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Finden EU und Mercosur doch noch zusammen?

Der Widerstand gegen ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den Mercosur-Staaten ist groß. Die Sorge der Europäer um ihre Versorgungssicherheit in Folge des Krieges in der Ukraine auch. Das führt zu einer neuen Dynamik.

Güterhafen in Colón, Panama. Foto (Symbolbild): Adveniat/Matthias Hoch

Güterhafen in Colón, Panama. In der Stadt liegt die zweitgrößte Freihandelszone der Welt. Foto (Symbolbild): Adveniat/Matthias Hoch

Nach über zwei Jahrzehnten Verhandlungen ist aus dem Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur eine Art Glaubenskrieg geworden. Bis vor zwei Wochen schien das Abkommen aufgrund der Bedenken der Europäer insbesondere wegen der Abholzung im Amazonas-Regenwald politisch nicht durchsetzbar. Zu groß der Widerstand von Nichtregierungsorganisationen: Das Projekt liegt auf Eis.

Trotzdem kommt hinter den Kulissen nun Bewegung in die Angelegenheit. Das liegt vor allem an den wachsenden Sorgen der Europäer um ihre Versorgungssicherheit in den Bereichen Energie, Rohstoffe und Lebensmittel. Störungen in den globalen Lieferketten sowie hohe Logistikkosten während der Corona-Pandemie, dazu eine sich dramatisch veränderte geopolitische Lage durch den russischen Einmarsch in die Ukraine sorgen dafür, dass in den Büros in Brüssel und Berlin die Vertragsvorlage wieder hervorgeholt wird.

Berlin zeigt sich "kooperationsbereit"

Aus dem Auswärtigem Amt in Berlin heißt es auf Anfrage der DW dazu: "Deutschland hat den Abschluss eines ambitionierten EU-Mercosur-Abkommens aus geostrategischen, ökonomischen, außen- und nachhaltigkeitspolitischen Gründen befürwortet." Berlin zeige sich in Absprache mit Brüssel kooperationsbereit, wenn die südamerikanischen Partnerländer sich ihrerseits bewegen: "Laut Koalitionsvertrag setzt sich die Bundesregierung dann für die Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommens ein, wenn zuvor von Seiten der Partnerländer umsetzbare und überprüfbare, rechtlich verbindliche Verpflichtungen zum Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsschutz eingegangen werden und praktisch durchsetzbare Zusatzvereinbarungen zum Schutz und Erhalt bestehender Waldflächen abgeschlossen worden sind." Dazu stehe man auch in Kontakt mit der zuständigen EU-Kommission und den Mercosur-Partnerländern.

Vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hieß es: "Die Bundesregierung muss im Rahmen ihrer G7-Präsidentschaft ein entschlossenes Signal für Marktöffnungen und Multilateralismus senden. Deutschland sollte sich für den Abschluss von Handelsabkommen, etwa mit den Mercosur-Staaten oder Australien, und die Reform der Welthandelsorganisation WTO stark machen", so BDI-Hauptgeschäftsführer, Joachim Lang, auf Anfrage der DW.

Richtungsweisende Wahlen

In den Schlüsselländern dieses Abkommens stehen nun politische Weichenstellungen bevor oder sind bereits vollzogen. In Deutschland wird die neue Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik und ehemalige Chefin von Greenpeace International, Jennifer Morgan, beweisen müssen, dass sie die ambitionierten Klimaziele der neuen Bundesregierung mit den Interessen der deutschen Wirtschaft im Außenhandel verbinden kann. Eine inhaltliche Neuausrichtung des in den Schubladen verschwundenen EU-Mercosur-Freihandelsabkommens könnte aus diesem Blickwinkel Modellcharakter bekommen und für Morgan eine Bewährungschance werden.

In Frankreich entscheiden im April Präsidentschaftswahlen über die künftige politische Ausrichtung des Landes. Und in Brasilien wird am 2. Oktober gewählt. Besonders dieser Urnengang dürfte zentrale Bedeutung haben: "Solange Brasilien durch Jair Bolsonaro repräsentiert wird, wird es schwierig werden, dass das Abkommen unterschrieben wird", sagt der Lateinamerika-Analyst und Wirtschaftsberater Carl Moses aus Buenos Aires im Gespräch mit der DW. Bolsonaro ist inzwischen das personifizierte Feindbild der Umweltschutzorganisationen.

Alle aktuellen Umfragen sagen ein Comeback des Ex-Präsidenten Lula da Silva voraus. Zwar hat der Linkspolitiker Lula in seiner ersten Amtszeit (2003 - 2007) eine noch katastrophalere Amazonas-Abholzungsbilanz vorzuweisen als Bolsonaro (2019 - 2023), doch signalisiert Lula im aktuellen Wahlkampf immerhin ein Umdenken, was insbesondere umweltpolitisch orientierten Parteien in Europa als Anknüpfungspunkt dienen könnte. Ende des Jahres 2022 besteht also Klarheit, wohin die politische Richtung der drei Schwergewichte in EU und Mercosur gehen wird. In diese stabile Phase von etwa zwei, drei Jahren ohne Wahlkampf dürften dann die Gespräche fallen. In Berlin und Brüssel werden schon jetzt die Weichen dafür gestellt.

Befürworter: Beide Seiten würden profitieren

"Die EU hätte deutlich geringere Importkosten und bekäme im Export einen Vorteil gegenüber China. Die Mercosur-Länder würden profitieren, wenn sie in der langen Übergangsfrist bis zur vollen Liberalisierung des Handels notwendige Reformen durchführen, um ihre Länder fit zu machen für den Wettbewerb bei Industrie und Dienstleistungen", sagt Moses, der sich klar für ein Handelsabkommen positioniert.

Insbesondere die Importzölle würden dann für EU-Produkte fallen. Zudem verweist Moses auf die jüngste Entscheidung Argentiniens, Teil der chinesischen Seidenstraße werden zu wollen. Umgekehrt dürfte Lateinamerika von Europa erwarten, dass die EU die Umsetzung von Klima- und Umweltschutz nicht nur verbal fordert, sondern auch konkret finanziell hilft.

Kritiker: Abkommen wäre verheerend für Klima und Menschen

Denn die Zweifel von Umweltschützern, die in einem Freihandelsabkommen eine Ausweitung eines auf Konsum und Exploration bestehenden Wirtschaftsmodells sehen, werden durch die aktuelle Entwicklung beispielsweise bei den Abholzungszahlen im Amazonas bestätigt. "Sollte der Vertrag in der vorliegenden Form ratifiziert werden, ist die klare Aussage: Profit geht über alles", kritisiert Greenpeace in einer Stellungnahme Ende 2021. "Das geplante Abkommen wäre verheerend für Klima und Menschen." Genau diese Auswüchse könnten aber durch exakt geregelte Umweltvorschriften verhindert werden, halten Befürworter dagegen.

Der Mercosur ist laut BDI der wichtigste Handelspartner der EU in Lateinamerika. EU-Firmen exportierten demnach im Jahr 2021 Waren im Wert von rund 45 Milliarden Euro in den Mercosur (Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay). Umgekehrt beliefen sich die Exporte der Mercosur-Staaten in die EU auf 42,6 Milliarden Euro.

Quelle: Deutsche Welle, Autor: Tobias Käufer, Bogotá

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