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Kuba |

Gentrifizierung in Havanna

Die Immobilienpreise in Kuba, besonders in Havanna, steigen seit der Annäherung mit den USA - zum Leidwesen der Einheimischen.
Die Immobilienpreise in Kuba, besonders in Havanna, steigen seit der Annäherung mit den USA - zum Leidwesen der Einheimischen.

Auf seine Wohnungssuche angesprochen verzieht Osbel Sanabria nur das Gesicht. "Havanna ist extrem teuer geworden", sagt er. Nichts zu machen, soll das wohl heißen. Seit Monaten nun schon versucht er, eine kleine Ein- oder Zwei-Zimmerwohnung in Havannas beliebten Stadtteil Vedado zu finden. Dabei kann sich sein Budget für Miete mit 150 CUC pro Monat für kubanische Verhältnisse ein CUC entspricht ungefähr einem US-Dollar durchaus sehen lassen. "Alles vergeblich. Ich finde einfach nichts für diesen Preis", sagt der Anfang Dreißigjährige, der als Koch in einem Privatrestaurant und nebenbei als Tätowierer arbeitet.

Die Schauspielerin Mabel Torres hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Auch sie hat Schwierigkeiten in Vedado, wo sie seit Jahren wohnt, eine bezahlbare Mietwohnung zu finden. "Vor sechs Jahren noch habe ich für eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit Balkon hier in Vedado 140 CUC im Monat bezahlt. Heute ist es selbst für 300 oder 400 CUC fast unmöglich eine Wohnung zu bekommen", klagt sie. "Meine Freunde ziehen nach und nach weg aus Vedado, da sie die Mieten nicht mehr zahlen können." Ähnliches lässt sich in der Altstadt und in abgeschwächter Form im Stadtteil Centro Habana beobachten.

Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Seit der Regierungsübernahme durch Raúl Castro im Jahr 2008 befindet sich Kuba im Umbruch. Die Wirtschaft wurde für ausländisches Kapital geöffnet, der Staatssektor reduziert und mehr Privatinitiative zugelassen. Zudem erlaubte die Regierung den Kauf und Verkauf von Autos und Immobilien. Das führte zum einen dazu, dass Häuser und Wohnungen heute wieder Kapitalanlage bzw. Produktionsmittel sind als Bars oder Ferienwohnungen. Zum anderen haben im Zuge der Ausweitung des Kleinunternehmertums in Kuba trabajo por cuenta propia, Arbeit auf eigene Rechnung, genannt viele Haus- und Wohnungsbesitzer, die früher nicht selten unter der Hand vermietet haben, heute ihr Geschäft legalisiert, trotz relativ hoher Steuerabgaben.

Touristen beschleunigen Veränderung Kubas

Dies fällt zusammen mit einem Tourismusboom. Spätestens seit Ende 2014, als der damalige US-Präsident Barack Obama und Kubas Staatschef Raúl Castro den Beginn einer vorsichtigen Annäherungspolitik verkündeten, ist Kuba eines der angesagtesten Reiseziele weltweit. Im vergangenen Jahr besuchten erstmals mehr als vier Millionen Touristen Kuba; 14.000 privat vermietete Zimmer gibt es heute auf der Insel, der größte Teil davon in Havanna. "Nochmal nach Kuba reisen, bevor es sich verändert." Diesen oder ähnliche Sätze hört man von Kuba-Touristen immer wieder, wenn es um die Motive für ihre Reise geht. Dass sie selbst Teil dieser Veränderung sind und diese sogar beschleunigen, ist den wenigsten bewusst.

"Infolge der aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Vera?nderungen erleben Kubas Sta?dte einen Strukturwandel, auf den sie kaum vorbereitet sind. Die O?ffnung fu?r Marktmechanismen sowie der sprunghafte Anstieg des Tourismus insbesondere durch die Anna?herung an die USA bringen weitreichende A?nderungen der urbanen Nutzung mit sich", erklärt Bert Hoffmann, Kuba-Experte am German Institute of Global and Area Studies (GIGA). "Die soziale Polarisierung der Gesellschaft wird sichtbar. Einzelne Geba?ude oder Wohnungen werden teils aufwa?ndig renoviert, um als Restaurants oder Bed and Breakfasts fu?r Touristen genutzt zu werden, wa?hrend parallel dazu oft in unmittelbarer Nachbarschaft der Verfall der Bausubstanz ungebremst weitergeht."

Ferienwohnungen statt Wohnraum für Einheimische

In attraktiven Wohnlagen verzeichneten Wohnungsbesitzer einen hohen Wertzuwachs ihrer Immobilien; mit den Wirtschaftsreformen ko?nnten diese nun auch legal verkauft werden. "In der Folge erleben etwa die zentralen Stadtteile Havannas einen Prozess der Gentrifizierung, bei dem bisherige Bewohner verdra?ngt werden, wenn Wohnungen in Touristenunterku?nfte umgewandelt oder von zahlungskra?ftigeren Kubanern (oft mit finanzieller Unterstu?tzung aus dem Ausland) erworben werden."

Besonders betroffen von dieser Entwicklung ist Havannas Altstadt. Die Häuserpreise dort sind stark gestiegen, langansässige Bewohner ziehen weg; überall eröffnen neue Ferienwohnungen, Bars und Restaurants. Die Lebenshaltungskosten steigen. "Die Altstadt gehört den Ausländern", sagt Maykel*, der illegal als Immobilienscout arbeitet. Da Ausländer in der Regel nicht legal Immobilien auf Kuba erwerben können, tun sie dies über kubanische "Strohmänner".

Immobilienkauf über Strohmänner

Es gebe, so Maykel, Immobilienagenturen, die spezielle juristische Konstrukte anbieten, nach denen die ausländischen Immobilieninvestoren ihr Geld zumindest formal absichern können. "Die Häuserpreise hier haben extrem angezogen." Altansässige Nachbarn verkaufen ihre Häuser und ziehen in günstigere (Außen-)Bezirke. Die frei werdenden Wohnungen und Häuser werden zu Ferienwohnungen. "Habana Vieja entvölkert sich", so Maykel mit einem bitteren Lächeln.

Eine Möglichkeit, Verdrängung und der Disneysierung der Altstadt entgegenzuwirken wäre, die Vergabe von Ferienwohnungs- und Barlizenzen zu beschränken. Doch die kubanische Regierung steht vor einem schwierigen Spagat: Einerseits den Tourismus zu fördern, um die Wirtschaft in Gang zu bringen und Einnahmequellen für die Bevölkerung zu schaffen, sei es durch Jobs in der Tourismusindustrie oder privates Gewerbe wie Zimmervermietung oder Taxi fahren; gleichzeitig aber die Schere zwischen Arm und Reich nicht zu groß werden zu lassen. Die wird sichtbarer. Erste Luxushotels öffnen bereits ihre Pforten.

Die Schauspielerin Mabel wiederum hat nach langer Suche immerhin eine renovierungsbedürftige Zwei-Zimmer-Wohnung in Centro Habana für 250 CUC/Monat gefunden. Koch und Tätowierer Osbel sucht noch immer und freundet sich langsam mit dem Gedanken an, dass das in Vedado wohl nichts mehr werden wird.

Autor: Andreas Knobloch.

* Name geändert

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