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Venezuela |

Die Luft ist raus

Ein halbes Jahr nach Beginn des Guaidó-Hypes ist Maduro noch immer an der Macht. Die Konfliktparteien wollen diese Woche wieder reden.

Venezuela Demonstration Demokratie Friede

"Frieden, Gerechtigkeit, Demokratie in Venezuela" fordern die Demonstranten. Foto: Isabel Díaz Ayuso/PP Comunidad de Madrid, CC BY 2.0

Es war eine Szene, wie es sie so oft gegeben hat in den vergangenen Monaten. In Caracas steigt Juan Guaidó auf eine improvisierte Tribüne, die Ärmel seines Hemdes sind hochgekrempelt, der Schlips sitzt perfekt. In der linken Hand hält er das Megafon, mit der Rechten gestikuliert er und verkündet das rasche Ende der Regierung von Nicolás Maduro. So war es auch am Freitag wieder, am venezolanischen Nationalfeiertag. „Die letzten Tage der Diktatur sind gezählt, sie schließt sich ein und hat keine Argumente mehr. Wir müssen auf den Straßen bleiben. Wir dürfen nicht nachlassen“, rief er. Der letzte Satz klang fast flehentlich.
 
Es gab aber einen wichtigen Unterschied zu anderen Kundgebungen. Derzeit hören dem Oppositionsführer noch gerade ein paar Hundert, manchmal tausend Menschen zu. Vor Wochen, vor Monaten, vor allem vor dem Putschversuch vom 30. April waren es noch Zehntausende, manchmal Hunderttausende Venezolaner, die dem jungen Politiker lauschten, weil sie mit ihm die Hoffnung auf ein rasches Ende des chavistischen Regimes verknüpften.
 
„Die Luft ist raus“, sagt Maria Barrera. „Es kommen nur noch wenige Menschen, Guaidó muss sich eine andere Strategie ausdenken“, ergänzt die junge Frau, die für ein Investigativportal in Venezuelas Hauptstadt Caracas arbeitet. Es sei so wie zu Beginn der aktuellen Bewegung Ende Januar: „Guaidó muss wieder auf Märkte gehen, an Straßenecken stehen und auf Monumente steigen, um die Leute zu erreichen.“ Und angesichts des Stillstands wächst der Druck von allen Seiten. Die einen Kräfte in der Opposition wollen eine militärische Invasion als Lösung forcieren, andere wollen an den Verhandlungstisch zurück.

Widerstandsfähiger als erwartet
 
Seit dem 23. Januar, als sich der bis dahin völlig unbekannte Politiker in seiner Funktion als Parlamentspräsident zum „Presidente encargado“, zum beauftragten Präsidenten Venezuelas erklärte, ist Guaidó mit seinem friedlichen Umsturzversuch kein Stück weiter gekommen. Trotz einer dramatischen Wirtschafts- und Versorgungskrise, trotz der Anerkennung von mehr als 50 Staaten auf der Welt und auch trotz der Hilfe der US-Regierung ist es Guaidó nicht gelungen, das autoritäre Maduro-Regime zu stürzen. Die Chavisten, die Venezuela seit mehr als 20 Jahren regieren, erweisen sich als widerstandsfähiger als erwartet.
 
Eine Rolle spielt dabei sicher die Unterstützung Russlands und Chinas für die Regierung. Die beiden Staaten haben Venezuela als Ort auserkoren, wo sie eine Machtprobe mit den USA von Donald Trump ausfechten können. Besonders zupass kommt ihnen dabei, dass Venezuela im „Hinterhof“ der Vereinigten Staaten liegt. Dort wo Washington zu bestimmen meint, was passiert.  
 
Entscheidend sind aber vor allem die Fehler und Fehleinschätzungen von Guaidó und seinen Leuten. Angefangen bei der missglückten Aktion vom 23. Februar, als er von Kolumbien und Brasilien aus Hilfs- und Nahrungsmittel nach Venezuela bringen wollte. Aber Guaidó unterschätzte völlig die Widerstandskraft der Sicherheitskräfte des Regimes und dachte, die Nationalgarde würde angesichts der Hilfslieferungen die Grenze freiwillig öffnen und die Nothilfe ins Land lassen. Der erwünschte Nebeneffekt wäre der vermutliche Sturz Maduros gewesen. Nichts von dem geschah. Danach erlebte die Protestbewegung einen ersten Rückschlag. Die Venezolaner, über die Jahre daran gewöhnt, auf die Versprechen der Opposition nicht bauen zu können, begannen sich langsam von Guaidó abzuwenden.

Dann kam im März der wochenlange partielle Stromausfall, der so bitter es klingt, der Regierung in die Hände spielte. Die Menschen waren noch mehr damit beschäftigt, ihren Alltag zu bewältigen. Und wer konnte, wanderte aus. Nach wie vor verlassen laut Hilfsorganisationen jeden Tag 5000 Menschen das Land, um woanders ein neues Leben aufzubauen. Diese Menschen fehlen der Opposition auch, um eine dauerhafte Protestbewegung aufzubauen. Vier Millionen Menschen haben in den vergangenen Jahren den Chaos- und Krisenstaat bereits verlassen, weil sie angesichts der Wirtschafts- und Versorgungskrise um ihr Überleben fürchten. In einigen Ländern Lateinamerikas hat der Zuzug Hunderttausender Venezolaner Migrationskrisen ausgelöst.

Guaidó im freien Fall

Der entscheidende Wendepunkt aber sei der gescheiterte Putsch vom 30. April gewesen, sagt Maria Barrera. „Seither ist die Unterstützung für Guaidó im freien Fall.“ Die Menschen seien davon ausgegangen, dass die militärische Unterstützung für den Oppositionsführer existiere, wurden aber eines besseren belehrt. Guaidó und die zunehmend uneinige Opposition haben bei den Venezolanern Erwartungen geweckt, die sich nicht erfüllen konnten. Dementsprechend sind sie jetzt enttäuscht vom immer gleichen Diskurs Guaidós, der sich in Versprechen zu erschöpfen scheint.
 
Parallel zu der schwindenden Unterstützung im eigenen Land, lässt auch die internationale Hilfe nach. Die 50 Staaten, die den konservativen Politiker als rechtmäßigen Staatschef anerkannt haben, sind zunehmend schweigsamer und mit eigenen Problemen beschäftigt. Zudem hat viele Unterstützer der Putschversuch befremdet. Auch Hauptverbündeter Trump wendet sichbei seinen Kriegsspielereien jetzt lieber Iran und Korea zu. Und er war Guaidós größter Helfer.
 
Was bleibt also mittelfristig für ein Szenario für Venezuela? Entweder die Implosion des Regimes oder doch Verhandlungen unter Vermittlung Norwegens. In der einen Variante wirken die Wirtschaftssanktionen irgendwann so durch, dass der Transport- und Verkehrssektor und in der Folge die Nahrungsmittelversorgung komplett zusammenbrechen und sich selbst die Anhänger der Regierung gegen Maduro wenden.
 
In dem anderen Szenario setzen sich die Konfliktparteien unter der Vermittlung Norwegens an einen Tisch und suchen nach einer wirklichen Verhandlungslösung. Allerdings ist die Bereitschaft dafür auf beiden Seiten nur sehr klein. Vor allem der harte Kern der Opposition setzt Guaidó unter Druck, nicht mit Maduro zu verhandeln. Das soll aber jetzt doch geschehen: Es werde in dieser Woche ein Treffen von Vertretern beider Seiten auf der Karibikinsel Barbados geben, heißt es in einer Erklärung der Regierung Norwegens. Guaidó sagte, die Ziele seien der Rücktritt Maduros, die Bildung einer Übergangsregierung und freie Wahlen unter internationaler Beobachtung.

Autor: Klaus Ehringfeld

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