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Nicaragua |

Ein Jahr nach Beginn der Proteste - kein Dialog in Sicht

Im Rahmen der Palmsonntagsprozessionen haben die Menschen der vor einem Jahr bei den Protesten gewaltsam ums Leben gekommenen Jugendlichen gedacht. Ob Opposition und Regierung wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren, ist ungewiss.

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Protestmarsch in Managua am 28. Juli 2018 zur Unterstützung der Bischöfe, die wegen ihres Einsatzes für die Demonstranten bedroht und angegriffen wurden. Foto: Adveniat/Klaus Ehringfeld

Schwarze Kreuze mit den Namen verschiedener Jugendlicher kennzeichnen die Prozession zum Palmsonntag in Managua, dem Tag, der den Beginn der Osterwoche markiert. Die Kreuze sind mit Blumen, Palmzweigen und blau-weißen Tüchern geschmückt, auf denen “Viva Nicaragua libre” steht. Weil die Polizei im September vergangenen Jahres Demonstrationen gegen die autoritäre Regierung von Präsident Daniel Ortega verboten hat und denjenigen mit Gefängnis droht, die diese organisieren und daran teilnehmen, haben sich die Nicaraguaner andere Formen ausgedacht, um zu protestieren. Auf nicaraguanische Fahnen, die als Symbol der Subversion gelten, verzichten sie, damit niemand sagen kann, sie würden den religiösen Raum missbrauchen. 

Mit den Kreuzen fordern die Teilnehmer der Prozession Gerechtigkeit für die Jugendlichen, die vor einem Jahr ihr Leben durch die gewaltsam niedergeschlagenen Proteste verloren haben. Der Beginn der Proteste war der 18. April 2018. Zunächst gingen die Menschen gegen eine Sozialreform auf die Straße, die eine Kürzung der Renten und eine Erhöhung der Beiträge vorsah. Doch bald richteten sich die Proteste gegen Präsident Daniel Ortega und seine Frau und Vizepräsidentin Rosario Murillo selbst, die die Polizei mit brutaler Härte und Gewalt gegen die Demonstranten vorgehen ließen. Mindestens 40 Menschen starben in nur fünf Tagen, getötet von Polizisten und Paramilitärs. 

Politische Krise verursacht wirtschaftliche Probleme

Ortega, der in den 1970er Jahren die sandinistische Revolution gegen den Diktator Anastasio Somoza anführte, trägt selbst mehr und mehr autoritäre Züge; Nicaragua ist ein Jahr nach dem Beginn der Proteste weit von der Lösung der politischen Krise entfernt. Fortschritte im Dialog zwischen der Regierung und der Opposition bleiben aus, während die Demonstrationen und die Repression anhalten. Bischof Juan Abelardo Mata sagte, die Nicaraguaner würden den Jahrestag der Proteste “inmitten von Schmerz” begehen. 325 Menschen sind nach Angaben der "Interamerikanische Kommission für Menschenrechte" durch die Gewalt von Polizei und Paramilitärs ums Leben gekommen. Lokale Menschenrechtsorganisationen sprechen von bis zu 570 Todesopfern, die Regierung von 199. 850 Personen sind festgenommen worden, weil sie gegen Ortega demonstriert haben, Zehntausende Nicaraguaner sind ins Exil gegangen. 

Zudem befindet sich das Land auf dem Weg in eine der schwersten wirtschaftlichen Krisen der vergangenen 30 Jahre. Die Wirtschaft schrumpfte im Jahr 2018 um vier Prozent, 2019 wird ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukt bis zu zehn Prozent erwartet. Der Tourismus ist dabei einer der Sektoren, den die politische Krise am stärksten getroffen hat. Die Strandhotels, die im vergangenen Jahr für diese Saison eine Auslastung von 80 Prozent erreichten, sind nun mit weniger als 20 Prozent belegt, wie Lucy Valenti, die Präsidentin der „Nationalen Touriskammer”, am vergangenen Donnerstag, 11. April 2019, bekanntgab. Vor allem der internationale Tourismus, der Devisen nach Nicaragua bringt, geht weiter zurück, nachdem das mittelamerikanische Land zwischen Atlantik und Pazifik auf dem Weg war, ein beliebtes Reiseziel zu werden. Der “Nicaraguanischen Stiftung für wirtschaftliche und soziale Entwicklung“ zufolge laufen die Hälfte der Nicaraguaner in diesem Jahr Gefahr, in die Armut abzurutschen, wenn sich die sozio-politische Krise nicht löst. Valenti führt das auch auf die Tatsache zurück, dass es noch kein Abkommen zwischen der Regierung von Präsident Daniel Ortega und der “Zivilen Allianz für die Justiz und die Demokratie” gebe. 

Nuntius und OAS fordern Wiederaufnahme des Dialogs nach Ostern

Zwischen Mai und Juli vergangenen Jahres waren Gespräche zwischen Regierung und Opposition nicht zu einem Ergebnis gekommen. Waldemar Stanislaw Sommertag, der apostolische Nuntius in Nicaragua, und Luis Ángel Rosadilla, der Repräsentant der “Organisation Amerikanischer Staaten“, die die Verhandlungen zwischen dem 27. Februar und dem 3. April diesen Jahres als Zeugen begleiteten, haben die Parteien dazu aufgerufen, die Gespräche am 23. April wieder aufzunehmen. Die Regierung hat die Einladung angenommen. Aber die oppositionelle “Zivile Allianz”, die darauf besteht, nicht zu verhandeln, bevor der Staat seine Verpflichtung zur Freilassung der “politischen Gefangenen” und zur Einhaltung der Verfassung erfüllt, hat noch keine Antwort gegeben. "Die internationale Isolation und das wirtschaftliche Debakel waren die Ursache, dass Ortega wieder zu den Verhandlungen zurückkehrte, es war keine ernsthafte Überzeugung", sagt Azahálea Solís, Mitglied der “Zivilen Allianz” und Teilnehmerin der Verhandlungen. Die bürgerliche Allianz wirft der Regierung vor, sie würde nur auf Zeit spielen. Sie hat für den Jahrestag weitere Demonstrationen angekündigt, die Prozessionen zu Ostern sollen wieder an die Opfer erinnern.

Autorin: Martina Farmbauer

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