Druck auf Brasiliens Weinbauern
Nach der Aufdeckung sklavenähnlicher Arbeitsverhältnisse in einem südbrasilianischen Weinanbaugebiet wächst der Druck auf die brasilianische Weinindustrie.
Der Skandal um die Anfang März im südbrasilianischen Weingebiet Bento Gonçalves aufgedeckten Fälle von sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen soll Konsequenzen haben. Nachdem auf drei großen Weingütern Dutzende Arbeiter aus prekärsten Verhältnissen von der Polizei befreit werden konnten, haben der brasilianische Bundesstaat Rio Grande do Sul, die Stadtverwaltung von Bento Gonçalves und der Brasilianische Weinbauernverband umfangreichere Kontrollen auf allen Weingütern vereinbart. „Was wir hier vorgefunden haben, könnte sich jederzeit an einem anderen Ort wiederholen“, sagte der Präfekt des Bundesstaates, Diogo Siquera. Daher seien häufigere und umfangreichere Kontrollen notwendig.
Der Weinbauerverband wie auch die Unterhemen verwiesen darauf, dass die beschuldigten Weingüter ein Subunternehmen beauftragt hatten, Arbeitnehmer anzuwerben, unterzubringen und zu entlohnen. Man habe dem Subunternehmen für jeden Arbeiter 6.500 Reais (etwa 1.150 Euro) pro Monat zuzüglich Abschlägen für Verpflegung und Unterkunft gezahlt. Die Verantwortung für die sklavenähnliche Behandlung der Arbeiter liege daher zunächst nicht bei den Weingütern. Die im Nordosten Brasiliens angeworbenen Arbeiter wurden in engen Unterkünften zusammengepfercht, misshandelt und hatten für „Extras“ wie Besteck oder Hygieneartikel überhöhte Preise zu entrichten. Einige Arbeiter konnten von einem Gut fliehen und erstatteten Anzeige bei der Polizei.
Umsatzrückgänge befürchtet
Das Weingut Salton, eines der Güter, auf denen Arbeiter und sklavenähnlichen Bedingungen bei der Weinernte halfen, hat auf seiner Internetseite einen Ethik-Kodex veröffentlicht und sich zu hohen Standards im Umweltschutz, im Umgang mit Angestellten und in der Führung verpflichtet. Salton, 1910 von Nachfahren italienischer Einwanderer gegründet, gehört mit 25 Millionen Litern Wein zu den größten Produzenten Brasiliens. Die Weine werden hauptsächlich im Wirtschaftsraum São Paulo für im Schnitt mehr als 100 Reais (rund 18 Euro) pro Flasche verkauft.
In der Weinregion Bento Gonçalves hat der Skandal und die weltweiten Reaktionen darauf Unruhe ausgelöst. Der Weinanbau und die damit zusammenhängende Tourismusindustrie befürchten Umsatzrückgänge. Immerhin werden 40 Prozent der brasilianischen Weine in Bento Gonçalves angebaut und produziert. „Wir bekommen die Reaktionen zu spüren“, berichtet Lucio Motta von der Miolo Gruppe, mit 12 Millionen Litern Wein jährlich zweitgrößter Betrieb in Bento Gonçalves. Der brasilianische Weinanbau habe sich in den vergangenen zehn Jahren rasant entwickelt. Heute entstehen hier international anerkannte Weine hoher Qualität, die auch in den Export nach Europa gehen. Die hohen Investitionen und der internationale Preisdruck führten aber dazu, dass die brasilianischen Produzenten versuchten, die Kosten zu senken, hieß es aus Branchenkreisen auf der „ProWein“ in Düsseldorf, der weltweit größten Fachmesse für Wein. Die „ProWein“, die mit der Fachmesse „ProWine“ auch einen jährlichen Ableger in São Paulo hat, wird die Entwicklung aufmerksam beobachten. Bei der diesjährigen Düsseldorfer Messe waren die betroffenen Weingüter anders als in Vorjahren jedenfalls nicht dabei.