Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Ecuador |

"Die Ablehnung nimmt zu"

Mauricio Burbano ist Soziologe mit dem Fachgebiet Migration in Ecuador. Wir sprechen mit ihm über die Situation der venezolanischen Flüchtlinge in Ecuador. Er arbeitet an der Päpstlichen katholischen Universität von Quito und ist Vizedirektor des Jesuitischen Hilfsdienstes für Flüchtlinge (JRS)in Ecuador. Er ist 47 Jahre alt.

Mauricio Burbano (Foto: Knut Henkel)

Ecuador ist nach Peru und Kolumbien das Land Lateinamerikas, welches am meisten Migranten aus Venezuela aufgenommen hat. Peru hat Anfang Juni erklärt, dass alle Neuankömmlinge aus Venezuela Papiere vorweisen müssen – könnte das Beispiel Schule machen?

Für die Migranten aus Venezuela ist das eine Hürde, denn die wenigsten haben Papiere und laut den Aussagen der Flüchtlinge dauert es Monate, wenn nicht Jahre, um einen Ausweis zu erhalten. Grundsätzlich werden die Flüchtlinge mehr und mehr als ein Sicherheitsproblem gesehen – da ändern sich die Positionen.

Ist das in Ecuador auch der Fall? Hier haben doch mehrere Konferenzen stattgefunden, um die Hilfe für Flüchtlinge zu koordinieren. Zudem hat die Regierung ein integrales Hilfsprogramm für Flüchtlinge im November 2018 angekündigt. Wie macht es sich in der Realität bemerkbar?

In Quito haben drei Konferenzen zur Situation der Flüchtlingen stattgefunden, um die Arbeit zwischen den betroffenen Länder von Kolumbien bis Chile zu koordinieren. Das ist eine positive Initiative gewesen. Die Regierungen haben allesamt bestätigt, dass sie einer humanitären Katastrophe gegenüberstehen und helfen müssen und auch wollen. Das Problem ist, dass es an Geld fehlt – auch hier in Ecuador. Die Regierung weiß, dass die Krise anhält, keine Lösung in Sicht ist und das weitere Flüchtlingen in aller Regel ohne Dokumente kommen werden, aber es fehlt an Ressourcen, um ihnen wirklich umfassend zu helfen. Das ist auch Teil der Realität.

Ist es nicht widersprüchlich, dass Konferenzen durchgeführt werden, die Situation analysiert wird und ein integrales Programm angekündigt wird und von dem dann wenig bis gar nichts zu sehen ist?

Ja, das ist richtig. Die Regierung tut sich schwer Mittel bereitzustellen. Man hofft auf internationale Hilfe, vom UNHCR, von Kooperationspartnern, von anderen UN-Organisationen wie der UNICEF. Das langt aber nicht, um ein integrales Programm zu finanzieren - das ist die Grundkonstellation.

Von Seiten der Flüchtlinge ist der Vorwurf zu hören, dass die Regierung Ecuadors internationale Mittel erhält, sie aber nicht für sie ausgibt – was halten Sie davon?

Die Regierung erhält internationale Unterstützung, das ist richtig. Ob und in welchem Umfang dieses Geld ausgegeben, kann ich nicht beurteilen. Es ist jedoch auch richtig, dass die fünf privaten, meist kirchlichen Herbergen in Quito allesamt keine Mittel von der Regierung erhalten. Das im November angekündigte integrative Programm ist zumindest hier in Quito nicht spürbar. Ob das an der Grenze anders ist, kann ich nicht beurteilen.

Auf den Straßen Quitos nimmt die Ablehnung der Flüchtlinge aus Venezuela zu – warum?

Die Konkurrenz der Straßenhändler in Quito ist immens. Ähnlich sieht es auf dem Markt der Tagelöhner aus - die Konkurrenz ist immens. Das passt den einheimischen Händlern nicht, zumal wir uns in einer ausgewachsenen Wirtschaftskrise befinden - die Ablehnung nimmt zu. Hier an der Universität ist die Situation hingegen vollkommen anders. Mehrere Dozenten aus Venezuela arbeiten hier, sind gut integriert und ich bin mit einem befreundet. Es hängt auch davon ab, wo man fragt. Generell ist die Angst vor der Armut und Kriminalität deutlich größer geworden – das war in den ersten Jahren der Migration aus Venezuela anders. Da kamen die Bessergestellten, die Besserausgebildeten, die hier vorher Kontakt geknüpft hatten. Heute sind es die Armen, die kommen, die schon in Venezuela Ausgeschlossenen – da tauchen ganz andere Problem auf.

Auch Schulprobleme?

Ja, definitiv. Es gibt viele Kinder aus Venezuela, die in Ecuador leben und nicht zur Schule gehen. Es fehlt an Plätzen, nicht nur dort auch an den Universitäten – wir haben es mit einem strukturellen Defizit zu tun und daher ächzt das System. Daher werden venezolanischen Familien oft Schulplätze angeboten, die weit entfernt sind – falls sie überhaupt welche angeboten bekommen.

Offenbart die Migrationskrise in Venezuela neue Probleme?

Eigentlich war das Ziel, dass alle Menschen in Lateinamerika mit dem Ausweis reisen dürfen. In der Realität sind wir davon weit entfernt und die Initiative, Perus Papiere von den Venezolanern zu fordern, ist ein Rückschritt.

Interview von Knut Henkel

Weitere Nachrichten zu: Soziales

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz