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Filmkritik: "Zama" setzt spanisches Kolonialreich in Szene

Eine Szene aus "Zama" (Bild: YouTube)
Eine Szene aus "Zama" (Bild: YouTube)

Auf den Gesichtern der Spanier formt sich der Schweiß zu winzigen, glänzenden Kügelchen. Durch die grauen Strähnen ihrer Perücken schimmert das schlecht gekämmte Haar. Der Dreck unter ihren Schuhen muss mit groben Reisigbesen abgeklopft werden. Schon der erste Auftritt der Kolonialherrn schreit es geradezu heraus: Das Gesetz der Krone besitzt in den Tiefen des Dschungels keine Gültigkeit! Dennoch wird der mit Lederriemen gefesselte Eingeborene verhört. Eine erfolglose Prozedur, an deren Ende der Mann begnadigt wird.

Doch statt sich ins Freie führen zu lassen, rennt der Mann mit dem Kopf voran gegen eine Wand. Mit den letzten Atemzügen bricht er sein Schweigen. Er flüstert die Geschichte eines Fisches, der vom Wasser abgestoßen wird und im schlammigen Uferwasser um sein Überleben kämpft. Eine Metapher für die Präsenz der Spanier, und der Beginn dessen, was die argentinische Regisseurin Lucrecia Martel nach dem Roman von Antonio di Benedetto als Zersetzung einer Kolonialmacht inszeniert: "Zama", zu sehen ab Donnerstag in den Kinos.

Kolonisation als Krankheit

Wie der Fisch aus der indigenen Erzählung hat sich die spanische Aristokratie in Südamerika festgesetzt. In einer Welt, die nicht für sie gemacht ist und doch von ihr regiert wird. Don Diego de Zama ist einer von denen, die hier das Sagen haben, die den Dschungel umgestaltet haben zu einer Welt voller Gelage, Gesellschaftsspiele und Sex-Sklaven. Ein kleines Reich der Dekadenz, aus Europa ins tiefste Südamerika importiert, in dem sich trefflich über die eigenen Ideale von Reinheit, Genuss und Schönheit parlieren lässt. Doch man kann die Fäulnis förmlich riechen, die unter den Gewändern und falschen Haarschöpfen der Bourgeoisie gärt. Die argentinische Regisseurin Lucrecia Martel erzählt von der Kolonisation als Krankheit. Die spanischen Invasoren sind der Parasit, der die Region infiziert hat und in der Folge den ganzen Kontinent vergiftet.

Wenngleich die eigentliche Brutalität dieses Vorgangs nie gezeigt wird, sind seine Folgen omnipräsent. Bei Zusammenkünften der Spanier sieht man im Hintergrund stets Sklaven, die den Unterdrückern Luft zufächeln, Sänften auf ihrem Rücken tragen oder wie Dekorationsgegenstände angemalt und verziert wurden. Wer nicht im Dienste der Spanier steht, ist oft verstümmelt, blind oder siecht, infiziert von den importierten Krankheiten, langsam vor sich hin. Für den Offizier Zama wird dieses Leben in der von ihm verwalteten Fremde immer unerträglicher. Das Land scheint Zama abzustoßen. Doch die spanische Krone macht keine Anstalten, Zamas Gesuch einer Versetzung in die Heimat nachzukommen. Deshalb reist der Offizier durch die Provinz und führt jeden noch so unnützen Auftrag der ständig wechselnden Gouverneure aus, getrieben von der Hoffnung, durch die Gunst des höchsten Beamten vielleicht doch einen Weg in die Heimat zu finden.

Auch der Ton verzerrt

Die Welt der Kolonialisten zerfällt, langsam und stetig. Was die Spanier importiert haben, lässt der Film analog zu den Protagonisten unaufhaltsam und unerbittlich erodieren. Lucrecia Martel erzählt aber nicht nur in der physisch-sichtbaren Welt meisterhaft von der Zersetzung der Besatzer. Sukzessive schleicht sich eine gespenstische Verzerrung in die Tonebene ein. Dialoge werden von einem dumpfen Dröhnen übertönt, das Gesprochene schweift ins Unhörbare ab oder wird von den erratischen, laut hörbaren Bewusstseinsströmen eines Beisitzenden abgelöst.

Oft kreisen diese Gedanken und Gespräche um einen Verbrecher namens Vicuna Porto. Einen Mann, der dutzendfach für tot erklärt wurde und doch weiter existiert. Eine nicht greifbare Bestie, dessen angeblich abgetrennte, schwarz vertrocknete Ohren der Gouverneur seinen Untergebenen dennoch als Beweis der eigenen Macht präsentiert. Vicuna Porto ist das Sinnbild des Kolonialismus, seine gesichtslose Fratze. Nie blickt man direkt in dieses Antlitz, und doch strahlt seine monströse Hässlichkeit durch jedes edle Gewand, durch jede Strähne der silbernen Perücken, durch jede Fassade der angeblichen Zivilisiertheit des alten Europas.

Autor: Karsten Munt

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