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Mexiko |

Der Staat bin ich - Mexikos Präsident regiert autoritär

Kurz vor den Wahlen wird Mexikos Linkspräsident López Obrador immer autoritärer. Er schwächt Institutionen und die Justiz, aber hätschelt die Militärs.

Andrés Manuel López Obrador feiert am 1. Juli 2018 seinen Wahlsieg vor Anhängern in Mexiko-Stadt. Foto: AMLO, Armando Simonin, CC BY-NC 4.0

Andrés Manuel López Obrador feiert am 1. Juli 2018 seinen Wahlsieg vor Anhängern in Mexiko-Stadt. Foto: AMLOArmando SimoninCC BY-NC 4.0

Es sind unruhige Tage in Mexiko. Und das liegt nicht daran, dass Corona im zweitgrößten Land Lateinamerikas die Menschen tötet wie sonst nur in den USA, Brasilien und Indien. Die Pandemie ignorieren die Mexikaner nach Kräften, gerade so, als wäre sie in dem Land bereits überwunden. Was die Menschen spaltet und bewegt, ist die Politik ihres Präsidenten Andrés Manuel López Obrador. Denn es ist Wahlkampf, am 6. Juni werden das Parlament erneuert und in 15 der 32 Staaten neue Gouverneure bestimmt. 
 
Und es geht um viel. Der Staatschef will noch mehr Macht für sein Projekt des Staatsumbaus, die „Vierte Transformation“. Die schwache Opposition und vor allem die Wirtschaft hoffen, dass der Durchmarsch des Linksnationalisten irgendwie gestoppt wird. Sie sehen demokratische Prinzipien im Land in Frage gestellt und den guten Ruf Mexikos als Investitionsstandort gefährdet. 

Polarisierung und Polemik vor den Parlamentswahlen

Dass es um viel geht, sieht man an vielen Wahlplakaten, an täglichen Wahlveranstaltungen in relativ kleinem Kreis unter freiem Himmel. Und man merkt es jeden Tag um 7.00 Uhr morgens während der täglichen Pressekonferenz des Präsidenten. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass der Staatschef oder seine Mitarbeiter Angriffe auf die Institutionen starten, der Presse drohen oder Verschwörungstheorien Futter geben. Wahlkampf in Zeiten von López Obrador bedeutet Polarisierung, Polemik und Pathos. Der 67-jährige, als großer demokratischer Erneuerer und Hoffnungsträger vor zweieinhalb Jahren gewählt, wird dabei zunehmend zum Autokraten. Der Staat bin ich, lautet sein Motto, mit dem er versucht, die Institutionen zu marginalisieren, widersprechende Minister entsorgt, unabhängige Medien anfeindet und sich mit „Claqueren und Handküssern“ umgibt, wie Kritiker sagen.

Schwache Institutionen - starke Militärs

López Obrador wirft Journalisten, Wahl-, Sozial-, und Statistikbehörden, der Justiz sowie privaten Investoren vor, Statthalter der „neoliberalen Vorgängerregierungen“ zu sein. Er behauptet stets, unabhängige Richter, die seine Gesetzesprojekte stoppen, wollten die „junge mexikanische Demokratie“ verhindern. Und wenn die Wahlbehörde INE Kandidaten seiner Partei Moreno ablehnt oder die Sozialbehörde Coneval den Erfolg seiner Armutsbekämpfung in Frage stellt, droht er den Institutionen kurzerhand mit Abschaffung. Einzig mit den Streitkräften kuschelt er. Im In- und Ausland wird mit Besorgnis wahrgenommen, mit welcher Machtfülle der Präsident die Militärs ausstattet. Die Streitkräfte fungierten inzwischen wie eine Prätorianergarde des Präsidenten, sagt der Analyst Edgardo Buscaglia, intimer Mexiko-Kenner und Dozent an der New Yorker Columbia-Universität. 
 
Die Militärs werden nicht nur wie eh und je im Kampf gegen die Kartelle und gegen Migranten eingesetzt. Sie bekommen auch immer mehr zivile Aufgaben. Der Aufbau eines staatlichen Bankennetzes wird von den Streitkräften ebenso übernommen wie der Bau von Zugstrecken, und die Verteilung von Coronaimpfstoffen ist auch den Uniformierten übertragen, die der linke Präsident das „uniformierte Volk“ nennt.
 
„In einem Land wie Mexiko, in dem Teile des Staates vom Organisierten Verbrechen gekapert sind, erscheinen die Streitkräfte dem Präsidenten als einzig verlässliches Staatsorgan“, urteilt Experte Buscaglia im Gespräch. Zudem dürfe man seine Herkunft aus den autoritären Strukturen der früheren Regierungspartei PRI nicht vergessen. „Der Autoritarismus wurde López Obrador in die Wiege gelegt“.

HRW: Justizreform ist Angriff auf den Rechtsstaat

In dieser Hinsicht der bisher bedenklichste Coup ist eine Justizreform, mit welcher der Präsident den Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs, Arturo Zaldívar, einen der wenigen ihm wohl gesonnenen Richter, im Amt bestätigte, dabei aber die Verfassung flagrant verletzte. Mexikos Verfassung sieht eine Begrenzung des Mandats der Obersten Richter auf vier Jahre vor, ohne Möglichkeit der Wiederwahl. Kurz vor der Verabschiedung der Reform im Senat hatte Morena den Passus mit der Verlängerung der Amtszeit klammheimlich in die Vorlage eingefügt. Und so kann Richter Zaldívar sein Amt bis zum 30. November 2024 behalten. Das ist der letzte Tag der Amtszeit López Obradors.
 
Dieser Coup sei ein „Frontalangriff auf den Rechtsstaat, der die Glaubwürdigkeit der Justiz beschädigt", echauffiert sich José Miguel Vivanco, Regionaldirektor der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“. Die Aktion ziele eindeutig darauf ab, die einzige Staatsgewalt zu kontrollieren, die bisher noch nicht auf López Obradors Linie sei.
 
Die Mexikaner scheinen die autoritären Volten ihres Präsidenten nicht zu stören. López Obradors Partei Morena wird nach allen Prognosen die Wahl in vier Wochen gewinnen und dem Staatschef im Parlament und in den Bundesstaaten für die übrigen zweieinhalb Jahre im Amt mehr Handlungsfreiheit geben. 

Wirtschaft sieht Investionen gefährdet

Mexikos Unternehmer und internationale Investoren sehen hingegen einigermaßen perplex, mit welcher Nonchalance der Linksnationalist liberale Wirtschaftsreformen seiner Vorgänger korrigiert. López Obrador lässt sie im Fast-track-Verfahren im Parlament abschaffen, sichert staatlichen Energie-Monopolisten maximale Vorteile und setzt auf teure fossile Energie und bringt so 26-Milliarden-Dollar-Investitionen vor allem ausländischer Investoren in die Sonnen- und Windenergie in Gefahr. 
 
Schon vergangenes Jahr fielen die ausländischen Direktinvestitionen um fast zwölf Prozent, wobei dabei auch Corona eine Rolle spielte. Aber Wirtschaftsvertreter klagen, dass die zweitgrößte Ökonomie Lateinamerikas kein wirklich verlässlicher Investitionsstandort ist, wenn die Spielregeln von jetzt auf gleich geändert werden können. Nur nicht in dieser Hinsicht schadet die Politik des Präsidenten dem bisher fast tadellosen Ruf Mexikos. 

Autor: Klaus Ehringfeld, Mexiko

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