Gewalt in Chiapas nimmt zu
Armut, Gewalt und Lügen spalten die Gesellschaft in Chiapas
Bischof Felipe Arizmendi Esquivel wiederholt immer und immer wieder seine Botschaft an die öffentlichkeit und Offiziellen von Chiapas: wir möchten keine Gewalt und wir unterstützen sie auch nicht. Seine jüngste Nachricht vom Mittwoch (21.10.) ist auf der Internetseite der Diözese San Cristóbal de Las Casas zu lesen. Die Kirche wolle eine friedliche Lösung finden, heißt es in seiner Botschaft.
Eine Lösung für den historisch verankerten Konflikt zwischen den Ureinwohnern Mexikos und der heutigen Regierung zu finden, scheint allerdings fast unmöglich. Vor allem in der Region Chiapas, im Süden des Landes. Vor 15 Jahren hatten Indigenas hier versucht, ihr Land in einem Aufstand gegen die Regierung zu verteidigen. Sie besetzten Dörfer und wollten in autonomen Gemeinschaften leben. Die Bewegung aus den 80er Jahren nennt sich Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) und ist immer noch aktiv. Seit dem Aufstand 1994 setzt sie keine Waffen mehr ein.
Nicht so ihre Gegner. Drei Jahre nach dem Aufstand wurden 45 Indígenas Opfer eines Massakers. Am 22. Dezember 1997 wurde in Acteal eine Gruppe friedlicher Bewohner überfallen, brutal gefoltert und ermodert. Bis heute ist der Fall nicht vollständig aufgeklärt. Die katholische Menschenrechtsorganisation in Chiapas, FRAYBA, sieht es aber als erwiesen an, dass die Täter Mitglieder des Militärs, der Polizei und anderen Einheiten waren. Einige Täter sind auf freiem Fuß, andere wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Im August und Oktober diesen Jahres sind allerdings eine Reihe von ihnen vorzeitig freigelassen worden. Verfahrensfehler machten die Urteile, die teilweise auf Geständnissen der Täter basierten, ungültig, berichtete LaJornada Anfang des Monats.
Auch heute sind das Militär und paramilitärische Einheiten in den Dörfern der Indigenas präsent. Soldaten greifen Bewohner an, verhaften scheinbar willkürlich Menschen und verfolgen Mitarbeiter der von ADVENIAT unterstützen Organisation FRAYBA. Erst im September griff eine Gruppe Bewaffneter einen Anwalt von Frayba an und fügte ihm schwere Verletzungen zu, klagte die Organisation. Eine Gruppe Bewohner kam ihm zu Hilfe. Dabei wurde einer von ihnen angeschossen. Im Oktober berichtete Frayba erneut von José Manuel Hernández Martínez, ein Mitarbeiter der Organisation für die gerechte Verteilung von Land (OCEZ – Región Carranza). Die Polizei nahm ihn ohne Haftbefehl fest, hat ihn bis jetzt nicht freigelassen und beschuldigt ihn unter anderem der Verschwörung.
Die Kirche war und ist ebenfalls im Visier der Regierung. In den 90er Jahren hatte sich der damalige Bischof Samuel Ruíz auf die Seite der Indigenas gestellt, aber auch erfolgreich als Vermittler zwischen der Regierung und den Aufständigen agiert. Nachdem Ruíz gezwungen wurde, seine Arbeit als Bischof zu beenden, und der von ihm vorgeschlagener Nachfolger von den Behörden verbannt wurde, beobachtet dieser Tage Bischof Arizmendi den hasserfüllten Konflikt zwischen Ureinwohnern und Militär. Er hält an einer neutralen Position fest, geriet aber in den letzten Tagen und Wochen immer mehr unter Druck. In den Medien wurden drei seiner Priester beschuldigt unter anderem an Waffen- und Drogenhandel beteiligt zu sein. In Briefen bittet Arizmendi darum, sich durch die falschen Nachrichten nicht verwirren zu lassen. Seine Worte klingen dennoch sehr beunruhigt: „Wenn alles, was man sagt oder tut, verzerrt und missinterpretiert wird, gibt es keinen Raum um die Wahrheit und Unschuld zu verteidigen.“ Weiterhin wirft man der Kirche vor, Gewalt zu schüren. Arizmendi weist mit klaren Worten alle Vorwürfe zurück: „Es gibt wieder Personen und Gruppen, die ein gewaltsames Vorgehen als einzige Lösung sehen. Aber unsere Diözese steht nicht hinter dieser Idee und ermutigt auch keinen dazu.“
Autor: Julia Mahncke