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Kolumbien |

Ein Kaffee für den Frieden

Ehemalige Farc-Kämpfer haben zum Kaffeebauer umgeschult und exportieren ihren Kaffee nach Europa. Eine kleine Erfolgsgeschichte in einem Friedensprozess, der zu scheitern droht.

Kolumbien Lateinamerika Farc Friedensprozess Kaffee

Diplomübergabe an Ex-Farc-Rebellen. Foto: Klaus Ehringfeld

Als Monica Pedroza ihr Diplom in Empfang nimmt, legt sich ein Strahlen auf ihr Gesicht. Es ist ein Blick, in dem Freude und große Erleichterung liegen. Das Zertifikat weist die Frau von 27 Jahren als diplomierte Kaffeewirtin aus. Pedroza drückt die Hand des Gouverneurs, die des früheren Farc-Kommandanten, die des UNO-Vertreters und der Honoratioren der kolumbianischen Kaffeewirtschaft. Und jedem sagt sie deutlich hörbar „Muchas Gracias“. Vielen Dank. 
 
Monica Pedroza hat die Kalaschnikow gegen den Kaffee getauscht. Die frühere Guerillera der „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“, kurz Farc, hat in einer viermonatigen Ausbildung in der Fortbildungseinrichtung „Tecnicafé“ im südkolumbianischen Departement Cauca gelernt, wie man Kaffee pflanzt, wie man ihn erntet, röstet und vermarktet. Und jetzt wird sie auch noch lernen, wie man ihn zubereitet. 
 
Fast 14 Jahre war Pedroza bei den Farc. Damals hieß die junge Frau mit dem ansteckenden Lächeln noch „Karina“. Es war ihr Kampfname. Aber vor drei Jahren war Schluss. Als Karina von dem Abkommen hörte, das Kolumbiens Regierung und die Farc-Rebellen in Kuba aushandelten, wusste sie sofort, dass das ihr Ticket in ein neues, ein ziviles Leben war. Sie hatte schon lange genug vom Töten, Entführen, dem Drill, dem Schweiß, dem ewigen entbehrungsreichen Leben im Busch, das sie als Pubertierende begonnen hatte. „Ich konnte und wollte mir diese Chance nicht entgehen lassen“.

Farc-Dissidenten greifen wieder zu den Waffen
 
Aber im Herbst 2019, drei Jahre nach Unterzeichnung, hängt das historische Abkommen am seidenen Faden. Präsident Iván Duque boykottiert die Umsetzung, wo er kann. Die Gewalt gegen demobilisierte Rebellen und soziale Aktivisten eskaliert, das Machtvakuum, das die Farc in weiten Teilen des Landes ließen, füllt nicht der Staat, sondern andere Gewaltakteure. Und nun wollen auch noch die Dissidenten der Farc den Kampf wieder aufnehmen. Am 29. August, einen Tag bevor Monica Pedroza ihr Diplom als Kaffeewirtin bekommt, kündigten ehemalige Rebellen unter Führung von „Iván Márquez“ an, wieder zu den Waffen zu greifen. Dem Frieden vertrauen sie nicht mehr, er hat sie aufgerieben, sie wollen den Konflikt zurück und so die gesellschaftlichen Veränderungen erreichen, die das südamerikanische Land so dringend braucht. 
 
Die Rückkehr „zum Guerillakampf“ sei die „Antwort auf den Verrat des Staates gegenüber dem Abkommen von Havanna“, begründet Márquez seine Entscheidung und die von rund 2.000 Mitstreitern. Das ist besonders tragisch, da Márquez bei der Aushandlung des Vertrages in Kubas Hauptstadt eine tragende Rolle spielte, der im September 2016 zum Ende eines zermürbenden Krieges führte. Er hat Kolumbien ausgeblutet. Sieben Millionen Menschen wurden in diesem Krieg vertrieben, mehr als 220.000 starben, die überwiegende Mehrheit von ihnen Zivilisten. Lange Jahre war Kolumbien ein Staat im Krieg und im Chaos. 

Wiederaufnahme des Kampfes ist eine "Verhöhnung der Opfer"

Die Ankündigung der Márquez-Rebellen sei eine „Verhöhnung der Opfer”, kritisiert der Schriftsteller Juan Gabriel Vásquez. Die neuen alten Rebellen wollten Kolumbien in Zeiten zurückführen, die das Land gerade schmerzvoll hinter sich lasse. Aber es scheint, als sei der Krieg für viele attraktiver als der Frieden. Monica Pedroza will dennoch nicht mehr Karina sein, sie will ein Leben mit einer Perspektive. Die Entscheidung der Dissidenten, wieder zu den Waffen zu greifen, sei traurig, sagt sie. „Aber was diese Leute tun, ist ihre Sache“. 
 
In der Fortbildungsschule „Tecnicafé“ etwas außerhalb von Popayán, der Hauptstadt des Cauca, erhalten neben Pedroza noch 39 andere ehemalige Kombattanten ihr Diplom. Manche haben noch ein Kindergesicht, andere wirken alt und ausgebrannt. Wieder andere schwören auch in zivil noch auf die Disziplin und die Ziele der Farc, die jetzt im fernen Bogotá eine Partei ist und Abgeordnete und Senatoren stellt. Als die FARC noch eine Guerilla war, lag hier in den unzugänglichen Bergen des Cauca eine ihrer Hochburgen. Hier wurden die Rebellen vor bald 60 Jahren nicht nur mitgegründet, hier kontrollierten sie immer große Gebiete. 
 
Und hier funktioniert jetzt das einigermaßen gut, was es in diesen turbulenten Zeiten in Kolumbien auch gibt: die gelungene Re-Integration der Rebellen. Alle reden vom scheiternden Friedensprozess, von frustrieren Ex-Kombattanten, von einem ignoranten Präsidenten und unerfüllten Versprechen aus dem Abkommen. So richtig wie das alles ist, sind es aber an diesem sonnigen Morgen in der Kaffeefortbildungsschule in Popayán doch 40 kleine Erfolgsgeschichten, die jede einzelne für sich den Friedensprozess und die Anstrengung dahinter schon gelohnt haben.

"Ein Kaffee für den Frieden" wird nach Italien und Australien exportiert 

Und daher gehen die anwesenden Funktionäre, Ex-Rebellen, Politiker und Vertreter internationaler Organisationen mit der Nachricht der Wiederbewaffnung von Teilen der Farc auch gelassen um. Sie wird schlicht ignoriert. Stattdessen zeigen die früheren Guerilleros mit Stolz, dass sie im Cauca in einer Kooperative auch ihren eigenen Kaffee anbauen. Antonio Pardo, der für die Farc in dem Departement die Wirtschaftsprojekte koordiniert, hält ein Paket in der Hand. „Un Tinto por la paz”. „Ein Kaffee für den Frieden“ heißt diese Rebellen-Röstung. 
 
Pardo sagt, es sei anfangs schwer gewesen, Abnehmer zu finden. Die schwedische Kaffeehauskette „Espresso House” hatte Interesse, aber die kolumbianische Regierung ließ eine Farc-Delegation nicht zu Verhandlungen nach Skandinavien ausreisen. Jetzt aber sind in Italien mit der Marke “Illycaffè” Abnehmer gefunden. „Vergangenes Jahr haben wir 238.000 Kilo Kaffee exportiert. Dieses Jahr gehen 500.000 Kilo nach Italien und 100.000 Kilo nach Australien“, sagt Pardo. Für 2020 sollen es dann schon zwei Millionen Kilo sein. Und die Käufer zahlen eine „Friedensprämie“ von umgerechnet 3,50 Euro extra pro Kilo. 
 
Monica Pedroza wird in diesen Tagen auch eine Reise in die Ferne antreten. Unter den 40 diplomierten Kaffeewirten wurde sie für eine Barista-Fortbildung in Spanien ausgewählt. „Ich träume davon, später mal hier im Cauca mein eigenes kleines Café aufzumachen”. 

Autor: Klaus Ehringfeld

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