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Brasilien, Chile |

Die Kirche der Eroberer als Anwältin der Unterdrückten?

Die Kirche in Lateinamerika sieht sich als Unterstützerin der indigenen Bevölkerung. Doch nicht überall zwischen Anden und Amazonas ist sie willkommen. Gleichzeitig entdecken junge Indigene die Spiritualität ihrer Vorfahren wieder und bestehen darauf, sie auszuleben.

Die Mapuche pflegen eigene Rituale, in denen ihre enge Verbundenheit mit der "Mutter Erde" zum Ausdruck kommt. Hier schlägt die Machi Silvia Ilan Quileo Quilaman, eine Heilerin der Mapuche, die Trommel, genannt Kultrun. Foto (Symbolbild): Adveniat/Matthias Hoch

Seit ein paar Jahren brennen in Chile Kirchen. Mutmaßliche Urheber sind radikale Gruppen indigener Einwohner, der Mapuche. Sie sehen die christlichen Kirchen als Nachfolger der Invasoren, also jener Kräfte, die aus Europa nach Südamerika kamen und maßgeblich für Unterdrückung und Auslöschung indigener Völker verantwortlich sind: die ehemaligen Kolonialherren, zu denen aus Sicht der radikalen Mapuche eben auch die katholische Kirche zählt.

Um ihrer Forderung nach territorialer und letztlich auch spiritueller Unabhängigkeit nachzukommen, zünden sie symbolisch Kirchen an. Sie achten bei den Brandanschlägen stets darauf, dass keine Menschen zu Schaden kommen. Wohl aber, dass die Kapellen und Kirchen bisweilen bis auf die Grundmauern abrennen. Die Botschaft, die dahintersteckt: Ihr seid hier nicht willkommen. Euer Besitz ist widerrechtlich.

Diese Mapuche sehen sich als Widerstandskämpfer gegen eine dominierende Kultur, die ihr Land besetzt hat. Zwar fordert auch die Kirche in Chile bei der anstehenden Verfassungsreform mehr Rechte für die Indigenen ein, doch innerhalb einer kleinen Gruppe der Mapuche gibt es die Meinung, die Kirche habe gar nicht das ethische Recht, für die Ureinwohner zu sprechen.

Späte Anerkennung indigener Rechte

Dabei sieht sich die Kirche - nicht nur in Chile - durchaus als Anwalt indigener Belange. Sie hat in den vergangenen Jahren eigene Strukturen wie das Pan-Amazonas-Netzwerk Repam gegründet. Es gibt sogar eine eigene Amazonas-Bischofskonferenz.

Als Brasiliens rechtspopulistischer Präsident Jair Bolsonaro, religiös im erzkonservativen evangelikalen Lager zu Hause, indigene Rechte herunterschraubte und so illegalen Holzfällern und Goldgräbern den Zugang zu indigenen Territorien erleichterte, war es die kirchliche Organisation Cimi, die Menschenrechtsverletzungen dokumentierte und öffentlich machte.

Als die Covid-19-Pandemie im Amazonas wütete, war es das Repam-Netzwerk, das wöchentlich über die Auswirkungen berichtete, die Toten zählte, die fehlende Gesundheitsversorgung öffentlich anprangerte. Priester, Bischöfe und Kardinäle erhoben die Stimme für die Indigenen.

Diese neuen kirchlichen Organisationen sind auch eine Konsequenz aus der Umweltenzyklika "Laudato si" von Franziskus. Darin fordert und wirbt der erste Papst aus Lateinamerika für ökologische und soziale Nachhaltigkeit - auch als Christenpflicht. Die katholische Kirche des Kontinents ist also dabei, den Schulterschluss mit den indigenen Organisationen zu suchen. Spät, aber vielleicht nicht zu spät, erkennt die Kirche, dass indigene Rechte mindestens gleichwertig zu behandeln sind wie eigene spirituelle Ansprüche.

Stolz auf Herkunft

Und doch gibt es in vielen indigenen Kulturen den Wunsch nach Autonomie, nach Wertschätzung der eigenen spirituellen Wurzeln. In Chile äußert er sich radikal, in anderen Ländern weitaus weniger laut, dafür aber ebenso bestimmt. Indigene Religionen, vom Christentum in den vergangenen 500 Jahren abgelöst und zur Bedeutungslosigkeit verurteilt, erleben in Lateinamerika eine schleichende Rückkehr.

Vor allem junge Indigene interessieren sich für ihre spirituellen Wurzeln, wollen alles über ihre religiösen Hintergründe aus jener Zeit wissen, als es noch keine Europäer in Amerika gab und das Christentum dort gar nicht existierte. Wer heute durch lateinamerikanische Universitäten schlendert, sieht, dass indigene Studierende stolz sind auf ihre Herkunft und das auch zeigen.

In Brasilien gibt es ähnlich wie in anderen Ländern inzwischen Ministerien für indigene Völker. Dort werden solche Themen bereits besprochen. Das Thema indigene Religion ist dabei nicht isoliert zu betrachten. Auch die zahlreichen Religionen und Rituale, mitgebracht von aus Afrika brutal verschleppten Sklaven, haben bis heute überlebt. Sie sehen sich aber zum Beispiel in Brasilien immer wieder Angriffen radikaler Evangelikaler ausgesetzt, die ihnen die Daseinsberechtigung absprechen.

Die afro-lateinamerikanische Bevölkerung ist ebenfalls dabei, ihre Forderung nach Augenhöhe zu formulieren. In Rio de Janeiro gibt es etwa immer wieder Übergriffe auf afro-brasilianische Kulturstätten, die - offenbar von radikalen Christen - mutwillig zerstört werden. Bislang gibt es nur wenige Stimmen, die das öffentlich kritisieren. Das könnte sich bald ändern.

Autor: Tobias Käufer (KNA)

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