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Mexiko, USA |

Die OAS - Bidens nächstes außenpolitisches Problem?

Regionale Gipfeltreffen sind in der Regel schnell vergessen – der CELAC-Gipfel am Wochenende in Mexiko-Stadt vielleicht nicht. Denn Gastgeber Mexiko will eine Neuorganisation der kontinentalen Staatengemeinschaft.

Ankunft von US-Präsident Joe Biden in Genf in der Schweiz am 15. Juni 2021 anlässlich des G7-Gipfels. Foto: Arrival of President Joe Biden, U.S. Embassy Bern - U.S. Mission photo/ Eric Bridiers, CC BY-SA 4.0​​​​​​​, Zuschnitt

Ankunft von US-Präsident Joe Biden in Genf in der Schweiz am 15. Juni 2021 anlässlich des G7-Gipfels. Foto: Arrival of President Joe Biden, U.S. Embassy Bern - U.S. Mission photo/ Eric BridiersCC BY-SA 4.0, Zuschnitt

Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador ist bislang nicht als Außenpolitiker aufgefallen. In seiner fast dreijährigen Amtszeit unternahm er erst eine einzige Auslandsreise – im vergangenen Jahr nach Washington zu seinem damaligen Amtskollegen Donald Trump.

Umso überraschender war sein Auftritt Ende Juli in Mexiko-Stadt anlässlich des Geburtstags des südamerikanischen Unabhängigkeitskämpfers Simón Bolívar. In einer Rede vor Außenministerinnen und -ministern der Region unterstrich López Obrador die Souveränität der Staaten der Hemisphäre angesichts der ständigen Einmischung Washingtons und rief dazu auf, die dysfunktionale Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) „durch ein autonomes Gremium zu ersetzen, das kein Lakai von irgendjemandem ist“. Er schlug vor „etwas aufzubauen, das der Europäischen Union ähnelt, aber mit unserer Geschichte, unserer Realität und unseren Identitäten verbunden ist“.

Vorschlag: Staatenbund nach Vorbild der EU

Die Idee einer lateinamerikanischen EU ist nicht neu. Angeführt von den damaligen Präsidenten Venezuelas und Brasiliens, Hugo Chávez und Luiz Inácio Lula da Silva, wurde vor 13 Jahren die Union Südamerikanischer Staaten (UNASUR) als Gegengewicht zur OAS ins Leben gerufen. Eine gemeinsame Währung und ein gemeinsames Parlament waren geplant; im Streit um Venezuela aber kam es 2018 zur Spaltung. Mehrere Austritte besiegelten das Ende des Projekts.

Die OAS wiederum war 1948 unter dem Eindruck des Kalten Krieges gegründet worden und ist seitdem verlängerter Arm US-amerikanischer Außenpolitik. Das Schweigen der OAS nach den „sanften“ Staatsstreichs gegen Manuel Zelaya (Honduras 2009), Fernando Lugo (Paraguay 2012) und Dilma Rousseff (Brasilien 2016) sowie später die aktive Rolle der OAS im venezolanischen Machtkampf oder beim Umsturz in Bolivien riefen zahlreiche Regierungen der Region auf den Plan. 

OAS in der Kritik

Ernesto Samper, früher Präsident Kolumbiens und letzter UNASUR-Generalsekretär, nannte die OAS Ende August in einem Interview mit dem Nachrichtenportal Nodal, ein nicht-lebensfähiges Gremium, da sie nicht in der Lage sei, in der Region neutral zu handeln. „Der mit Unterstützung der OAS durchgeführte Betrug bei den bolivianischen Wahlen, die Einleitung einer Strafaktion gegen Venezuela von der kolumbianischen Grenze aus und die fehlgeschlagenen Interventionen in Mittelamerika zeigen, dass die OAS zu einem Instrument der hemisphärischen Hegemonie der USA in der Region geworden ist, das ein gleichberechtigtes und symmetrisches Verhältnis zwischen Lateinamerika und den Vereinigten Staaten verhindert.“ 

Vor allem OAS-Generalsekretär Luis Almagro, ein enger Verbündeter Washingtons, wird von vielen Regierungen kritisch gesehen. Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard bezeichnete die Amtszeit Almagros als „eine der schlechtesten in der Geschichte“. Und kürzlich schob er hinterher: „Jemand muss Almagro ein Amt geben, aber die OAS kann nicht weiterhin ein Instrument der Einmischung sein.“ 

Reform der OAS oder neues Gremium?

Geht es nach Mexiko, sind die Tage der OAS ohnehin gezählt. Vor dem Gipfeltreffen der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC) am Samstag in Mexiko-Stadt, zu dem mindestens 16 Staats- und Regierungschefs der Region erwartet werden, forderte Ebrard eine tiefgreifende Reform der OAS oder die Schaffung eines neuen Gremiums an ihrer Stelle. 

Im Gegensatz zur OAS gehören der CELAC alle souveränen Staaten Amerikas außer den USA und Kanada an; Brasilien trat im Januar letzten Jahres auf Beschluss der Regierung aus. Die CELAC war im Dezember 2011 in Caracas formell gegründet worden, als Alternative zur OAS in Reaktion auf die Ereignisse rund um den Putsch in Honduras 2009, als die USA versuchten, auf die OAS Einfluss zu nehmen. Ebrard kündigte im Vorfeld des CELAC-Gipfels an, dass die lateinamerikanischen Regierungen auf der Grundlage der Ergebnisse des Treffens den USA und Kanada einen förmlichen Vorschlag zur Zukunft der OAS vorlegen werden.

„Dies ist ein zentrales Thema des Gipfels: Wir müssen für 2022 den Vorschlag vorbereiten, den wir den Vereinigten Staaten und Kanada unterbreiten werden, wie die Zukunft der OAS aussehen könnte, ob sie durch eine andere Organisation ersetzt wird, welche Merkmale sie haben und wie sie funktionieren würde.“ Mexikos Vorschlag lautet: „Verabschieden wir uns von der OAS in ihrem interventionistischen, einmischenden und hegemonistischen Sinn und lassen wir eine andere Organisation eintreten, die wir im Einvernehmen mit den Vereinigten Staaten politisch aufbauen können", so Ebrard.

Mexiko mit Führungsanspruch

Aufgrund seiner geografischen Nähe und wirtschaftlichen Abhängigkeit ist Mexiko nicht an einer Konfrontation mit den Vereinigten Staaten interessiert. Aber angesichts der internationalen Isolierung Brasiliens unter Jair Bolsonaro scheint Mexikos Führungsanspruch in der Region geweckt. Zuletzt war das Land bereits Gastgeber des Dialogs zwischen Venezuelas Opposition und Regierung, an dessen Zustandekommen Mexiko maßgeblich beteiligt war. 

Am Samstag geht es nun also um nicht weniger als eine Neuorganisation der kontinentalen Staatengemeinschaft – und um ein Ende der jahrzehntelangen Einmischungspolitik der USA. CELAC-Gipfeltreffen bleiben selten länger in Erinnerung; das könnte sich bei dem am Wochenende ändern. Und US-Präsident Joe Biden steht vielleicht bald schon vor der nächsten außenpolitischen Herausforderung.

Autor: Andreas Knobloch

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