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Kolumbien |

Der neue Star am kolumbianischen Politik-Himmel

Nicht die Präsidentschaftskandidaten, sondern die afro-kolumbianische Umweltaktivistin Francia Márquez sorgt im Wahlkampf in Kolumbien für das größte internationale Medienecho. Sogar US-Superstar Snoop Dogg wirbt für die potentielle Vizepräsidentin, die sich sehr gute Leibwächter suchen sollte.

Die kolumbianische Politikerin und Umweltschützerin Francia Márquez zu Gast im europäischen Parlament. Foto: Francia Márquez, The Left, CC BY-SA 4.0

Die kolumbianische Politikerin und Umweltschützerin Francia Márquez zu Gast im europäischen Parlament. Foto: Francia Márquez, The LeftCC BY-SA 4.0

Rund 71 Millionen Menschen folgen Snoop Dogg auf Instagram. Für sie hatte der US Rapper am Wochenende eine besondere Botschaft: „Francia Marquez, die afro-kolumbianische Landverteidigerin bewirbt sich, die erste schwarze Vizepräsidentin Kolumbiens zu werden“, schrieb einer der populärsten afroamerikanischen Musikstars und Produzenten weltweit in seiner Status-Botschaft. Damit ist der Hype um Márquez (40) auch in den USA angekommen. Sie ist schon jetzt eine Symbolfigur der auch in Kolumbien stärker werdenden feministisch-ökologischen Bewegung.

Seit Linkskandidat Gustavo Petro, ein ehemaliges Mitglied der Guerillabewegung M19, Márquez nach einigem Zögern zu seiner Vizepräsidentschaftskandidatin erklärt hat, ist ein internationaler Medienhype ausgebrochen. Das Duo repräsentiert den sogenannten „Historischen Pakt“, der einen Politikwechsel bei den Wahlen Ende Mai erreichen will. Bisweilen strahlt das Licht der Nummer zwei in diesem Zweckbündnis schon jetzt etwas kräftiger als das der Nummer eins. Die Umfragen führen Petro/Márquez mit rund 37 Prozent deutlich an, nicht nur die lateinamerikanischen Medien blicken nun gespannt auf den Wahlkampf.

Feministin und Umweltaktivistin

„Ich bin Francia Márquez und möchte Ihre Vizepräsidentin werden“, sagte die Kolumbianerin bei ihrer Rede vor wenigen Tagen und setzte dabei bewusst auf eine inklusive Wortwahl. Sie soll eine verbale Einbeziehung der „Ausgegrenzten“ garantieren und brachte das Wort „Mayoras“ in die Debatte ein, womit „weise Frauen“ gemeint seien. Sie traf damit offenbar einen Nerv, den sofort entbrannte in den kolumbianischen Medien und den Netzwerken eine Debatte über ihre inklusive Sprache.

Francia Márquez (40) stammt aus der von der Gewalt besonders heimgesuchten Unruheprovinz Cauca. Anders als Petro, der in jungen Jahren Mitglied der linksextremen gewalttätigen Guerilla-Organisation M19 war, ging Márquez stets den Weg des pazifistischen Widerstands gegen illegalen Bergbau und die strukturelle Benachteiligung der Landbevölkerung, setzte auf kreative und letztendlich auch erfolgreiche Formen des Protests. Das brachte ihr 2018 den renommierten Goldman Environmental Preis ein, eine Auszeichnung für engagierte „Umwelt-Helden“, der auch mal als Umwelt-Nobelpreis bezeichnet wird. Sie gilt als unbestechlich. Bilder, die sie betrunken bei einem Wahlkampfauftritt zeigen, wie sie jüngst von Petro die Runde machten, wären bei Márquez schlichtweg undenkbar. 

Sehnsucht nach Politikwechsel

Márquez Rolle ist klar definiert: Sie soll für Petro die Stimmen der Armen, der afrokolumbianischen und der indigenen Bevölkerung einsammeln. Und jener der sozialen Protestbewegung von Schülern und Studenten, die 2019 ihren Ursprung nahm und teilweise mit brutaler Polizeigewalt beantwortet wurde. Diese Generation sehnt sich nach einem Politikwechsel, nachdem in den vergangenen Jahrzehnten vor allem Kolumbiens Rechte die nationale Politik dominierte. Vor allem aber soll sie jene gegenüber dem „Pacto Historico“ zurückhaltenden Wähler überzeugen, die Angst vor Petro haben. Nicht wenige Kolumbianer sehen in Petro wegen dessen bisweilen linkspopulistischen Diskurses und seiner Guerilla-Vergangenheit einen potentiellen Autokraten wie Venezuelas Nicolás Maduro oder Nicaraguas Daniel Ortega. 

Kandidatin der Indigenen und Afrokolumbianer

Márquez könnte aber zu einer Stimmenmagneten an der vernachlässigten Pazifikküste werden, wo sich laut Nationaler Indigenen Organisation ONIC zuletzt Dutzende Jugendliche das Leben nahmen. Aus Angst von linken Guerillabanden oder rechten Paramilitärs für deren brutalen Kriege um die Vormachtstellung im illegalen Drogenhandel oder dem Bergbau zwangsrekrutiert zu werden. Dort wo links- und rechtsextreme Gruppen für Massaker und Gemetzel verantwortlich sind, haben die Menschen fast jedwedes Vertrauen in die abwesende Nationalregierung verloren. Márquez aber ist eine aus ihren Reihen. Gegen die internationale mediale Euphorie, mit der Márquez empfangen wird, verblasst die zweite prominente afrokolumbianische Vizepräsidentschaftskandidatur von Luis Gilberto Murillo. Der Ex-Gouverneur des Chocó, kämpft an der Seite des Mitte-Kandidaten Sergio Fajardo für die „Koalition der Hoffnung.“ Dritter aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat im Bunde ist der konservative „Fico“ Gutierrez.

Gegen mächtige Interessen

Besonders interessant im Wahlkampfprogramm von Márquez ist der Vorschlag, die „Abhängigkeit vom Bergbau“ in Zukunft grundsätzlich zu beenden und mit dem „Umbau in eine produktive Wirtschaft basierend auf Respekt vor der Natur“ zu beginnen. Angesichts steigender Rohstoffpreise und -nachfrage weltweit wächst allerdings auch in Kolumbien der Gewinn mit legal wie illegal gewonnen Rohstoffen. Die illegale Exploration wiederum wird kontrolliert von Paramilitärs und Guerillabanden, die gemeinsam mit korrupten Politikern und Unternehmern die internationale Nachfrage bedienen. Für deren Fortbestehen ist Márquez angekündigte Umweltpolitik eine echte Gefahr. Sie sollte sich in einem Land in dem nahezu wöchentlich Umweltaktivisten ermordet werden, gute Leibwächter zu legen. Denn um einen Wahlkampf erfolgreich zu bestreiten, muss ihn Márquez auch erst einmal überleben.

Autor: Tobias Käufer, Bogotá

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