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Guatemalas Grenzschützer: Interview zur Migrationspolitik in Mittelamerika

Polizisten und Militärs aus Guatemala haben mit Schlagstöcken und Tränengas versucht, Migranten aus Honduras an der Grenze zurückgedrängt. Migrationsexperte Danilo Rivero erklärt, was das über die Regierung Guatemalas aussagt und welchen Einfluss die USA haben. 

Guatemalas Präsident Alejandro Giammattei geht repressiv gegen Migranten aus Honduras vor. Foto: Gobierno de Guatemala

Danilo Rivero (40) ist Experte für ländliche Entwicklung und Migration. Er arbeitet für die Vereinigung für den Fortschritt der Sozialwissenschaften in Guatemala (AVANCSO). Er beobachtet seit Jahrzehnten die Migrationsentwicklung in Mittelamerika, die zunehmende Gewalt, die dazu führt, dass die Menschen sich zu Karawanen zusammenfinden, um etwas sicherer durch Länder wie Guatemala und Mexiko zu kommen.

Die Bilder von Polizisten und Militärs, die Migranten aus Honduras zurückdrängten, mit Tränengas und Schlagstöcken auseinandertrieben, gingen um die Welt. Warum agierten die Sicherheitsbehörden so repressiv und warum setzen sie de facto Grundrechte außer Kraft?

Zum einen gibt es so etwas wie einen vorauseilenden Gehorsam gegenüber den USA, die es liebend gern sehen, wenn die Migration in Richtung USA schon an der Grenze Guatemalas gestoppt wird. De facto verläuft die Südgrenze der USA nun am Grenzübergang El Florido und tatsächlich wurden den Menschen, von denen die meist aus Honduras stammten, ihr Recht auf Auswanderung verwehrt.

Guatemala verlangt sowohl Papiere als auch einen negativen Covid-19-Test – angemessen?

Die Regierung will die Migration regulieren und das ist mitten in einer Pandemie nachzuvollziehen, nicht jedoch der Einsatz der repressiven Mittel. Klar ist, dass Guatemala vor dem Beginn der zweiten Welle des Virus steht, aber der Einsatz massiver Gewalt gegen Migranten, die nur das Land passieren wollen, ist für mich ein Kennzeichen der Regierung von Alejandro Giammattei. Sie reagiert zunehmend repressiv – gegen Proteste im Land und nun auch gegen Migranten aus Honduras.

Es hat den Anschein als ob sich die Südgrenze der USA nach Guatemala verlagert hätte, ist dem so?

Ja, aber das ist nichts Neues, es gilt nicht erst seit der Unterzeichnung der letzten Abkommen mit der Trump­–Regierung. Generell wird versucht die Migration zu regulieren, weltweit. Doch das ist ein widersprüchliches Unterfangen, denn Migration ist generell regellos.

Zudem müssen wir verstehen, dass es dieses Regulierungsinteresse gibt – auch in Mittelamerika, wo Militärs eine dominante Rolle in der Geschichte spielen. Außerdem ist Migration auch ein Geschäft, nicht nur in den USA, wo Lager gebaut, Versorgungslinien eingerichtet und Grenzzäune errichtet werden. Militärs sind Empfänger von Ressourcen, um Migration zu regulieren. Davon profitieren sie im Kontext der Grenzsicherung, der Verbesserung von Ausrüstung, Überwachungstechnologie und so weiter.

Haben diese die Hoffnung, dass sich die Situation mit der Vereidigung von Joe Biden zum Präsidenten der USA verändern könnte?

Nein beziehungsweise, nicht umfassend. Es wird Änderungen geben. Ich denke, das Dreamer-Programm, welches Kinder von illegalen Einwanderern in den USA schützt, wird wieder aufgelegt werden. Gleiches könnte für das DACA-Programm gelten (Deferred Action for Childhood Arrivals), aber Biden wird die Uhr maximal auf die Zeit Barack Obamas zurückdrehen.

In Obamas Regierungszeit, das wird gern vergessen, hat es die höchsten Abschiebequoten nach Mittelamerika gegeben. Das ist ein wichtiges Detail. Wir müssen uns die Frage stellen, was wir grundsätzlich wollen. Wollen wir eine Migrationspolitik, die nach Lösungen sucht oder die verwaltet – wenn auch mit menschenrechtlichen Zugeständnissen?

Was erhoffen Sie sich?

Für mich wäre es schon ein großer Schritt, wenn die Menschen, die lange in den USA leben, endlich einen sicheren Status erhalten und nicht von Abschiebung bedroht werden, wenn sie eine Ordnungswidrigkeit begehen. Das wäre ein Fortschritt.

Biden könnte Mittel– und Lateinamerika aber auch anders begegnen – als Partner. Eine Perspektive?

Genau darauf hoffe ich, denn wir brauchen neue Initiativen: eine Allianz für den Fortschritt. Wenn wir gemeinsam die Migration bremsen wollen, muss man deren Ursachen bekämpfen, funktionierende lokale Ökonomien aufbauen. Das und hier beginnt das Problem interessiert aber die lokalen Oligarchien nicht, die Familien, die die Geschicke der jeweiligen Länder bestimmen und leider hat es bisher auch nicht die USA interessiert.

Das könnte sich ändern, so hoffe ich. Die Probleme, vor allem im Kontext der Korruption sind unübersehbar.

In El Salvador, Honduras und Nicaragua stehen 2021 Wahlen an. Ein Politikwechsel im Weißen Haus könnte Folgen haben?

Ja, aber wir sollten nicht auf die USA warten, sondern unsere Hausaufgaben machen und die Weichen stellen. Wir brauchen eine funktionierende, glaubwürdige und korruptionsresistente Justiz, die gegen die organisierte Kriminalität vorgeht.

Das ist schwer vorstellbar unter dem derzeitigen Präsidenten Giammattei. Ihm wird Korruption nachgesagt, aber auch seine Bilanz in der Pandemie liest sich nicht gut, obwohl er Arzt ist, richtig?

Ja, Guatemala gehört zu den Ländern, die keine Verträge für die Belieferung mit Impfstoffen abgeschlossen haben, sodass hier noch niemand geimpft wurde. Das ist eine wenig vorausschauende Politik. Giammattei muss zudem erneut Kredite aufnehmen, um die Impfstoffe zu bezahlen. Die Verschuldung des Landes stiegt unter seiner Regie und die sozialen Proteste haben sich im November und Dezember erstmals in Demonstrationen entladen, gegen die repressiv vorgegangen wurde. Das unterscheidet Giammattei von seinen Vorgängern. Die haben ihre Nähe zum Militär nie so autoritär ausgespielt.

Interview: Knut Henkel 

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