Die tödliche Dürre von La Guajira

Die dramatischen Nachrichten aus der nordkolumbianischen Provinz La Guajira reißen nicht ab. In dieser Woche meldete die lokale Tageszeitung El Heraldo den Tod drei weiterer indigener Kinder vom Volk der Wayuu. Todesursache: Unterernährung. Damit, so rechnet die Zeitung vor, erhöht sich die Zahl der minderjährigen Opfer seit Jahresbeginn auf elf bekannte Fälle. Den Hungertod der Kinder bestätige die Direktorin des Instituts für das familiäre Wohlbefinden, Cristina Plaza Michelsen, der Zeitung.
Michelsen machte die Eltern für den Tod der Kinder mitverantwortlich. Einige der Eltern würden es nicht zu lassen, dass die Kinder ihr Zuhause verlassen dürften und sich so in medizinische Behandlung begeben könnten. Dabei hätte es in der Region entsprechende Stellen gegeben, in denen den Kinder hätte geholfen werden können. Flor García Peñaranda, Sprecherin eines katholischen Krankenhauses in Riohacha, bestätigt diese Beobachtung: "Wir respektieren die Traditionen unserer Wayuu-Brüder und Schwestern, aber dies ist eine wirklich schwierige Situation, weil jetzt viele Kinder in ihren Dörfern sterben, weil es die Eltern ablehnen sie in die Krankenhäuser zu bringen."
Die akute Behandlung ist eine Sache, die Ursachen für die Todesfälle liegen aber offenbar tiefer. Die für die Rechte der Bevölkerung zuständige Ombudsstelle nennt andere Gründe: Es fehle an Trinkwasser, es werde kaum geimpft und zudem erreichten Präventivprogramme der staatlichen Gesundheitsvorsorge die betroffene Bevölkerung erst gar nicht. Die Bilanz ist verheerend. Das Nationale Institut für Gesundheit hat seit Jahresbeginn im ganzen Land bislang 72 an Unterernährung gestorbene minderjährige Kinder und Jugendliche gezählt. Dabei scheint die monatelange Dürre die Region noch gar nicht mit voller Wucht getroffen zu haben.
Weitere Todesopfer
Vorwürfe ganz anderen Kalibers erhebt unterdessen die Internetseite "Soachaillustrada". Deren Autor spricht von einer gezielten Ausrottung der indigenen Völker. Die private Nutzung des Flusses Rancheria in der Region habe zu einer Hungersnot geführt, die bereits 14.000 Kolumbianern indigenen Ursprungs das Leben gekostet habe. Konkret richten sich die Vorwürfe gegen ein lokales Agrar-Unternehmen, welches das Wasser des einzigen lokalen Flusses zur landwirtschaftlichen Produktion nutze und damit die indigenen Dörfer von der Wasserversorgung abgeschnitten habe. Sprecher der Wayuu hätten sich inzwischen an die Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischen Staaten (OAS) mit der Forderung gewandt, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, dass dieser Lebensader wieder der indigenen Bevölkerung zur Nahrungsmittelproduktion und Trinkwasserversorgung zugänglich gemacht wird.
Der kolumbianische Wetterdienst CPC macht unterdessen wenig Hoffnung, dass sich die Situation auf natürlichem Wege für die dort lebende Bevölkerung verändern könne. Das Wetterphänomen "El Nino", dass für heftige Regenfälle einerseits und lange Dürren andererseits sorge, werde noch das ganze Jahr anhalten und dessen Auswirkungen würde die Region sogar noch härter treffen. Für La Guajira bedeute dies noch weiter ansteigende Temperaturen und noch weniger lebensnotwendiges Wasser. Und wahrscheinlich noch viele weitere Todesopfer mehr.
Autor: Tobias Käufer, Bogotá
Foto: Michael McCullough. CC BY-NC 2.0