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Der Gipfel der Zwietracht in Amerika

Für die USA wird das Regionaltreffen in Los Angeles kommende Woche zu einem Fiasko. Mexiko und andere Länder boykottieren den 9. Amerika-Gipfel, weil US-Präsident Joe Biden nur demokratisch regierte Länder zum Gipfel einlädt.

Panorama von Los Angeles in den USA. Hier beginnt am Montag, 6. Juni 2022, der viertägige Amerika-Gipfel. Foto (Symbolfoto): Flickr, CCO1.0

Panorama von Los Angeles in den USA. Hier beginnt am Montag, 6. Juni 2022, der viertägige Amerika-Gipfel. Foto (Symbolfoto): Flickr, CCO1.0

Die Agenda für den Gipfel steht seit Wochen: Klimawandel, saubere Energie, Gesundheit, Demokratie, Digitalisierung und vor allem Migration wollen die Staats- und Regierungschefs des amerikanischen Kontinents kommende Woche (6. bis 10. Juni) bei ihrem neunten Treffen in Los Angeles besprechen. Was hingegen wenige Tage vor Beginn noch nicht steht, ist die Teilnehmerliste. Gezielte Nicht-Einladungen, Drohungen und Boykotte könnten das Treffen inhaltlich zu einer Farce und für US-Präsident Joe Biden zu einem PR-Fiasko werden lassen. 

Nicaragua, Venezuela und Kuba nicht willkommen

Im Kern geht es um die Frage, ob die drei linksnationalistischen und sozialistischen Staaten Nicaragua, Venezuela und Kuba dabei sein dürfen oder nicht. Das Weiße Haus hat mehr oder minder deutlich gemacht, dass die Staatschefs Daniel Ortega, Nicolás Maduro und Miguel Díaz-Canel wegen „Missachtung der Demokratie“ nicht willkommen sind. 
 
Das wiederum hat vor allem Mexiko unerwartet auf den Plan gerufen. Präsident Andrés Manuel López Obrador, der es sonst mit internationalen Gipfeln und Themen nicht so hält, hat sich nun zum Verteidiger der Ausgeladenen gemacht. Er will dem Gipfel, der am Montag mit Vorgesprächen beginnt, aus Protest fernbleiben, sollten die USA an ihrer Entscheidung festhalten.

Boykott zeugt von Selbstbewusstsein

Dem Boykott schlossen sich zunächst auch Bolivien und Argentinien an, wobei Argentiniens Präsident Alberto Fernández Ende der Woche einknickte und seine Teilnahme zusagte. Zudem bleibt Guatemalas Präsident Alejandro Giammattei dem Treffen aus bilateralen Gründen fern. Er ist sauer, weil Washington Generalstaatsanwältin Consuelo Porras wegen Korruptionsvorwürfen auf eine Sanktionsliste setzte. Immerhin hat Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro sein Kommen nach langem Zögern angekündigt.
 
Der Gipfel sollte eigentlich Washingtons neue Verpflichtung gegenüber Lateinamerika betonen und bewusst den Unterschied zu Bidens Vorgänger Donald Trump markieren. Trump war der erste US-Präsident, der einem Gipfeltreffen der Amerikas fernblieb, das etwa alle drei Jahre die Staats- und Regierungschefs von Kanada bis Chile zusammenbringt. Bill Clinton richtete 1994 in Miami den ersten Amerika-Gipfel aus, zu dem alle Länder außer Kuba eingeladen waren. Nachdem Havanna von den ersten sechs Treffen ausgeschlossen blieb, wurde es zu den vergangenen beiden in Panama und Peru eingeladen. Daher ist es verständlich, dass der neuerliche Ausschluss der Insel und anderer Staaten in Lateinamerika Widerstand hervorruft. Zudem zeigt es das gestiegene Selbstbewusstsein einiger Staaten gerade gegenüber Washington, das lange Jahrzehnte Lateinamerika als seinen „Hinterhof“ betrachtete und auch so behandelte.  

Multilaterale Themen

„Die lateinamerikanischen Regierungen wollen Washington zeigen, dass es nicht mehr am Kopf des Tisches sitzt und es sich um ein Gipfeltreffen unter Gleichen handelt“, sagt Brian Winter, Herausgeber der Zeitschrift „Americas Quarterly“, die sich mit der US-Politik in der Hemisphäre befasst. „Onkel Sam soll nicht mehr einseitig entscheiden können, wer auf der Gästeliste steht“.
 
Aber auf einem Gipfel der Zwietracht würde es schwierig, die dringenden Herausforderungen konstruktiv anzugehen, vor denen der Kontinent steht. Das sind zum einen die von der Pandemie verursachte umfassende wirtschaftliche Rezession, die galoppierende Inflation, aber auch die Dauerthemen der Umweltzerstörung, des Abbaus demokratischer Institutionen und gleichzeitigen Aufmarsches der Rechtspopulisten sowie die Frage des Umgangs mit den Flüchtlingskrisen vor allem in Zentralamerika, Mexiko und den USA.

Migrationskrise ohne Mexiko nicht lösbar

Gerade hier bliebe ohne die Teilnahme der Präsidenten Mexikos und Guatemalas jede regionale Verabredung zum Thema Migration in Los Angeles Schall und Rauch, denn beide Staaten stellen mit Honduras zusammen das Gros der Migranten. Zudem ist ein Abkommen in der Frage auch für Biden innenpolitisch vor den Zwischenwahlen im November wichtig.
 
Immerhin nimmt nun doch der radikal rechte brasilianische Staatschef Jair Bolsonaro an dem Gipfeltreffen teil, der sein Kommen lange offen gelassen hatte. Er war der engste Verbündete von Trump in Lateinamerika, und seit Biden regiert, sind die diplomatischen Beziehungen eher unterkühlt. Denn die USA kritisieren die brasilianische Umweltpolitik, insbesondere die Abholzung des Amazonas scharf. Nun aber sind in Los Angeles sogar bilateral Gespräche vorgesehen zwischen beiden Staatschefs. Die Abwesenheit Bolsonaros hätte jeden nennenswerten Fortschritt bei zwei anderen wichtigen außenpolitischen Zielen der Biden-Administration zunichte gemacht: dem Klimawandel und der Verteidigung der Demokratie.

Autor: Klaus Ehringfeld, Mexiko

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