Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Honduras |

"Der positive Effekt lässt auf sich warten"

Ismael Moreno Soto heißt der jesuitische Pfarrer, der in Honduras als Padre Melo bekannt ist. Der 64-Jährige ist ein fundierter Kritiker der Verhältnisse im Land, Projektpartner des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, und wirbt auch gegenüber der neuen Regierung von Xiomara Castro für mehr Mut zur Veränderung. Bisher mit durchwachsenem Erfolg.

Ismael Moreno Coto, genannt Padre Melo, arbeitet beim kirchlichen Radio Progreso in San Pedro Sula, Honduras. Der Adveniat-Projektpartner setzt sich gegen Ungerechtigkeiten ein und gibt denen eine Stimme, die von der Politik oft nicht gehört und vergessen werden. Foto: Adveniat/Jürgen Escher

Vierzehn Monate nach der Vereidigung von Xiomara Castro in Honduras macht sich Ernüchterung breit. Viele ihrer Wählerinnen und Wähler haben mehr erwartet. Zu Recht?

Ja, definitiv. Allerdings sind die Erwartungen an die Regierung von Xiomara Castro auch sehr hoch gewesen – genauso wie ihre Ankündigungen. Von denen hat sie längst nicht  alle erfüllen können.  

Die Regierung hat im Dezember den Ausnahmezustand verhängt um Bandenkriminalität einzudämmen. Ein Erfolg?

Das Gros der Bevölkerung lebt unter dem Ausnahmenzustand, den die Präsidentin nach El Salvadorianischem Beispiel seit dem 6. Dezember in den beiden großen Metropolen des Landes verhängt hat: in Tegucigapla und San Pedro Sula sowie dem direktem Umland dieser Städte. Allerdings hat der Ausnahmezustand nicht die gewünschten Effekte erbracht, denn die Gewalt ist nicht zurückgegangen. Die Zahl an Morden, Entführungen, aber auch an Massakern ist nahezu unverändert. Gleichwohl gibt es recht große Bevölkerungsschichten, die die Maßnahmen begrüßen – weil sie auf einen positiven Effekt hoffen. Der lässt jedoch auf sich warten.

Die Präsenz und die Handhaben von Polizei und Militärpolizei sollen jedoch auch dazu führen, dass transsexuelle Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter immer wieder in den Fokus der Repression geraten – ist dem so?

Alle Daten bestätigen das. Die Mordquote an LGBTIQ-Menschen ist im letzten Jahr auf 46 gestiegen. Das ist mehr als im Vorjahr und auch in diesem Jahr ist die Tendenz der ersten Monate alles andere als positiv. Die Menschenrechtsbilanz unter der Regierung Castro hat sich nicht gebessert. Laut allen vorliegenden Zahlen ist die heutige Situation schlechter als die vor einem Jahr - direkt nach der Vereidigung von Xiomara Castro. 

Immerhin scheint es Fortschritte im Justizsystem zu geben...

Ja, das ist richtig. Es wurden die 15 höchsten Richter und Richterinnen des Landes vereidigt und so ein Signal für den Aufbau einer unabhängigen Justiz gehisst. Aber so ein Neuaufbau einer Justiz ist ein langer Prozess, braucht viel politischen Willen und Durchsetzungsvermögen. Hinzu kommt, dass es anscheinend Auslieferungsbegehren von Seiten der USA gibt, die die derzeitige Regierung unter Druck setze. Es kursieren Namen, die eng verbunden sind mit der Regierungspartei Libre. Das ist ein Problem und deshalb scheint es ein Abkommen zwischen der Partido Nacional des autoritären Ex-Präsidenten Juan Orlando Hernández, der Liberalen Partei und Libre zu geben, um die Kriterien für die Auslieferung höher zu hängen. Da sollen sich alle Parteien einig sein – es wird gekungelt. 

Aber die Regierung verhandelt doch mit den Vereinten Nationen über die Einrichtung einer UN-Kommission gegen Straflosigkeit und Korruption (CICIH) – widersprechen derartige Projekte nicht diesem Vorhaben?

Ja, sie sind nicht förderlich, um die von der Bevölkerung gewünschte CICIH nach Tegucigalpa zu holen. Die Parteien haben sich eingerichtet, es ist nicht neu, dass es Absprachen gibt und allen Informationen zufolge haben diese drei Parteien sich auf einen Generalstaatsanwalt verständigt und dessen Stellvertreter. 

Das ist alles andere als ein transparenter Prozess. Die Intransparenz kann durchaus auch das Projekt der Einrichtung der CICIH gefährden – denn die verlangt Transparenz und keine Vorgaben. Doch genau die wollen die Parteien, um die eigenen Leute zu schützen. Das ist ein gravierendes Problem.

Ein anderes Problem, welches die Regierung beseitigen wollte, aber es anscheinend nicht kann, ist die Ermordung von Umweltschützerinnen und Umweltschützern. Mehrere Aktivisten gegen das Förder- und Nickelverarbeitungsprojekt nahe Guapinol wurden seit Jahresbeginn ermordet, auch mehrere Garifuna-Aktvistinnen, die sich für ihre Landrechte engagierten, fielen Attentate zum Opfer. Wieso gibt es keinen Schutz, keine Sicherheit für bekannte Umwelt- und Landrechtsaktivistinnen und -aktivisten?

Die eine Ursache ist die extrem schlechte Ausstattung des Ministeriums für Menschenrechte, die andere der fehlende politische Wille.  Der Schutzmechanismus ist in den Händen von Polizeikräften, nicht von den geschulten Mitarbeitern des Ministeriums. Zudem erhalten fragwürdige Personen Schutz durch die Regierung – es gibt dort definitiv Missstände. Davon sind Aktivistinnen und Aktivisten in Guapinol genauso wie in San Pedro Sula und Tegucigalpa betroffen. 

Das wirft kein gutes Licht auf die Institutionen ...

Nein, sie arbeiten meist unter prekären Bedingungen, es gibt viele Probleme, auch strukturelle. Der entscheidende Faktor ist die Straflosigkeit und an dem hat sich nichts oder nur wenig geändert – wir stehen am Anfang eines Reformprozesses mit enormen internen Widerständen. 

Wir beobachten also eine Restrukturierung der politischen Macht – mit ungewissem Ausgang?

Die Generalstaatsanwaltschaft ist die Zentrale der alten Macht und ihre Neubesetzung wird die Kräfte-Verhältnisse verändern, aber schon die Tatsache, dass über die Personalentscheidung verhandelt wird, ist bezeichnend. Die amtierende Regierung ist weit davon entfernt auch die Macht inne zu haben, Korruption und Straflosigkeit regieren mit. Es gibt durchaus guten Willen, aber Großgrundbesitzer, Bergbauinvestoren, Drogenbanden haben in diesem Land einfach viel Macht und daran hat sich mit dieser Regierung nichts geändert.

Lucky Medina, der Umweltminister, hatte die Überprüfung aller Bergbaulizenzen angekündigt, die Präsidentin wollte Honduras zum bergbaufreiem Land machen – aber die Realität sieht anders aus, richtig?

Leider ja, und die Ermordung von mehreren Aktivisten aus Guapinol bestätigt das. Aber es gibt auch noch ein weiteres Problem: es gibt einen Interessenskonflikt. Das Unternehmerpaar, welches in Guapinol investiert hat, ist eng mit der Familie Zelaya verbunden. Lenir Pérez und mehr noch seine Ehefrau Ana Facussé sind persönliche Freunde der Präsidentenfamilie. Das lässt sich anhand von Fotografien von Feiern auch belegen – das ist ein Problem. Mehr Distanz der Präsidentenfamilie wäre wünschenswert, aber die gibt es nicht. 

Das sorgt für eine interne Blockade der Regierung – kann man das so sagen?

Ja, ich denke schon, denn die familiären Interessen stehen aus meiner Sicht über den Gesetzen und das ist eine Katastrophe, denn es fördert die Vetternwirtschaft auf allen Ebenen. Das ist ein Kernproblem des Landes – auf allen Ebenen.

Das Interview führte Knut Henkel

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