 1977 geborene Dávila sich für HIV-Infizierte und für die LGBTQI-Community eingesetzt und sich so viele Jahre später seinen Jugendtraum verwirklicht. Denn im Vorfeld der Parlamentswahlen im vergangenen Jahr boten ihm vier Parteien eine Kandidatur in ihren Reihen an, erzählt der offen schwule Politiker. Er entschied sich für Winaq, die von Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú gegründete Partei. Für ihn sei sie im Einsatz für die Rechte sexueller Minderheiten am glaubwürdigsten. Außerdem ist Winaq die, wie er sagt, "einzige indigene Partei" und verbindet ihn mit seiner eigenen Herkunft. Dávilas Urgroßeltern zogen einst in die Hauptstadt Guatemala Stadt und gaben ihre Stammessprache auf, um nicht diskriminiert zu werden. Am 14. Januar 2020 war es dann soweit: Dávila hat seinen Abgeordnetensitz im Parlament eingenommen.

Deutsche Welle: Was bedeutet es für das Land den ersten offen schwulen Kongressabgeordneten zu haben, und was bedeutet es für Sie persönlich?

Aldo Dávila: Für Guatemala bedeutet es, dass sich die Menschen ihre Wahl sehr genau überlegt haben. Ich war schon immer offen schwul und die Tatsache, dass die Leute mir ihre Stimme gegeben haben, zeigt, dass sich die Dinge in diesem Land verändern. Dass sie über das Schwulsein hinaus einen Menschen erkennen, der sich für die Rechte der LGBTQI*-Gemeinschaft, von HIV-Positiven und auch für die Rechte sexuell missbrauchter Mädchen einsetzt.

Für mich bedeutet das eine Verpflichtung, die ich gegenüber meinen Wählern habe, aber auch gegenüber historisch ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen, wie zum Beispiel den Jugendlichen, den Frauen oder den Indigenen. Ihnen wurde immer eine untergeordnete Rolle in diesem Land zugeschrieben. Ich möchte im nationalen Parlament die Stimme der historisch ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen sein.

Einige werden sicher sagen, dass die sexuelle Orientierung Privatsache ist, und nicht in der parlamentarischen Arbeit zu suchen hat. Natürlich hat man mir Dinge gesagt wie: 'Mir ist egal was sie im Bett machen, solange sie hier im Parlament ihre Arbeit erledigen.' In diesem Land ist Schwulsein eine politische Angelegenheit. Ich rede nicht von der Homosexualität, ich rede vom Schwulsein. Es bedeutet, der Gesellschaft zu sagen: Ich bin dieses oder jenes, und ich werde für meine Rechte und für die der Anderen kämpfen. Viele Menschen verbinden homosexuelle Menschen immer nur mit dem Sexakt. Schwulsein ist aber auch ein politischer Anspruch, Dinge verändern zu wollen. Es gab schon vor mir homosexuelle Menschen im Parlament, die dies aber nie öffentlich gemacht haben zu einem politischen Thema gemacht haben. Einige haben sogar aktiv gegen die Gleichberechtigung gekämpft. Ich will keine Sonderrechte, und ich will auch nicht weniger Steuern zahlen oder einen extra Urlaubstag haben, weil ich schwul bin. Ich will lediglich die Rechte mit denen anderer gleichsetzen.

Die Situation für Menschen aus der LGBTQI-Gemeinschaft in Guatemala ist in vielerlei Hinsicht sehr ernst. Homophobie und Transphobie fordert viele Menschenleben. Sichtbarkeit kann ein Risikofaktor sein. Fürchten Sie manchmal um ihr Leben?

Ich fürchte die ganze Zeit um mein Leben. Ich habe Todesdrohungen über soziale Netzwerke und über Telefonanrufe erhalten, und ich wurde auch mit Autos und Motorrädern verfolgt. Ich werde bedroht, weil ich mich für meine Rechte einsetze und sie mich zum Schweigen bringen wollen. Deswegen glaube ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich muss weiter für diejenigen sprechen, die kein Gehör finden.

Die Gewalttaten aus Hass nehmen weiter zu. Wenige Minuten vor diesem Interview wurde ich über einen Mord an einer Transperson informiert. Aber es ist wichtig, festzuhalten, dass ein Hassverbrechen das Ergebnis eines hasserfüllten Diskurses ist- Und dieser wurde in der letzten Wahlperiode stark befeuert. Viele Parteien wurden von religiösen Bewegungen bedrängt, Dokumente zu unterzeichnen, in denen sie sich verpflichten, sexuelle Vielfalt nicht zu unterstützen.

Das Thema der sexuellen Vielfalt hat in den vergangenen Jahren eine starke Polarisierung entfacht. Sie sind aber auch angetreten, die Menschenrechte insgesamt in Guatemala zu stärken. Wie wollen Sie das schaffen?

Die Menschenrechte müssen jederzeit und überall verteidigt werden. Einige ultrareligöse Gruppen verfügen über viel Einfluss und politische Macht, aber es gibt auch Menschen aus der LGBTQI-Gemeinschaft, die dagegen ankämpfen wollen. Sie kämpfen für ihr Recht, nicht getötet zu werden oder wegen ihrer Orientierung entlassen zu werden. Sie kämpfen für ihren Zugang zu Bildung, zu Gesundheit und zu Arbeit. Ich möchte dabei aber ausdrücklich betonen, dass ich nicht mit einer Gay-Agenda ins Parlament einziehe. Ich vertrete eine Menschenrechtsagenda für historisch ausgegrenzte Gruppen, die auch die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt miteinschließt.

Die Europäische Union und viele ihrer Mitgliedsländer, wie beispielsweise Deutschland, erheben den Anspruch, eine aktive Rolle bei der Förderung der Menschenrechte und der Rechte der LGBTQI-Gemeinschaft in Lateinamerika zu übernehmen. Wie beurteilen Sie die diplomatischen Bemühungen im Falle Guatemalas?

Alles was bisher in diesem Bereich getan wird, ist positiv, aber es muss energischer werden. Wir brauchen eine stärkere Unterstützung bei der Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen und Morden. Wir brauchen mehr öffentliche Unterstützung, und nicht nur durch die stillen Kanäle der Diplomatie. Wir verstehen, dass es politische Zwänge gibt - klar. Aber nur wenn es starken internationalen und öffentliche Druck gibt, kann sich die Lage verbessern.

Das Gespräch führte Enrique Anarte von Deutsche Welle 

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