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Doku "Mi pais imaginario" beleuchtet Demonstrationen in Chile

Der große revolutionären Aufbruch in Chile im Jahr 2019 war verbunden mit Protesten und Gewalt. Regisseur Patricio Guzman dokumentierte die Auseinandersetzungen. Mit klar verteilten Sympathien und Hoffnungsbotschaft.

Szene aus dem Film "Mi país imaginario - Das Land meiner Träume". Foto: filmdienst

Große Revolutionen gehen vom Volk aus, immer dann, wenn die Lebensumstände so unerträglich geworden sind, dass die Massen ihren Protest auf die Straße tragen. Genau das geschah im Oktober 2019 in Chile, einem Land, das in den letzten fünfzig Jahren einiges an politischem Aufruhr, Repression und Umwälzungen erlebt hat. Die sozialen Missstände aber waren für viele nicht mehr tragbar und trieben die Menschen nach draußen.

Mit massiven Demonstrationen, vom friedlichen Protest bis zum Steinewerfen, verschafften sich die Menschen in der Hauptstadt Santiago de Chile Gehör. Auslöser der Revolte war eine Erhöhung der Metrotickets, welche vor allem junge Menschen zunächst mit dem Überspringen der Drehsperren ignorierten.

Der erste Funken

Daraus erwuchs im Kleinen eine übergreifende Bewegung. Regisseur Patricio Guzman nennt es den ersten Funken. Die Empfehlung, eben jenen festzuhalten, wenn er ein Feuer filmen wolle, hatte ihm einst der Dokumentarfilmer Chris Marker gegeben. Guzman, der seit dem Militärputsch in Chile durch Pinochet im Jahr 1973 vorwiegend in Frankreich lebt, hatte den ersten Funken in seinem Ursprungsland aber verpasst. Er reiste dennoch bald nach Santiago de Chile, um den Protest hautnah mit seiner Kamera festzuhalten. Dabei zeigt er entweder die Protestierenden aus der Menge heraus oder hält das schiere Ausmaß des Protests in Panoramaaufnahmen des hauptstädtischen Zentrums fest, in dem bis über eine Million Demonstrierende die Straßen füllten.

Im Off-Kommentar beleuchtet Guzman die Lage Chiles und lässt dabei auch seinen Wünschen und Hoffnungen freien Lauf. Zum einen vergleicht er die Forderungen der Demonstranten mit Salvador Allendes Traum von sozialer Gerechtigkeit Anfang der 1970er-Jahre. Schwarz-weiß-Archivaufnahmen aus der Ära des demokratisch gewählten Präsidenten bekräftigen dies.

Gewalt - auf beiden Seiten

Andererseits betont er den basisdemokratischen Charakter der jüngsten Proteste, der nicht an eine einzelne Partei gebunden sei. Politiker kommen bei den Aktivisten, die Guzman vor die Kamera holt, eher schlecht weg. Eine Frau, die in einem provisorischen Lager für bessere Wohnverhältnisse kämpft, hält sie alle für korrupt. Aber auch Intellektuelle und eine Studentin mit Kind bestätigen dies. Die Studentin tritt nur getarnt vor die Kamera: eine wollene Skimaske lässt lediglich ihre Augenpartie frei. Eine Skibrille und eine halbe Gasmaske, die sie davor zur Schau gestellt hatte, hat sie da bereits abgelegt.

Mit solchen Schutzutensilien sind viele der jüngeren Demonstranten bewehrt. Warum, sieht man in den Sequenzen, die Konfrontationen zwischen Ordnungskräften und Demonstranten wiedergeben. Polizei und Militär gehen mit äußerster Brutalität vor. Sie knüppeln ohne Rücksicht auf Verluste um sich, verwenden Wasserwerfer, Tränengas und Geschosse und verletzen damit etliche der Protestierenden. Eine Fotografin hat ein Auge verloren; sie ist nicht die einzige. Auch eine Sanitäterin berichtet, dass ihre Kollegen sie mit Schildern abschirmen mussten, als sie sich um Verletzte kümmerte, da die Polizei nicht einmal angesichts dessen innehalten wollte.

Dem entgegen steht das martialische Auftreten mancher Demonstranten, die Pflastersteine zu Wurfgeschossen umwandeln. Zwar ist auch ihr Verhalten alles andere als gewaltfrei, doch es wird von Guzman teilweise überhöht und verharmlost. Allerdings sind Polizei und Militär erheblich besser ausgestattet und verfügen zudem über todbringende Waffen. Protestierende berichten, dass Demonstrationen lebensgefährlich wurden, und dass sie deshalb Abstand von ihnen genommen hätten. In einem Land wie Chile, das unterstreicht Guzman zu Recht, weckt die Brutalität der Ordnungskräfte schmerzliche Erinnerungen an die Pinochet-Diktatur, die in der Gesellschaft immer noch nachwirkt.

Hoffnungszeichen

Dass der Protest schließlich zu einer verfassungsgebenden Versammlung führt, wirkt wie ein Hoffnungszeichen für ein Volk, das immer noch mit der 1980 von der Junta erarbeiteten Verfassung leben muss. Auch nach der Wahl des linken Präsidenten Gabriel Boric im März 2022 zeigt der Film erneut Panoramaaufnahmen des Zentrums von Santiago. Ein Kreis schließt sich. Patricio Guzman äußert anhand von Archivbildern chilenischer Arbeiter unter der Unidad Popular seine (auch im Titel des Films festgehaltene) Hoffnung, dass der Traum von Salvador Allende von einem demokratischen und gerechten Chile ein halbes Jahrhundert später endlich Wirklichkeit wird.

Autorin: Kira Taszman (KNA)

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