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Honduras: Das Ende der Sonderwirtschaftszonen

Einstimmig haben die Kongress-Abgeordneten in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa am 21. April 2022 das Gesetz über die Sonderwirtschaftszonen (ZEDE) annulliert, welches Grundrechte der Bevölkerung verletzte. Präsidentin Xiomara Castro lobte den Schritt als Wiedererlangung der Souveränität des Landes. Für internationale Investoren hat der Schritt hingegen Signalcharakter. 

Wandmalerei in San Pedro Sula mit der Fahne von Honduras. Foto (Symbolbild): Adveniat/Jürgen Escher

Wandmalerei in San Pedro Sula mit der Fahne von Honduras. Foto (Symbolbild): Adveniat/Jürgen Escher

Auf der einen Seite sei der Schritt überfällig gewesen, auf der anderen Seite hätte er ihn zu diesem Zeitpunkt und mit einer derartigen Mehrheit nicht erwartet, urteilt Joaquín Mejía. Der Jurist und Mitarbeiter des jesuitischen Forschungszentrums Eric-SJ, das vom deutschen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützt wird, ist davon angetan, wie schnell Xiomara Castro ihr Wahlprogramm Schritt für Schritt umsetzt. Die "Zonas de Empleo y Desarrollo Económico" - deutsch "Zonen für Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung" (ZEDE) -, standen ganz oben auf der Liste der Wahlversprechen. Gegen die Sonderwirtschaftszonen, von denen es bisher drei in Honduras gibt, hatte es im zweiten Halbjahr 2021 eine Reihe von Protesten gegeben. 

Parlament reformiert korruptes System

„Zu Recht“, so Mejía. „Sie verletzten Grundrechte der lokalen Bevölkerung und sind über deren Köpfe weg gebilligt worden – unter Verletzung genau der Gesetze, die nun von den 128 Parlamentarierinnen und Parlamentariern annulliert wurden“. Ein Schritt, den Mejía zu diesem Zeitpunkt und eben nicht einstimmig erwartet hätte. „Dass er erfolgte, hat mehrere Ursachen: zum einen die klare Agenda der Regierung, zum anderen die Auslieferung von Ex-Präsident Juan Orlando Hernández, der die ZEDEs gefördert und gefordert hatte, und zum Dritten der Wandel in der Partido Nacional, der konservativen Partei“, meint Mejía.

Die sei in einer Phase der Neuorientierung, distanziere sich mehr und mehr von dem System Juan Orlando Hernández, der das Land klientelistisch und autoritär regiert habe. So sei nicht nur die Annullierung dieses Gesetzes, sondern auch des Gesetzes zur "Klassifizierung öffentlicher Dokumente mit Bezug zur Nationalen Sicherheit und Verteidigung“ mit den Stimmen der Abgeordneten der Partido Nacional erfolgt. Das Gesetz habe für Intransparenz  gesorgt und Korruption ermöglicht, so Mejía.

Sonderwirtschaftszonen widersprechen der Verfassung

Die annullierte gesetzliche Grundlage der ZEDEs ermöglichte die Schaffung von Sonderwirtschaftszonen, in denen libertären internationalen Investoren die Hoheit übertragen wurde. Steuerfreiheit bei Importen und Exporten wurde ihnen genauso garantiert wie das Recht, eigene Gerichte sowie ein eigenes Steuer- und Bildungssystem aufzubauen. Die Idee der Investoren ist es, sogenannte Charter City, staatsfreie Privatstädte, aufzubauen, wo der Markt alles und jedes reguliert – demokratische Teilhabe ist unerwünscht. 

Das widerspricht der honduranischen Verfassung. Damit das Gesetz 2013 überhaupt durchgesetzt werden konnte, waren 2012 vier von fünf Verfassungsrichtern entlassen worden. Erst die neu zusammengesetzte Verfassungskammer segnete ab, was Ex-Präsident Juan Orlando Hernández, der am 21. April wegen Drogenschmuggel an die USA ausgeliefert wurde, wünschte: das ZEDE-Gesetz.

Das sieht vor, dass die ZEDEs in Regionen liegen sollen, die wenig bevölkert und wenig ökonomische Entwicklung aufweisen. Im Fall der ZEDE Próspera, dem am weitesten fortgeschrittenen Projekt auf der Insel Roatán gegenüber der Stadt La Ceiba, ist genau das aber nicht der Fall. „Die liegt mitten im Mekka des honduranischen Tourismus. Próspera wurde nicht, wie das Gesetz es vorschreibt, vom Kongress offiziell genehmigt“, sagt Mejía.

Rechtsstreit bahnt sich an

Das ist eine Verletzung der gesetzlichen Bestimmungen, die nun annulliert wurden. Eine Tatsache, die in einem wahrscheinlichen Verfahren zwischen der ZEDE Próspera und dem honduranischen Staat jedoch wichtig werden könnte. In einer Presseerklärung vom 21. April kündigte das im US-amerikanischen Delaware ansässige Unternehmen an, weiter in die ZEDE Próspera investieren zu wollen. Das Projekt sei durch die honduranische Verfassung geschützt, beanspruche eine 50-jährige Bestandsgarantie und sei auch durch das Freihandelsabkommen CAFTA-DR und durch ein bilaterales Investitionsschutzabkommen zwischen Honduras und den USA abgesichert. 

Das sehen die Rechtsexperten der honduranischen Regierung anders. Sie weisen darauf hin, dass „kein Inverstor das Recht habe, Anspruch aus einem illegalen Geschäft abzuleiten, dass durch diesen exzessiven Verstoß gegen unsere Verfassung, gegen die Souveränität und die Würde aller Honduraner stammt“. 

Wie es weitergeht, werden die Verhandlungen zeigen, die nun mit der ZEDE Próspera, aber auch mit den beiden anderen ZEDEs - Morazán City nahe der Industriemetropole San Pedro Sula und die auf Agrarexporte spezialisierte ZEDE Orquídea. Für Mejía ist deren Rechtsgrundlage für eine Klage „recht porös“. Als wahrscheinlich gilt, dass die Investoren hinter den ZEDEs nun Einwände gegen die Annullierung des ZEDE-Gesetzes vor der Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofes vorbringen werden. Diese ist allerdings nach wie vor mit Richterinnen und Richtern besetzt, die von Ex-Präsident Juan Orlando Hernández eingesetzt wurden. Der Konflikt um die ZEDEs wird also weitergehen.

Autor: Knut Henkel

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