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El Salvador: Holpriger Prozessauftakt um Jesuiten-Morde

Im November 1989 wurden in El Salvador acht Menschen ermordet, darunter sechs Jesuiten. Mehr als 30 Jahre danach beginnt die juristische Aufarbeitung - erneut und mit enormen Widrigkeiten.

Akten im kirchlichen Menschenrechtsbüro und Archiv „Tutela Legal“, in dem die Gräueltaten des Bürgerkrieges in El Salvador dokumentiert sind. Das Archiv befindet sich in der Hauptstadt San Salvador. Foto: Adveniat/Jürgen Escher

Akten im kirchlichen Menschenrechtsbüro „Tutela Legal“, in dem die Gräueltaten des Bürgerkrieges in El Salvador dokumentiert sind. Das Archiv befindet sich in der Hauptstadt San Salvador. Foto (Symbolbild): Adveniat/Jürgen Escher

Der prominente Tatverdächtige ging über Twitter zum Gegenangriff über: "Der Generalstaatsanwalt hat mich in böser Absicht und mit klarer Missachtung der Wahrheit öffentlich der Unterlassung und Vertuschung beschuldigt", sagt El Salvadors früherer Präsident Alfredo Cristiani Burkard (1989-1994). "Die Wahrheit ist, dass ich nie von den Plänen wusste, diese Morde zu begehen. Sie haben mich nie informiert oder um meine Genehmigung gebeten, weil sie wussten, dass ich niemals erlaubt hätte, Pater Ellacuría oder seinen Brüdern Schaden zuzufügen."

Cristiani dementiert Mitverantwortung

Cristiani selbst, Beschuldigter im Fall des sogenannten Jesuitenmassakers an der Universität El Salvador von 1989, erschien nicht zu einem angesetzten Anhörungstermin vor Gericht, genauso wenig wie seine Anwälte. Der Richter reagierte umgehend: "Mir bleibt nichts anderes übrig, als die Verhaftung anzuordnen."

Die Staatsanwaltschaft hatte Anklage gegen Cristiani sowie zwölf weitere Personen erhoben, wegen Beteiligung an den Morden vor über 32 Jahren. Damals wurden sechs Jesuiten sowie ihre Köchin und deren Tochter umgebracht. Generalstaatsanwalt Rodolfo Delgado erklärte demnach mit Blick auf die mutmaßlichen Hintermänner: "Seit Jahren waren sie geschützt und stellten sich nicht der Justiz. Das ist nun vorbei."

Mahnung: Opfer nicht vergessen

Allerdings ist das Misstrauen weiter groß. Die Zentralamerikanische Universität in San Salvador mahnte jüngst an, die Opfer nicht zu vergessen. Es gebe Zweifel, ob der Staat an einer umfassenden Aufklärung des Falls interessiert ist.

Am 16. November 1989 hatte eine Todesschwadron der Armee im Morgengrauen das Gelände der Zentralamerikanischen Universität in San Salvador gestürmt, die unter der Trägerschaft des Jesuitenordens steht. Die Soldaten erschossen fünf spanische und einen einheimischen Jesuiten. Auch die Haushälterin und deren 15-jährige Tochter wurden getötet, um keine Zeugen zurückzulassen. Die Geistlichen, vor allem Wortführer und Universitäts-Rektor Pater Ignacio Ellacuría, hatten die Menschenrechtsverletzungen des Militärregimes kritisiert.

Adveniat: Jesuiten kämpften für Gerechtigkeit

Mit der Anschuldigung gegen Cristiani geht der weltweit beachtete Fall in eine neue juristische Phase. Die Aufarbeitung der Morde sei ein wichtiges Signal insbesondere für die große Mehrheit der armen Bevölkerung, sagt der El-Salvador-Experte und Leiter des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat Martin Maier. "Sie wurden ermordet, weil sie für ihren Glauben und gegen Ungerechtigkeit kämpften. Weil sie die Zentralamerikanische Universität als Universität der sozialen Reformen mit dem Ziel einer gerechteren Gesellschaftsordnung verstanden", so der Pater.

"Die Universität sollte zur Stimme derer werden, die keine Stimme haben. Damit wurde sie aber zur Zielscheibe der Reichen und Mächtigen", sagt Martin Maier. Vor diesem Hintergrund werde die Bedeutung der Morde klar, die der frühere UNO-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar nach den Friedensverhandlungen 1990 bereits so formuliert hatte: "Die Jesuiten mussten ihr Leben verlieren, um jene moralische Empörung hervorzurufen, die die salvadorianischen Streitkräfte in der Defensive hielten und sie am Verhandlungstisch zu den Zugeständnissen zwangen, ohne die ein dauerhafter Friede wahrscheinlich nicht erreicht worden wäre."

Kein sozialer Frieden in El Salvador

Von sozialem Frieden ist El Salvador heute immer noch weit entfernt - weil vom Friedensvertrag von 1992 kaum etwas umgesetzt worden sei, kritisiert Adveniat-Geschäftsführer Maier. "Die Aufarbeitung könnte zum Impuls gegen Ungerechtigkeit, Falschheit und Repression und für Wahrheit, Gerechtigkeit und Freiheit in El Salvador werden."

Im Januar hatte die Justiz in El Salvador angekündigt, den Fall wieder aufzunehmen. Damit wiederum wurde eine Gerichtsentscheidung vom September 2020 hinfällig, die die Causa abschließen wollte. Doch, so die Begründung für die Wiederaufnahme, ein Abschlüss würde fundamentale Rechte der Opfer, ihrer Familien und der Gesellschaft verletzen.

 

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Quelle: kna, Autor: Tobias Käufer, Bogotá

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