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Mexiko |

Der mexikanische Patient

Kurz vor seiner Erkrankung war López Obrador noch guter Dinge und wünschte US-Präsident Joe Biden alles Gute

Eigentlich war es ja unmöglich, dass sich der Mann, der bei öffentlichen Veranstaltungen nie eine Maske trug, mit dem Coronavirus anstecken konnte. Denn Andrés Manuel López Obrador hatte ja alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen, die seiner Meinung nach am besten gegen eine Ansteckung helfen: nicht zu lügen, nicht zu klauen und nicht zu betrügen. Die mexikanischen AHA-Regeln quasi.

Außerdem schwor der mexikanische Präsident auf ein Amulett als sein ganz persönliches Schutzschild. Auf den Märkten in Mexiko-Stadt war das López Obrador-Corona-Kit namens "Stopp, Feind!" jedenfalls der Renner: fünf schlappe Euro für eine Flasche Öl mit dem Foto des Staatschefs, ein Amulett und ein Jesusbildchen.

Es hat alles nichts genutzt: Am Sonntag teilte der 67-Jährige, der 2013 einen Herzinfarkt erlitt und unter Bluthochdruck leidet, über Twitter mit, dass er an COVID-19 erkrankt sei. "Wie immer bin ich optimistisch" erklärte der Regierungschef des Landes, das mit mehr als 150.000 Menschen die viertmeisten Corona-Toten weltweit zu beklagen hat. Er sei in ärztlicher Behandlung und habe nur leichte Symptome.

Menschen müssen zum Impfstoff kommen, nicht der Impfstoff zu den Menschen

Die Nachricht des erkrankten Präsidenten befeuert alle möglichen Verschwörungstheorien: Manche Mexikanerinnen und Mexikaner glauben, der Präsident hätte sich gar nicht angesteckt, andere, er sei schon längst geimpft worden. Auf jeden Fall kommt sie zur Unzeit, denn auch Mexiko debattiert gerade hitzig, genauso wie Deutschland, über den stotternden Impfstart. "Das letzte, was das Land jetzt gebrauchen kann, ist eine Krise, weil der Präsident nicht präsent ist", sagt Xavier Tello.

Der Chirurg ist eine Art Schatten-Gesundheitsminister, sein Wort hat bei Politikern und in den Medien Gewicht - wer wissen will, was Mexiko gut bei der Corona-Bekämpfung macht und was nicht so gut läuft, muss den Gesundheitsexperten Nummer Eins im Land anrufen. "Impfdosen zu haben ist nicht das Gleiche wie zu Impfen. Was nützt der beste Impfstoff, wenn der Impfprozess nicht funktioniert? Hier gilt das Prinzip: Die Menschen müssen zum Impfstoff kommen und nicht der Impfstoff zu den Menschen."

Lange Zeit war Mexiko mächtig stolz darauf, dass lateinamerikanische Rennen um die erste Impfung in der Region mit sage und schreibe zwölf Stunden Vorsprung vor Chile gewonnen zu haben. María Irene Ramírez, Oberschwester auf einer Intensivstation eines Krankenhauses in der Hauptstadt, wurde als erste Mexikanerin geimpft. Live im Fernsehen, von der Regierung hübsch verpackt als "erstes Weihnachtsgeschenk an das Volk", pünktlich am 24.Dezember.

Der Bestellprimus Lateinamerikas für Impfstoffe schwächelt bei der Logistik

Aber nun erreichen die Mexikaner auch weniger märchenhafte Geschichten. Von der ersten Impfgruppe, den Ärzten und Krankenpflegern zum Beispiel, die sich auf den weiten Weg zu den zu Impfzentren umfunktionierten Kasernen machen müssen und dabei einen kompletten Tag verlieren, statt auf den Intensivstationen um das Leben von Corona-Patienten zu kämpfen.

"Wir haben hier lange Schlangen von Menschen, die fünf bis sechs Stunden vor den Impfzentren warten müssen für eine Impfung von gerade einmal zehn Minuten", kritisiert Tello, "so verspielen wir leichtfertig den Vorteil der bestellten Impfdosen, weil wir nicht über die Logistik verfügen wie zum Beispiel die USA und Israel."

Für seine 126 Millionen Einwohner hatte Mexiko frühzeitig bilateral Verträge mit BioNTech-Pfizer über 34,4 und AstraZeneca über 77,4 Millionen Dosen abgeschlossen. Das britisch-schwedische Vakzin soll planmäßig Ende März ins Land kommen. Zahlen, von denen andere lateinamerikanische Länder nur träumen können: Viele von ihnen sind vollkommen leer ausgegangen.

Viel Bürokratie, wenig Digitalisierung

Doch was nützen die besten Deals, wenn der Impfprozess zu langsam und bürokratisch ist. "Wir arbeiten hier mit Listen auf Papier, die kontrolliert und jedes Mal unterzeichnet werden müssen, weil wir kein digitales System für die Impfungen haben", so Gesundheitsexperte Tello.

642.105 Impfdosen von BioNTech-Pfizer hat Mexiko in einem guten Monat verimpft. Bei der Impfquote liegt das Land damit bei gerade einmal 0,5 Impfungen auf 100 Einwohner. Zum Vergleich: Deutschland rangiert bei 2, der weltweite Impfchampion Israel bei 40. Zu wenig für die hohen mexikanischen Ansprüche.

Nur: Es wird die nächsten Wochen nicht besser. Weil die Vereinten Nationen Druck machen, auch wirtschaftlich schwächere Staaten mit dem heiß begehrten Impfstoff zu versorgen, sitzt Mexiko bei BioNTech-Pfizer in den nächsten Wochen auf dem Trockenen.

China und Russland springen beim Impfstoff ein

"Die Mexikaner, die bereits einmal geimpft wurden, werden langsam nervös, weil sie sehen, dass die zweite Impfdosis schlichtweg nicht da ist. Und bis zum 15. Februar wird es auch keine zweite Impfung von BioNTech-Pfizer geben", sagt Xavier Tello.

Das Vakuum sollen, wieder einmal, alte Bekannte füllen. Wie so oft in den letzten Jahren, wenn in Lateinamerika irgendwo der Schuh drückt, sind China und Russland flugs zur Stelle. Der chinesische Hersteller CanSino liefert 35 Millionen Impfdosen nach Mexiko, die ersten 200.000 der 24 Millionen vereinbarten russischen Sputnik V-Dosen sollen nach einem Gespräch zwischen López Obrador und seinem Amtskollegen Wladimir Putin schon nächste Woche eintreffen.

Der Präsident, der einmal gesagt hatte, er werde erst wieder eine Maske tragen, wenn die Korruption in Mexiko beendet sei, will übrigens mit gutem Beispiel vorangehen: Kurz vor seiner Erkrankung erklärte Andrés Manuel López Obrador, er werde sich auf jeden Fall impfen lassen. Ursprünglicher Impftermin: Ende Februar. Geplanter Impfstoff: aus China.

Autor: Oliver Pieper, Deutsche Welle 

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