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Haiti: Mord an Moïse – Viele Verdächtige, keine Erklärung

Drei Wochen nach dem Mord an Haitis Präsidenten Jovenel Moïse gibt es noch immer keine stichhaltige Theorie, wer den ungeliebten Staatschef tötete. Immerhin gibt es eine neue Regierung.

Jovenel Moise (rechts) bei seiner Amtseinführung als Präsident von Haiti am 7. Februar 2017. Foto: Wikimedia, VOA Creole Service, CCO1.0

Jovenel Moise (rechts) bei seiner Amtseinführung als Präsident von Haiti am 7. Februar 2017. Foto: Wikimedia, VOA Creole Service, CCO1.0

Drei Wochen nach dem Mord an Haitis Präsidenten Jovenel Moïse gibt es noch immer keine stichhaltige Theorie, wer den ungeliebten Staatschef tötete. Die Ermittler verfolgen in dem Karibikstaat unzählige Spuren, aber auch in Kolumbien und den USA wird nach Tätern und Drahtziehern gesucht. Fast jeden Tag gibt es neue Festnahmen, und man hat beinahe den Eindruck, als würde extra so aktionistisch gefahndet, um Nebelkerzen in alle Richtungen zu werfen. Aber niemand bestreitet, dass diese Tat nur jemand mit viel Geld und noch mehr Macht in Auftrag gegeben haben kann. Und die Experten sind sich sicher, dass die Mörder in Haiti und nicht im Ausland zu suchen sind.

Verschwörungstheorien kursieren

Inzwischen konzentrieren sich die Ermittlungen auf das direkte Umfeld von Moïse. Am Montag wurde der frühere Sicherheitschef des Präsidenten, Jean Laguel Civil, festgenommen. Er war flüchtig und steht im Verdacht, an der Verschwörung zum Mord beteiligt gewesen zu sein. Das Sicherheitsteam des Staatschefs steht bereits seit Längerem im Fokus der Fahnder. Vor kurzem nahm die Polizei Dimitri Hérard fest, Chef der Leibgarde, der in den Monaten vor der Tat durch mehrere Reisen nach Kolumbien aufgefallen war. Gegen mehr als zwei Dutzend weitere Beamte wird ermittelt. Drahtzieher soll der in Florida ansässige Arzt und Pfarrer Christian Emmanuel Sanon (63) sein, ein Mann, der in Haiti annähernd unbekannt ist. Er wollte angeblich Moïse ersetzen. 
 
Moïse war in der Nacht zum 7. Juli in seinem Haus oberhalb der Hauptstadt Port-au-Prince nach der offiziellen Version von einem Killerkommando, bestehend vor allem aus kolumbianischen Söldnern, mit zwölf Schüssen hingerichtet worden. Seine Frau wurde verwundet, in den USA behandelt, ist aber mittlerweile nach Haiti zurückgekehrt. 

Politische und wirtschaftliche Elite im Fokus

Es werde eigentlich von Tag zu Tag konfuser, sagt Richard Widmaier, Eigentümer des Nachrichtensenders „Radio Métropole“. „Die Theorie der Kolumbianer als Täter glaubt hier im Land aber niemand“, unterstreicht Widmaier im Gespräch. Die Mörder des Präsidenten seien in seinem direkten Umfeld zu suchen, in der alten Machtelite aus Politik und Wirtschaft, die in Haiti die „Oligarchen“ genannt werden oder in der Regierung. „Moïse hatte zum Ende seines Lebens viel mehr Feinde als Freunde“. Auch deshalb hatte er seinen Amtssitz und sein Wohnhaus wie Hochsicherheitstrakte gesichert. 
 
In den Fokus geraten sind auch der Venezolaner Antonio Intriago, Eigentümer der Sicherheitsfirma „CTU Security“ in Florida, der die kolumbianischen Söldner anheuerte, die den Präsidenten ermordet haben sollen. Beteiligt sein soll auch der Ecuadorianer Walter Veintemilla, der mit seinem Finanzdienstleister „Worldwide Capital Lending Group“ mit Sitz in Florida die Flugtickets für die vorgeblichen Killer bezahlt haben soll.

Die Rolle der kriminellen Banden

Unbestritten ist, dass Jovenel Moïse mit Haitis Wirtschaftselite und Großunternehmern über Kreuz lag. Dabei ging es auch ums Ringen um lukrative Verträge für die Stromversorgung und andere große Geschäfte. Sein Intimfeind war am Ende Reginald Boulos, einer der größten Entrepreneurs Haitis mit politischen Ambitionen. Der Eigentümer von Hotels, Supermärkten und Auto-Importlizenzen verließ kurz vor der Tat überraschend den Inselstaat. Zuvor waren in einigen seiner Autohäuser mehr als ein Dutzend Fahrzeuge angezündet worden.
 
Die politischen Verhältnisse in dem karibischen Chaosstaat sind dermaßen verworren, dass man auch nicht die immer mächtiger werdenden Banden außer Acht lassen kann. Vor allem der Clanchef Jimmy Cherizier hat sich herausfordernd geäußert. „Alle müssen auf meine Befehle warten, bevor wir auf den Mord an Moïse reagieren“, sagte Cherizier. Der Ex-Polizist mit dem Spitznamen „Barbecue“ ist der größte Chef der rund einhundert Clans, die Teile Haitis in ihrer Gewalt haben. 

Ariel Henry ist der neue Präsident

Immerhin hat das Land seit einer Woche eine neue Regierung. Der 71 Jahre alte Arzt Ariel Henry wurde zum neuen Premierminister ernannt. Henry war am 5. Juli in einer Art letzten Amtshandlung von Moïse vor seiner Ermordung noch zum neuen Regierungschef bestimmt worden, konnte aber nicht mehr vereidigt werden.
 
Henry ist der siebte Premier Haitis in vier Jahren unter der Regentschaft des getöteten Staatschefs Moïse, was schon die chaotische Führung und Instabilität in seiner Amtszeit belegt. Für Rosy Auguste von der Menschenrechtsorganisation RNDDH ist die Nominierung ein schlechtes Zeichen: „Henry war Moïses Vertrauter, und der Präsident wurde schwerer Menschenrechtsverstöße beschuldigt“, sagt Auguste. Für Richard Widmaier ist Henrys drängendste Aufgabe als Premier, eine breite Koalition zu bilden, in der auch die Opposition zu Wort kommt. Nur dann habe dieses Kabinett eine Chance zu überleben, betont er. 

Neuwahlen am 26. September

Bisher sind für den 26. September Präsidentschafts- und Parlamentswahlen geplant, aber die Bedingungen dafür sind nicht gegeben. Es fehlt an Wählerlisten, Tausende Haitianer sind aufgrund der Bandengewalt zu Binnenvertriebenen geworden. Und es fehlt an der notwendigen Sicherheit. 

Autor: Klaus Ehringfeld, Mexiko

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