Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Ecuador, Uruguay, Costa Rica |

Explosion des Drogenhandels bringt Lateinamerikas stabilste Demokratien ins Wanken

Während der Pandemie stauten sich die Drogen in Lateinamerika. Nun sind blutige Kämpfe zwischen den Kartellen um die strategisch wichtigen Exporthäfen entbrannt. Die Regierungen waren darauf nicht vorbereitet.

Der Hafen von Montevideo: Mittlerweile vor allem für brasilianische Kriminelle ein wichtiger Umschlagplatz für Kokain aus den Andenländern mit Ziel Europa. Foto: CC BY-SA 2.0

Es passierte am Mittwoch vor Ostern um elf Uhr morgens: Ein Auto fuhr vor der Autowaschanlage vor, blitzschnell sprangen vier Männer mit Schnellfeuerwaffen heraus und eröffneten das Feuer: zwei Angestellte und der Eigentümer des Geschäfts starben, eine Frau wurde schwer verletzt. Das Ganze dauerte nicht einmal eine Minute. Die Angreifer flüchteten mit quietschenden Reifen, zurück blieben über 100 Patronenhülsen. Das Außergewöhnliche an dem dreifachen Mord: Er fand in Costa Rica statt, einem Land, das bis vor kurzem als friedliche und demokratische Oase in Mittelamerika galt.

1948 schuf Costa Rica das Militär ab, für die Sicherheit verantwortlich ist seither eine 12.000 Mann starke, professionelle zivile Polizei namens „Fuerza Pública“. Doch die Gewaltwelle, die nach dem Ende der Pandemie begann, erwischte die Sicherheitskräfte auf dem falschen Fuss. 37 Mehrfachmorde gab es im vergangenen Jahr; die meisten davon fanden in der Karibikprovinz Limón statt – auch der oben geschilderte Angriff. Den Behörden zufolge handelt es sich bei 80 Prozent der Morde um Revierkämpfe unterschiedlicher Drogengangs, die um die Kontrolle über den strategisch wichtigen Hafen kämpfen. Lange war die lokale Gang Morecos dominant. Inzwischen machen Ermittlern zufolge transnational vernetzte Rivalen den Morecos die Kontrolle streitig. 

Die Gang tauschte in Limón schon länger subventionierten Kraftstoff gegen Drogen, die aus Kolumbien kommen. Das Rauschgift wird dann lokal verkauft – Limón gilt als Hochburg des Hippie-Tourismus – oder exportiert. Dafür werden Hafenbeamte geschmiert, um die Drogen in Versandcontainern außer Landes zu schmuggeln. Den Kriminellen in die Hände spielte die Hafenprivatisierung im Jahr 2018. Sie führte zu und einer sozialen Krise, die besonders nach der Pandemie sichtbar wurde. Das Rekrutieren von Nachwuchs wurde so für die Kartelle einfacher.

Uruguay: Von hier geht Kokain aus den Anden nach Europa

2020 wurde laut dem UN-Büro für Drogen und Verbrechenskämpfung (UNODC) weltweit eine Rekordmenge von 2000 Tonnen Kokain beschlagnahmt. Dann kam der Welthandel durch die Pandemie ins Stocken. Nun versuchen die Kartelle umso aggressiver, die Verluste auszugleichen und die Ware an den Mann zu bringen. Das UNODC ist deshalb „höchst alarmiert“, wie es in einem im März veröffentlichten Bericht schreibt.
Denn die Offensive der Organisierten Kriminalität erwischt die Regierungen unvorbereitet und bringt auch traditionelle Vorzeige-Demokratien ins Wanken. So zum Beispiel Uruguay, gerne auch die Schweiz Südamerikas genannt. Der Hafen von Montevideo ist inzwischen vor allem für brasilianische Kriminelle wie das Erste Hauptstadtkommando (PCC) ein wichtiger Umschlagplatz für Kokain aus den Andenländern mit Ziel Europa. Das PCC fliegt die Droge ein, denn nur die Hälfte des uruguayischen Luftraums ist per Radar überwacht. Die weitere Logistik ist an lokale Familienclans ausgelagert, die blutig miteinander rivalisieren. Die Gewaltkriminalität hat in den vergangenen Jahren rapide zugenommen. Auch die Korruption und Unterwanderung der Sicherheitskräfte besorgt Experten.

Ecuador: "Wie im Wilden Westen"

In Ecuador verschlechterte sich schon vor der Pandemie die Sicherheitslage in den nördlichen Küstenprovinzen Esmeraldas und Guayaquil. Die Region wurde vor allem von mexikanischen und kolumbianischen Kartellen mit Hilfe lokaler Banden kontrolliert. Diese gewannen in der Pandemie an Macht, insbesondere brachten sie die schlecht verwalteten Gefängnisse unter ihre Kontrolle. Dann litten die Küstenprovinzen besonders unter der Pandemie; Covid19-Todesfälle zerrütteten Familien; in der dortigen Maquila-Fertigungsindustrie gingen tausende Arbeitsplätze verloren, was die Armut in die Höhe schnellen liess. 

Nun ist der Regierung die Kontrolle komplett entglitten. Nach Gefängnisaufständen, Attentaten auf Polizeistationen und Richtermorden verhängte Präsident Guillermo Lasso im November 2022 den Ausnahmezustand. Vor einigen Tagen erlaubte er per Dekret  Privatpersonen das Tragen von Kleinwaffen zur Selbstverteidigung. Experten sehen die Massnahme kritisch. „Das ist wie im Wilden Westen“, sagt Luis Córdova-Alarcón, Direktor des Forschungsprogramms zu Sicherheit und Gewalt in der Zentraluniversität von Ecuador.  „Das erste, was man zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität tun müsste, ist die Einheit gegen Geldwäsche stärken, die mit derzeit weniger als 50.000 US-Dollar jährlich auskommen muss.“ In Ecuador geht es den Kriminellen vor allem um die Kontrolle des strategisch wichtigen Pazifikhafens von Guayaquil. Von dort aus wird kolumbianisches Kokain in alle Welt geschmuggelt.  

Europa ist inzwischen zu einem wichtigen Absatzmarkt geworden. Dort ist die Gewinnspanne für Kokain höher, und in den USA ist inzwischen das synthetische Opioid Fentanyl die mit Abstand wichtigste Droge. Laut der ecuadorianischen Polizei war ein Drittel des 2022 sichergestellten Kokains auf dem Weg nach Europa. Die europäische Drogenmafia hat längst Stützpunkte in Lateinamerika; so ist die italienische Ndrangheta vor allem in Costa Rica und Uruguay aktiv; in Ecuador sind es albanische Gruppen.

Autorin: Sandra Weiss

Weitere Nachrichten zu: Panorama

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz