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Filmkritik: Tragikomödie über einen Deutsch-Brasilianer in der Krise

Ezequiel steckt fest. In Berlin, in seinen scheiternden Geschäftsideen, in seiner Ehe mit der genervten Marta. Vor allem aber in seinem eigenen Kopf, seinem allzu großen Stolz. Ausgerechnet ein Putzjob bringt den Wandel.

Foto: © Kineo Film/Frédéric Batier

Einmal betrachtet Ezequiel das nächtliche Brandenburger Tor, und die Erkenntnis, die ihn dabei befällt, gibt ihm den Rest: "Ständig wird Geschichte geschrieben - gleich da vorne! Scheißegal, ob es mich gibt oder nicht!" "Unsichtbar" seien Leute wie er, meint der aus Brasilien stammende Deutsche, der mit seinen 55 Jahren mitten in einer veritablen Lebenskrise steckt.

Auf der Suche nach Identität

Der Film "Herren", den Arte am 18. September um 20.15 Uhr ausstrahlt, erzählt aber nicht von einer x-beliebigen Midlife crisis. In der Tragikomödie von Drehbuchautorin Stefanie Kremser (frei nach dem Roman "Gents" von Warwick Collins) und Regisseur Dirk Kummer geht es um die Suche nach Identität, um Herkunft, ums Ankommen, um Diskriminierung, aber auch um eine gewisse Opferhaltung. Ums Sich-Respekt-Verschaffen "als Schwarzer in einem weißen Land", wie es hier einmal heißt. Und darum, wie Zusammenleben gelingen kann. Neben der migrantisch geprägten Perspektive geht es zudem um Fragen nach Männlichkeit, Ehre und Stolz, um das für Ezequiel zentrale Thema: "Was macht einen Mann aus?"

Kremser und Kummer gelingt es, derlei grundsätzliche Fragen ganz ohne überdeutlichen pädagogischen Impetus zu einer stimmigen Geschichte zusammenfließen zu lassen. Ezequiel ist eine sehr wahrhaftige Figur und damit weit mehr als ein Vertreter eines bestimmten "Problems". Dasselbe gilt für sein Umfeld: Ezequiel hat einen fast erwachsenen Sohn, Stevie, und ist an sich glücklich verheiratet mit der Nachtschwester Marta.

Ein neuer Job bringt die Wende

Aktuell liegen die beiden allerdings im Dauerclinch. Was vor allem damit zu tun hat, dass er kein Geld verdient, sich aber zugleich sämtliche Jobangebote vom Leib hält, die er für unter seiner Würde befindet. Seinen letzten (Traum-)Job als Capoeira-Lehrer kündigte er selbst, aus verletztem Stolz. Beim Reinigungsservice von Reynaldo landet er nur aufgrund eines Missverständnisses: Ezequiel ging von einem Job "beim Denkmalschutz" aus; tatsächlich geht es um das Säubern historischer Pissoirs. Nach anfänglichem Widerstand lässt er sich darauf ein - und bildet schon bald zusammen mit Reynaldo und dem jungen Kollegen Jason ein ziemlich eingeschworenes Team.

Schauspieler überzeugen in ihren Rollen

Von Friede, Freude, Eierkuchen ist man dennoch weit entfernt: Das Werk des preisgekrönten Filmemachers Dirk Kummer ("Zuckersand" von 2017) macht es sich und seinen Figuren nie leicht, legt schmerzhafte Lebenslügen, Widersprüche und Charakterschwächen offen. Und bleibt doch immer nah bei seinen dennoch sympathischen Protagonisten, stellt diese niemals bloß.
Dabei kann er sich ganz auf seine Darsteller verlassen, die ihren Rollen allesamt stimmig Leben einhauchen. Allen voran Tyron Ricketts, der in jedem Moment als zerrissener Mann überzeugt: zerrissen zwischen seiner "alten" und der "neuen" Heimat, seinen Ansprüchen und seiner Realität, seinem Stolz und der Sorge um seine Familie. Doch auch die anderen Schauspieler sind toll, fast alles erfrischend "unverbrauchte", eher unbekannte Gesichter.

Eine Entdeckung ist etwa Dalila Abdallah als Marta, die sich bislang vor allem als Kabarettistin und Sängerin einen Namen gemacht hat. Ebenso stark sind Nyamandi Adrian als tiefenentspannter Jason, Pablo Grant als eigenwilliger Stevie und Komi Mizrajim Togbonou als pragmatischer Reynaldo.

Unterhaltsame und ehrliche Auseinandersetzung mit Migration

Kremser und Kummer erschaffen mit großer (Erzähl-)Ruhe und viel Zuneigung zu ihren Figuren ein Universum, das realitätshart, in seiner gelebten Solidarität aber zugleich auch ein bisschen märchenhaft ist. Das Ganze garnieren sie mit einer guten Prise absurden Humors, wunderbaren Detailbeobachtungen sowie einer charakteristischen Musik, die von Hiphop-Reggae-Dancehall im Stil der Berliner Band Seeed hin zu stimmungsvollen Gitarrenklängen reicht. Alles in allem eine ziemlich charmante Mischung, um auf ebenso unterhaltsame wie ehrliche Weise vom schwierigen Thema Migration in Deutschland zu erzählen.

Quelle: KNA, Autorin: Katharina Zeckau 

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