Einheimische Maisproduktion in der Krise

Ende September wurde dieses Jahr in Mexiko wieder der „Nationale Tag des Maises“ begangen. Im Ursprungsland des Mais` kriselt jedoch die Produktion des mexikanischen Grundnahrungsmittels. Verschiedene Organisationen fordern vom Staat, statt Importen und Genmais den Anbau von einheimischen Sorten besser zu fördern.
Der Einbruch kam nach dem Inkrafttreten des Freihandelsabkommens NAFTA mit den USA und Kanada. War Mexiko zu Beginn der 1990er Jahre noch weitestgehend ein Selbstversorger mit Mais, so waren die mexikanischen Produzenten einem Preisverfall um 70 Prozent (1995-2002) nicht gewachsen. US-amerikansche Landwirte und Agrarkonzerne überschwemmten den mexikanischen Markt mit subventionierten Produkten – während in Mexiko Subventionen gestrichen wurden. Viele kleinbäuerliche Betriebe mussten aufgeben.
Tag des Maises soll aufrütteln
Die Maisimporte haben seither immer mehr zugenommen und in diesem Jahr mit 9,8 Mio. Tonnen bis Mitte des Jahres ein Rekordniveau erreicht. „Der kleinbäuerliche Sektor wurde zurückgedrängt und vernachlässigt, die Gewalt nimmt zu, ebenso wie das Fehlen von Einkommensmöglichkeiten und die Abwanderung von Jugendlichen, die nicht länger Kleinbauern sein wollen“, heißt es in einer Presseerklärung der Kampagne „Sin maíz no hay país“ (zu Deutsch etwa „Ohne Mais kein Mexiko“), in der sich rund 300 Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen haben.
Mit einem Protestmarsch durch Mexiko-Stadt forderten sie am vergangenen 29. September von der neuen Regierung, die Genehmigungen für die Aussaat, den Import und den Handel von Genmais zu stoppen und stattdessen den kleinbäuerlichen Sektor und die Aussaat einheimischer Sorten zu fördern.
Rekordimporte, Dürre und Landflucht
Diese Forderung ist nicht neu, sie gewinnt aber angesichts von Rekordimporten und der schwersten Dürre in den USA seit 50 Jahren, mit geschätzten Ernteausfällen von 25 Prozent bei der US-amerikanischen Maisernte neue Dimensionen. Experten befürchten Preissteigerungen, welche die Mexikaner besonders hart treffen könnten, denn Mais ist Grundnahrungsmittel der 113 Mio. Einwohner von denen laut staatlichem Nationalrat zur Evaluierung der Politik der sozialen Entwicklung (CONEVAL) rund 52 Millionen unterhalb der Armutsgrenze leben jeder im Durchschnitt mehr 113 Kilogramm Mais pro Jahr vertilgt.
Zudem ist auch Nordmexiko von der Dürre betroffen – und ausgerechnet dort finden sich viele ausgedehnte Felder des industriellen Maisanbaus, während vor allem im Süden des Landes Kleinbauern und -bäuerinnen die über Jahrtausende gezüchteten vielfältigen einheimischen Sorten anbauen. Letztere drohen nun zu verschwinden: durch Landflucht, den Druck auf Bauern, andere Sorten anzubauen um die Ernte an Maisverarbeiter überhaupt verkaufen zu können oder durch die Kontamination mit nicht einheimischen oder transgenen Sorten, warnen die Gegner der bisherigen Politik.
Der Hunger im Land und die Außenabhängigkeit Mexikos bei der Nahrungsmittelversorgung seien nur zu bekämpfen, wenn mit kleinbäuerlicher Arbeit wieder Preise erzielt werden könnten, von denen die Bauern leben können. Nur so könne das Höfesterben gestoppt und Arbeitsplätze erhalten oder neu generiert werden, fordert die Kampagne.
Agroindustrie und Genmaisanbau
Die mexikanische Regierung hatte im Oktober 2009, ausgerechnet am Welternährungstag, die Aufhebung des Moratoriums gegen Genmais bekanntgegeben und hat bisher 171 Genehmigungen für die experimentelle Phase und die Pilotphase der Aussaat von Genmais genehmigt. Zwar hat die Regierung Ursprungsregionen des Mais festgelegt, in denen der Genmaisanbau verboten ist, Gegner fürchten jedoch, dass eine Kontaminierung einheimischer Sorte dadurch nicht ausgeschlossen werden kann.
Aus dem Landwirtschaftsministeriums heißt es jedoch, allein „extreme Klimaphänomene“ und die schwere Dürre, die auch den Norden Mexikos betrifft, seien Ursache für die sinkenden Erträge. Nach Ansicht von Alejandro Monteagudo, der in Mexiko der Lobby-Organisation von Agrarmultis AgroBio vorsteht, seien höhere Erträge auf den 7,2 Mio. Hektar Anbaufläche die Lösung für Mexikos Ernährungsproblem. Für Ende des Jahres werde die Erlaubnis zur kommerziellen Aussaat von Genmais erwartet. Mit diesem Schritt könnte laut bisherigen Erfahrungen die Produktion „um 10 bis 15 Prozent“ erhöht werden, so Monteagudo.
Spekulationsobjekt Importmais
Rückenwind für ihre Argumente erhielten die Gegner der bisherigen, auf Gentechnik und industrielle Landwirtschaft ausgerichteten mexikanischen Agrarpolitik im August vom Weltverband der Großhändler (WUWM) und im März dieses Jahres von der UN. Der Leiter des Referats Amerika, Alfredo Neme Martínez erklärte gegenüber der mexikanischen Tageszeitung „La Jornada“, es sei besorgniserregend, dass Mexiko „angesichts des Fehlens einer Vision und eines Plans der mexikanischen Regierung sowie Dürren und Wirbelstürmen“ zum zweitgrößten Abnehmer von Mais aus den USA geworden sei.
Verantwortlich für den Anstieg der Exporte um 2.500 Prozent in den letzten 20 Jahren sei das Fehlen von Politiken, um die mexikanische Landwirtschaft zu reaktivieren, so Martínez. Zudem kritisierte er mangelnde Kontrollen und Verfahren für die Verteilung von Maisimporten, weshalb der Importmais zum Spekulationsobjekt geworden sei und für den Endverbraucher teurer werde. Profitiert hätten von dieser Politik vor allem die Agrarmultis.
Umdenken auch von UN-Sonderberichterstatter gefordert
Auch der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier De Schutter, ging in seinem Jahresbericht 2011 mit der mexikanischen Landwirtschaftspolitik hart ins Gericht. In seinem 65-seitigen Bericht unterstützt er die These einer verfehlten Landwirtschaftspolitik. Die laufenden Programme für das Land „bedeuten einen Schritt zurück bei der Verwirklichung des Rechtes auf Ernährung“, das im Oktober letzten Jahres zum Verfassungsrecht erklärt worden war, unterstreicht de Schutter in seinem Bericht.
Die Transgene, erläutert er, „stellen hohe Risiken für die Vielfalt der einheimischen Maissorten dar“. Ein auch vom UN-Sonderberichterstatter gefordertes erneutes Moratorium für Feldversuche mit genetisch modifizierten Pflanzen wurde bisher mehrfach abgelehnt. Ob sich daran etwas ändert, bleibt fraglich.
Autorin: Bettina Hoyer
Foto: Bettina Hoyer