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Homosexualität: Ein Land der zwei Wirklichkeiten

Auch in Brasiliens Hauptstadt Brasilia haben am 25. Juni dieses Jahres mehr als 60.000 Menschen an der Gay-Pride-Parade teilgenommen. Foto: <a external="1" title="Opens external link in new window" target="_blank" href="https://www.flickr.com/photos/midianinja/34720055084/in/photolist-UU6mKo-UWWHpi-d7er57-VVziu3-d7Mmpd-Ujjsnj-UGGUZc-QD5eKL-TELMMF-Vyw5te-RRY63y-UGGS3R-QD55Ry-RkXMzG-UGpv6K-VqvKq1-Vyw5fi-QD5sKd-oVdAiq-UjjjSQ-Ujjhu3-dYJc9w-WKbD95-Xi7NyG-d7er9Y-bpkgZD-UU7aRh-VVzGnY-bodfPZ-WdtboN-d7Mmub-bpkiF6-Wdt3DE-d7eqNU-WNRjGt-bpkijz-VzhkSK-bodzpT-WKciPw-WduUJN-d7eqZd-bpkhXa-bpkhFV-pk5nZG-d6ekGm-QFDLxZ-WdtSAw-p5C1rE-d6efmY-UwESqa">Parada do Orgulho LGBT</a>, <a external="1" title="Opens external link in new window" target="_blank" href="https://www.flickr.com/photos/midianinja/">Mídia NINJA</a>, <a external="1" title="Opens external link in new window" target="_blank" href="https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/">CC BY-SA 4.0</a>
Auch in Brasiliens Hauptstadt Brasilia haben am 25. Juni dieses Jahres mehr als 60.000 Menschen an der Gay-Pride-Parade teilgenommen. Foto: Parada do Orgulho LGBT, Mídia NINJA, CC BY-SA 4.0

Die Heilung von Homosexualität war 1999 vom Nationalen Psychologenrat verboten worden. Carvalho gab mit seiner Entscheidung einer Gruppe von Ärzten Recht, die sich dadurch in der Freiheit der Ausübung ihres Berufs eingeschränkt sah. Der Psychologenrat äußerte sich geschockt über das Urteil und kündigte an, umgehend Revision einzureichen.

Die Entscheidung des Bundesgerichts will nicht wirklich zu dem Bild eines bunten, offenen und toleranten Brasiliens passen, das sich zeigt, wenn in Sao Paulo die größte Gay Parade der Welt abgehalten wird. Allein in diesem Jahr nahmen daran rund zwei Millionen Menschen teil und bekannten sich farbenfroh zur Gleichstellung Homosexueller und Transsexueller.

Fortschrittliche Gesetzgebung

Dieses Image hat Brasilien nicht zu Unrecht. Im Gegensatz zu vielen anderen lateinamerikanischen Ländern wurde dort bereits seit Mitte der 1980er eine gesetzliche Gleichstellung von sexuellen Minderheiten vorangetrieben. Nach dem Ende der Militärdiktatur im Jahr 1985 wurde die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ausdrücklich verboten. In den vergangenen 30 Jahren sind die Rechte für Schwule und Lesben sukzessive erweitert worden.

2003 war Brasilien eines der ersten Länder weltweit, das gleichgeschlechtliche Partnerschaften bei der Einwanderung anerkannte und seit 2011 können diese als Lebenspartnerschaften eingetragen werden. Bereits ein Jahr zuvor sorgte ein Urteil, das einem lesbischen Paar die Adoption eines Kindes gewährte, für einen Präzedenzfall. Schließlich waren Brasilien, Argentinien und Uruguay 2013 die ersten Länder der Region, in denen die gleichgeschlechtliche Ehe rechtens wurde.

Diskriminierung an der Tagesordnung

Dieses Bekenntnis zur Gleichstellung Homosexueller durch die Gesetzgebung steht allerdings im krassen Gegensatz zum Alltag vieler Lesben, Schwuler und Transsexueller. Dieser ist von Diskriminierung und Gewalt geprägt. Brasilien gilt als eines der homophobsten Länder weltweit: Nirgendwo werden so viele Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung umgebracht.

Laut der Grupo Gay de Bahia (GGB) sind im vergangenen Jahr 343 Mitglieder der LGBT ermordet worden - das entspricht nahezu einem Opfer pro Tag. Aus den Statistiken der Organisation geht hervor, dass die Zahl der Opfer in den letzten Jahren stetig gestiegen ist, und GGB geht davon aus, dass sich die Situation auch 2017 weiter zugespitzt hat. Hinzu kommen zahlreiche Fälle, in denen Menschen zusammengeschlagen und vergewaltigt wurden. Häufig zeichnen diese Verbrechen sich durch eine enorme Brutalität aus. Schon im vergangenen Jahr bezeichnete die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) das Ausmaß der Gewalt gegen Mitglieder der LGTB als absolut kritisch. "Die Lage droht außer Kontrolle geraten", fasste Jandiro Queiroz von AI zusammen.

Es gibt zwei Aspekte, die die zunehmende Gewalt erklären. Einige Experten beschreiben einen generellen Rechtsruck in der Gesellschaft in Verbindung mit einem steigenden Einfluss evangelikaler Pfingstkirchen. Diese halten Homosexualität für eine perverse Krankheit und betreiben laut AI eine regelrechte Hetze. In den 1970ern Jahren wurden lediglich rund fünf Prozent der Bevölkerung diesen Kirchen zugerechnet, heute sind es 30 Prozent. Auch der Antrag auf das Recht zur Heilung von Homosexualität wurde von einem Psychologen eingebracht, der den Evangelikalen angehört.

Liberale Gesetze überwinden keine Vorurteile

Laut dem Anthropologen Luis Montt von der GGB geht darüber hinaus die Kultur des Machismo mit Homophobie einher. Der Machismo und das damit einhergehende Männerbild seien sehr tief in der Gesellschaft verwurzelt: "Eine typische brasilianische Mutter würde lieber einen Dieb als Sohn haben, als einen Schwulen", sagte er in einem Gespräch mit AI. Gewalt gegen Schwule bekomme dadurch eine gewisse Legitimität. Offenbar lassen sich diese tief sitzenden Vorurteile nicht einfach durch liberale Gesetze überwinden.

Autorin: Anna-Maria Jeske

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