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Favelas tauchen bei Google Maps auf

Favela Vila Autódromo - aus Rios Stadtplänen getilgt. Foto: Facebook-Seite der Vila Autódromo
Favela Vila Autódromo - aus Rios Stadtplänen getilgt. Foto: Facebook-Seite der Vila Autódromo

Auf Facebook haben Favela-Bewohner das Foto einer Touristenkarte von Rio veröffentlicht, auf der die Vila Autódromo ausgelassen wurde. Sie markierten die Siedlung mit einem Kuli. Im Netz reagierten die Menschen darauf mit Bildern von Google Maps, die ebenfalls schwarze Löcher zeigten, und fragten: "Hat Euch Google Maps die Erde geklaut?"

Städteplanerin Raquel Rolnik, ehemalige UN-Berichterstatterin für angemessenes Wohnen, sagt, dass die Löschung aus Karten für Rios Stadtverwaltung eine Möglichkeit sei, die Favela-Bewohner legal zu vertreiben. Laut Rolnik kämpfen die Favelas seit Jahrzehnten dafür, in die Karten für die Stadtplanung von Rio eingetragen zu werden. Nur so müssten bevorstehende Bauprojekte auf Favelas und ihre Bewohner Rücksicht nehmen.

Leugnung der Existenz - ein mächtiger Effekt

"Die Situation der Vila Autódromo erinnert mich an eine Werbung der Firma Petrobras, die die Stadt aus der Vogelperspektive zeigt: die Landschaft von Rio - aber ohne die Favelas, die auf den Hügeln gebaut sind. Die Hügel in der Werbung sind grün", erzählt Rolnik. "Das ist ein machtvoller Mechanismus, die Existenz von etwas zu verleugnen."

Die Touristenkarten ohne Vila Autódromo hat Mirian Isabel Say von Temática Cartografia für das städtische Tourismusbüro RioTur gestaltet. Auf Anfrage der Zeitung "The Guardian" betont sie, dass es dabei nicht um "Diskriminierung, Vorurteile oder bewusste Ausgrenzung" gehe. Vielmehr sei die Auslassung der Favela technischen Gegebenheiten geschuldet: Eine Touristenkarte könne nicht alle Details enthalten. Die Bewohner der Favela könnten für die nächste Auflage allerdings Verbesserungsvorschläge einreichen.

Tödliche Zielführung?

Online-Kartenabieter hatten Favelas ebenfalls gelöscht. Inzwischen beginnen sie aber, Rios informelle Bauten wieder aufzunehmen - daran wurde aber auch Kritik laut. 2015 führte die Google-Navigationsapp eine 70-Jährige zu einer Straße, die es in ihrer Stadt zweimal gab. Einem Bericht von "Mail Online" zufolge gelangte die Frau so versehentlich in eine von Gangs kontrollierte Favela, wo sie erschossen wurde. Seitdem warnt die App den Nutzer automatisch, wenn dieser eine Route durch gefährliche Gegenden wählt.

Google Maps kehrt laut "The Guardian" von seiner bisherigen Darstellung der Favela-Gebiete als schwarze Flächen ab und will sie kartografieren. Sonst hätten die circa 1,4 Millionen Favela-Bewohner "keine Adresse, die sie bei Bewerbungen oder für die Eröffnung von Bankkonten angeben können. Außerdem haben sie auch keine Möglichkeit Sozialleistungen zu beziehen oder ihre Grundrechte als Bürger auszuüben", schrieb Alessandro Germano, Direktor für globale Produktpartnerschaften bei Google, in einem Blog der Firma im Juli 2016.

Google-Video soll Angst vor Favelas nehmen

Google engagierte mithilfe der lokalen NGO "AfroReggae" Bewohner, die mit Rucksack-Kameras ausgestattet die steilen Treppen der Favelas ablaufen. So habe Google nach eigenen Angaben bereits 26 Favelas kartografiert. Um Touristen und auch Brasilianern die Angst vor einem Favelabesuch zu nehmen, hat Google auch ein Video produziert.

Carlos Pragradar ist Bewohner der Favela Rocinha und findet es frustrierend, dass sein Wohnort so lange übersehen wurde. Er begrüße die Inklusion auf Google Maps und will sicherstellen, dass die Musikschule, an der er unterrichtet, auch online markiert wird.

Kartendienste dokumentieren Zwangsräumungen

"Die Musikschule ist für Kinder, aber ich habe auch eine Karneval-Straßenband, die für Touristen interessant wäre. Wenn wir auf der Karte markiert sind, kann uns das beim Wachsen helfen", sagt Pragradar. "Die Favela Rocinha bietet Capoeira und kann noch viele andere Sachen bieten - das gibt uns Sichtbarkeit."

Googles mächtigster Beitrag scheint hingegen kaum bewusst zu sein: Da die Fotos periodisch aktualisiert werden, kann man beim virtuellen Schlendern durch die Straßen nicht nur den aktuellen, sondern auch den vergangenen Zustand sehen. So sieht man die Vila Autódromo bei Google Street View vor der Zwangsräumung - und bei Google Maps danach.

Quelle: The Guardian, Autor: Max Opray, dt. Bearbeitung: Laurine Zienc

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