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Friedensplan von Kolumbiens Präsident Petro steht auf der Kippe

Ermordete Menschenrechtsaktivisten, Attacken auf Soldaten: In Kolumbien gerät das ambitionierte Friedensprojekt der neuen Linksregierung zunehmend unter Druck. Die Kirche wirbt für eine Verständigung.

Der kolumbianische Präsident Gustavo Preto am 7. August 2022 in Bogotá. Foto: USAID U.S. Agency for International DevelopmentCC BY-NC 2.0

Die Woche ist noch nicht einmal zu Ende, doch schon zählt die Menschenrechtsorganisation Indepaz auf ihrer Internetseite seit Sonntag sieben weitere getötete Menschenrechtsaktivisten und Umweltschützer in Kolumbien. Seit Jahresbeginn sind bereits 48 Morde aufgelistet. Und das, obwohl mit Gustavo Petro seit August 2022 jemand an der Spitze des südamerikanischen Staates steht, der mit seinem Projekt "Paz total" (totaler Frieden) das Land von Krieg und Gewalt befreien will.

Aber der Prozess und Petros Herangehensweise werden zunehmend Zielscheibe von Kritik. Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin und langjährige Guerilla-Geisel Ingrid Betancourt kritisierte, der Linkspolitiker kniee vor Verbrechern nieder und habe die Armee im Stich gelassen. Petros konservativer Amtsvorgänger Ivan Duque fragt öffentlich, welche Strategie der Präsident eigentlich verfolge, die sei nicht erkennbar.

Kritik am Vorgehen

Vor allem seit dem jüngsten blutigen Anschlag der ELN-Guerilla, bei dem acht junge Soldaten ums Leben kamen, ist Petros Weg zum Frieden im Land umstritten. Dass ausgerechnet die linken Guerillagruppen FARC und ELN ihren Kampf gegen einen nun links regierten Staat fortsetzen, ist ein herber Rückschlag für Petro. Aus dem Präsidentenpalast heißt es, der Regierungschef und Ex-Guerillero sei schwer enttäuscht, dass ihm die heutige Guerilla in den Rücken falle.

Dazu passt ein jüngst veröffentlichtes Foto, das einen Jungen vor einer bewaffneten ELN-Einheit posierend zeigt und eine Debatte über die anhaltende Rekrutierung von Kindern und Jugendlichen auslöste. Kritisiert wird auch, dass sich Petro bereiterklärt hat, mit rechtsgerichteten Paramilitärs über den Frieden zu verhandeln, die eine besonders lange und blutige Spur im bewaffneten Konflikt hinterlassen haben.

Scharmützel mit Bukele

Doch für den Regierungschef ist der Friedensprozess alternativlos. Die Gespräche mit den FARC-Dissidenten sollen in Kürze aufgenommen, die mit der ELN trotz umtriebiger Gewaltaktivitäten der Guerilla fortgesetzt werden. Besonders brisant für Petro ist das verbale Scharmützel mit seinem Amtskollegen Nayib Bukele in El Salvador. Der Präsident des mittelamerikanischen Landes treibt mit einer knallharten Verhaftungspolitik gegen die gefürchteten Mara-Banden die Mord- und Kriminalitätsrate im Land nach unten, verstößt damit aber bewusst gegen Menschenrechte.

Bukele und Petro stehen für komplett gegensätzliche Politikentwürfe zur Befriedung eines Landes und beharken sich nun via Twitter mit gegenseitigen Vorwürfen. Die Unterschiede liegen auf der Hand: in Kolumbien das bewusste Zurückziehen von Sicherheitskräften und der Versuch eines Dialogs, demgegenüber eine mit allen Vollmachten ausgestattete Polizei in El Salvador samt Ausnahmezustand und Bau eines neuen Mega-Gefängnisses. Weil in Kolumbien die Erfolge des "Paz total" aber bislang ausbleiben, sich die Sicherheitslage offenbar sogar verschlechtert hat und die Drogenanbaufläche gewachsen ist, gewinnt der Bukele-Weg in den sozialen Netzwerken an Unterstützung, während Petros Umfragewerte sinken.

Kriegszustand ist traurige Gewohnheit

Die katholische Kirche versucht indes für den Frieden zu werben. Bogotas Erzbischof Luis Jose Rueda Aparicio rief alle bewaffneten Gruppen auf, sich einem Waffenstillstand anzuschließen. "Wir leben in einem Land, das sich daran gewöhnt hat, in einem Kriegszustand zu leben. Das muss aufhören", sagte der Erzbischof im kolumbianischen Fernsehen. Die bewaffneten Gruppen müssten ein Zeichen setzen, dass sie ernsthaft zu einem Frieden bereit seien.

Gescheitert ist der Friedensprozess zwar noch lange nicht, doch braucht der Präsident jetzt glaubwürdige und sichtbare Signale der Verhandlungspartner auf der anderen Seite des Tisches. Denn wenn sich die Attacken auf Menschenrechtsaktivisten und Soldaten fortsetzen, gehen Petro innenpolitisch irgendwann die Argumente für seinen pazifistischen Weg aus. Richtungsweisend werden deshalb die nächsten Verhandlungsrunden mit der ELN und den FARC-Dissidenten sein. Danach weiß Petro, ob sein Versuch eine Chance hat oder wie so vieles im bewaffneten Konflikt in Kolumbien einen leisen Tod stirbt.

Autor: Tobias Käufer (KNA)

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