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Dom. Republik, Haiti |

Eine Grenzmauer und 170.000 Abschiebungen

Fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit spielt sich an der Grenze zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik ein Flüchtlingsdrama ab. Den Preis zahlen wieder einmal die Ärmsten der Armen.

Am Grenzübergang in Dajabón eilen die Markthändler kurz vor Schließung über die Grenzbrücke, die über den Fluss Massacre zurück nach Haiti führt. Dabei kommt es immer wieder zu Konflikten mit den Militärs. Foto (Symbolbild): Adveniat/Jürgen Escher

Mehr als 50 Tote bei Bandenkämpfen in Haiti, dazu Dutzende Vermisste - eine Meldung aus dieser Woche, die es kaum noch in die internationalen Medien schafft. Zu alltäglich sind Schrecken und Gewalt im ärmsten Land der westlichen Hemisphäre geworden. Haiti ist längst ein "failed state", ein gescheiterter Staat ohne demokratisch legitimierte Institutionen, weil Wahlfristen nicht eingehalten werden, mit durch und durch korrupten Sicherheitskräften, mit Bandenführern, die ihr Territorium mit brutaler Gewalt verteidigen. Frauen und Mädchen werden hier grausam missbraucht und anschließend auf den Müll geworfen wie Abfall. Hinzu kommen Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Hurrikans.

Rund 5 Millionen Menschen leiden täglich Hunger, schätzen Experten. Zurzeit wütet in Haiti obendrein eine Cholera-Epidemie mit bisher mehr als 600 Toten. Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen berichten über Angriffe der Banden bis in die Krankenhäuser hinein. "In Anbetracht dieses inakzeptablen Ausmaßes an Gewalt haben wir keine andere Wahl, als alle unsere Aktivitäten im Krankenhaus Raoul Pierre Louis vorübergehend einzustellen", sagte Benoit Vasseur, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Haiti, Ende Januar.

Alleingelassen

Immer mehr verzweifelte Menschen versuchen der Perspektivlosigkeit, Armut und Gewalt zu entkommen. Viele zieht es ins Nachbarland Dominikanische Republik. Die beiden Länder bilden gemeinsam die Insel Hispaniola.

Die Dominikanische Republik fühlt sich wiederum vom Rest der Welt alleingelassen. Unzureichend sei die Hilfe für Haiti wie auch für das Aufnahmeland, dafür gebe es jede Menge Belehrungen, kritisieren Politiker in Santo Domingo. Innenpolitisch fährt Präsident Luis Abinader deshalb einen knallharten Kurs gegen die haitianische Einwanderung. "Nie zuvor hat eine Regierung so viel getan, um die Integrität der Dominikanischen Republik entlang ihrer Grenze zu schützen", lobte sich Abinader selbst.

Rund 170.000 Menschen sollen allein im vergangenen Jahr nach Haiti abgeschoben worden sein. Eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr. Der Bau eines unüberwindbaren Grenzzaunes entlang der 380 Kilometer langen gemeinsamen Grenze sei ein strategisches Ziel, versprach der Präsident. Im Mai soll der Bau von 54 Kilometern Zaun in den bevölkerungsreichsten Grenzregionen als erster Schritt abgeschlossen sein.

Die Regierung Haitis hatte zum Jahresende die Bedingungen für haitianische Migranten und Flüchtlinge als "inhuman und beschämend" kritisiert. In einer Erklärung des Außenministeriums hieß es, das Vorgehen beflecke das Image der Dominikanischen Republik in der ganzen Welt und gefährde den Geist des Friedens und der Harmonie, der die Beziehungen zwischen den beiden Ländern, die sich die Insel teilen, leiten sollte.

Leere Versprechungen der UN

UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk hatte kurz zuvor dazu aufgerufen, die Abschiebungen nach Haiti angesichts der Menschenrechts- und humanitären Krise, mit der das Land konfrontiert sei, zu stoppen. "Es beunruhigt mich zu sehen, dass die erzwungene Rückführung von Haitianern aus der Dominikanischen Republik nach Haiti fortgesetzt wird." Unablässige bewaffnete Gewalt und systematische Menschenrechtsverletzungen in Haiti ermöglichten derzeit keine sichere und nachhaltige Rückkehr der Haitianer. "Ich wiederhole meinen Aufruf an alle Länder in der Region einschließlich der Dominikanischen Republik, die Abschiebung von Haitianern zu stoppen", so Türk.

Allerdings spielen auch die UN bei der Problematik eine unrühmliche Rolle. Die vollmundigen Versprechen eines Wiederaufbaus nach dem verheerenden Erdbeben 2010 mit mehr als 250.000 Toten wurden nicht erfüllt. Der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki Moon versprach zu Beginn einer Geberkonferenz der Vereinten Nationen nach dem Erdbeben: "Wir müssen ein besseres Haiti schaffen, in dem nicht die meisten Menschen in Armut leben und keine Chance auf Bildung haben. Wir haben einen konkreten Plan für den Wiederaufbau, und dieser Plan trägt eine haitianische Handschrift." Davon ist Haiti heute weiter entfernt denn je.

Autor: Tobias Käufer (KNA)

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