Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Honduras |

Honduras: Widerstand gegen die Sonderwirtschaftszonen

Am 16. Juni hat sich die „Nationale Bewegung gegen die Sonderwirtschaftszonen (ZEDE) und für die nationale Souveränität“ gegründet, am 22. Juni fand eine erste Mahnwache vor dem höchsten Gericht des Landes statt. Aus gutem Grund, denn Regierung und Parlamentarier haben sich bei der Gründung der Sonderwirtschaftszonen über nationales und internationales Recht hinweggesetzt, so Juristen. Eventuell ein Grund, weshalb sich ein deutscher Investor zurückgezogen hat. 

Joaquín Mejía ist Jurist, Menschenrechtsaktivist und Wissenschaftler am jesuitischen Forschungszentrums ERIC-SJ in Honduras. Die Sonderwirtschaftszonen hält er für nicht verfassungskonform. Foto: Markus Dorfmüller

Joaquín Mejía ist Jurist, Menschenrechtsaktivist und Wissenschaftler am jesuitischen Forschungszentrums ERIC-SJ in Honduras. Die Sonderwirtschaftszonen hält er für nicht verfassungskonform. Foto: Markus Dorfmüller

La Ceiba mit der vorgelagerten Insel Roatán ist die Keimzelle des Widerstands. „Die Region hat sich gerade zur ZEDE-freien Region erklärt, die Aktivitäten gegen die Sonderwirtschaftszonen nehmen massiv zu“, erklärt Joaquín Mejía. Der Jurist, Menschenrechtsaktivist und Wissenschaftler des jesuitischen Forschungszentrums ERIC-SJ beobachtet genau, wie sich die Zivilgesellschaft derzeit formiert und die eigenen Grundrechte verteidigt. 

Sonderwirtschaftszonen nicht verfassungskonform

Die sind von den Regierenden mit Füßen getreten worden, daran besteht für den Juristen keinen Zweifel. „Die Regierung und das Parlament haben die sogenannten "Zonas de empleo y desarrollo económico"  - deutsch "Zonen für Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung" (ZEDE) - gegen die Bestimmungen der Verfassung durchgesetzt. Die schreibt vor, dass nationales Territorium nicht veräußert werden darf, ohne ein Referendum durchzuführen", erklärt Mejía. Doch eine Volksabstimmung habe es nie gegeben. 
 
Damit nicht genug, denn Präsident Juan Orlando Hernández, der seit Jahren ein Förderer der Zonen ist, international um Investoren wirbt und Arbeitsplätze en Gros verspricht, hat auch internationales Recht verletzt. Dazu gehört die ILO-Konvention 169, die zum Schutz der Rechte indigener Völker erlassen wurde und vorschreibt, dass sie vor der Implementierung von Großprojekten, so zum Beispiel im Bergbau oder bei Infrastrukturmaßnahmen, informiert und um Zustimmung gebeten werden müssen. Auch das ist nicht passiert.

Modellstadt Próspera auf Roatán

So leben auf der Insel Roatán mehrheitlich Angehörige der Ethnie der Garifuna, die unter die Bestimmungen der ILO-Konvention 169 fallen. Doch auf der vor der honduranischen Karibik-Küste gelegenen Insel befindet sich mit Próspera die international bekannteste Sonderzone. Als private Charter City ist Próspera konzipiert. Der unabhängige Stadtstaat mit privater Regierung und eigener steuerlicher, regulatorischer und rechtlicher Struktur ist nach den Konzepten des US-amerikanischen Ökonomen Paul Romer geplant, so die honduranische Juristin Andrea Nuila, die an ihrer Doktorarbeit zu den ZEDEs in Honduras schreibt.

„Es hat nie Informationsveranstaltungen über Próspera gegeben, die dort lebenden Garifuna sind nicht gefragt worden, ob sie mit der ZEDE einverstanden sind“, so die Juristin. Ein Verstoß gegen die ILO-Konvention. Zudem schränkt Próspera die Bewegungsfreiheit auf der Insel ein, untergräbt Gewerkschaftsrechte und etabliert eigene Rechtsgrundsätze, greift aber auch in das Bildungssystem ein. Allesamt Aufgaben, die eigentlich der Zentralregierung vorbehalten sind. Doch in den ZEDEs ist den Investoren alles erlaubt. Sie sollen, so der Präsident, das Land revolutionieren. Fast autonome Ministaaten, in denen nicht die nationalen Gesetze, sondern die der Investoren gelten – in dieser Form ein Novum.  „Selbst die Überflugrechte sollen zu Geld gemacht werden“, berichtet Joaquín Mejía mit ruhiger Stimme. Ihn ärgert die Dreistigkeit mit der die Clique um Präsident Juan Orlando Hernández de facto öffentliches Eigentum an Investoren verscherbelt. 

ZEDEs: Investoren untergraben nationales Recht

Dabei ist verschleiert, ob die Investoren für das Entgegenkommen zahlen. Transparenz ist rund um die ZEDEs alles andere als gegeben. An die lokale Bevölkerung an der Karibikküste, die trotz fehlender staatlicher Präsenz zurechtkommt und nicht wie in anderen Regionen in offener Armut lebt, hat anscheinend niemand gedacht. Die Karibikküste ist ein Hotspot für die ZEDEs. Dort, nahe zur guatemaltekischen Grenze befindet sich mit Ciudad Morazán die zweite ZEDE, die dritte soll im Süden der Hauptstadt Tegucigalpa im Distrikt Choluteca entstehen, so Andrea Nuila. 

Laut der Regierung ist die honduranische Küste mit ihren Stränden für den Tourismus attraktiv. Doch könnten ZEDEs überall entstehen, wo Investoren Interesse hätten. Allerdings lebt an der Küste die Ethnie der Garifuna. Die Ethnie, mit eigener Sprache, Kultur und Tradition, ist aus der Verschmelzung von Kariben und gestrandeten Sklaven entstanden und lebt an der gesamten Karibikküste Mittelamerikas. In Honduras sind sie besonders gut in der Ofraneh (Organisación Fraternal Negra de Honduras) organisiert. Die wehrt sich seit 2011 gegen das Projekt der Modellstädte oder Charter Cities, wie die ZEDEs auch genannt werden.

Garifuna und Kirche gegen die ZEDEs

Miriam Miranda, Generalkoordinatorin der Ofraneh, ist ein Gesicht des Widerstands. Sie betrachtet die ZEDEs als Bedrohung für demokratische Systeme und als Bedrohung für staatliche Institutionen, weil die ZEDEs an ihre Stelle treten. Ihre Organisation bekommt nun auch von Seiten der katholischen Kirche Unterstützung. Für Bischof Miguel Lenihan aus La Ceiba drohen die ZEDEs, die soziale Ungleichheit im Land zu verstärken. Das klare Nein der Kirche stärkt die erst Mitte Juni gegründete „Nationale Bewegung gegen die ZEDEs und für die nationale Souveränität“. 
 
Die Bewegung könnte das Verfassungsgericht anrufen, welches bereits dem Vorgängermodell der Sonderfreihandelszonen eine Absage erteilte. Allerdings reicht der Arm der Regierung von Präsident Juan Orlando Hernández weit in die Justiz hinein und systematische Korruption und Einschüchterung gehört zum Instrumentarium des Präsidenten. Gegen den Präsidenten ermitteln die US-Gerichte, die gerade seinen Bruder Juan Antonio Hernández wegen Drogenschmuggel zu lebenslanger Haft verurteilt haben. Für Joaquín Mejía ist längst klar, dass Juan Orlando Hernández ebenfalls am Drogenschmuggel mitverdient und keine Skrupel hat, den Ausverkauf des Landes voranzutreiben.

Deutsches Unternehmen zieht sich zurück

Dabei spielen die ZEDEs eine wesentliche Rolle und auch deutsche Unternehmen sind bzw. waren involviert. Die TUM International, ein Tochterunternehmen der Technischen Universität München, und dessen Tochterunternehmen Bavaria Inside waren Partner der umstrittenen „Privatstadt“ ZEDE Próspera. Am 17. März zog sich die TUM International GmbH aus dem Projekt mit dem Verweis auf Menschenrechtsverletzungen zurück. Man werde sich auch in Zukunft weder an Projekten auf der Insel Roatán noch in der Küstenstadt La Ceiba beteiligen, hieß es in einer Pressemitteilung. 

Ein Erfolg des Widerstands vor Ort gegen die ZEDEs, aber kein abschließender. Präsident Juan Orlando Hernández hat eine Reise mit Etappen in Deutschland, Israel und Spanien gerade wieder dafür genutzt,  Werbung für die ZEDEs zu machen. 

Autor: Knut Henkel

Weitere Nachrichten zu: Politik, Wirtschaft

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz