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Chile |

Concertaciün vor Schicksalswahl

Santiago de Chile. Könnte sie erneut antreten, wäre ihr die Wiederwahl sicher: Michelle Bachelet ist mit einer Zustimmung von knapp 80 Prozent die beliebteste Staatschefin Chiles seit Umfragen existieren. Doch die 58jährige Kinderärztin hat die in Lateinamerika verbreitete Mode von Verfassungsänderungen mit dem Ziel des eigenen Machterhalts nie in Erwägung gezogen. Und damit ihre eigene Koalition, das seit 1990 regierende Mitte-Links-Bündnis “Concertación”, in die Bredouille gebracht. Denn der stehen am 13. Dezember die schwierigsten Präsidentschaftswahlen seit der Rückkehr zur Demokratie bevor.

In einer wenig transparenten parteiinternen Entscheidung hat die Concertación den Ex-Präsidenten Eduardo Frei wieder aufs Schild gehoben. Der Christdemokrat, im Volksmund wegen seiner hölzernen Art auch „sprechende Mumie“ genannt, regierte von 1994-2000 und hat kaum etwas Bemerkenswertes in der Erinnerung der Chilenen hinterlassen. In Umfragen liegt er mit 26 Prozent nicht nur klar hinter dem rechten Unternehmer Sebastian Piñera, der mit 36 Prozent der Stimmen rechnen kann, sondern muss sogar um den Einzug in die Stichwahl bangen.

Schuld daran hat Marco Enriquez-Ominami. Der 36jährige Filmemacher durfte nicht an den Vorwahlen der Concertación teilnehmen und hat sich deshalb vor wenigen Monaten per Unterschriftensammlung als unabhängiger Kandidat ins Wahlregister einschreiben lassen. Ungeniert spricht er die Themen an, um die sich die politische Elite gerne drückt: Steuerreform, Transparenz, Umwelt- und Verbraucherschutz, Bürgerbeteiligung. Chile ist trotz seines wirtschaftlichen Erfolgs eines der Länder mit der ungleichsten Reichtumsverteilung in Lateinamerika. Mit Witz und jugendlicher Frische bringt Ominami die Schwächen seiner Gegner auf den Punkt. Damit hat es der sich selbst als “liberal-progressiv” bezeichnende Politiker, der bis auf ein Parlamentsmandat in den Reihen der Sozialisten politisch unerfahren ist und der öffentlichkeit nahezu unbekannt war, auf 19 Prozent in den Umfragen gebracht.

Vor allem bei den Jungwählern kann er punkten, aber auch viele ältere, die sich enttäuscht von den traditionellen Politikern abgewandt haben, wollen ihrem Protest durch eine Stimme für Ominami Luft machen. Offenbar inspiriert von Ominamis Erfolg waren auch der 59jährige Piñera und der 67jährige Frei plötzlich sehr bemüht um ein frisches Image. Piñera ließ sich Zeitungsberichten zufolge seine Krähenfüsse liften, Frei versuchte, als Sozius auf einem Motorrad zu beeindrucken. Was Ominami mit dem Satz quittierte: „Ich tue nicht jung, ich bin jung.“ Von Frei und Piñera kam nur wenig Protest – beide liebäugeln für die Stichwahl mit dessen Stimmen.

Der Medienhype um den Rebellen lässt freilich bei Beobachtern auch manchen Zweifel aufkommen. „Er wurde von den rechten Medien aufgebauscht, um Frei zu schaden“, glaubt Marta Lagos vom Umfrageinstitut Latinobarometro. “Er hat keine Basis und wird nach der Wahl verpuffen wie ein Luftballon”, prophezeit der Politologe Carlos Huneeus. Spannend dürfte die Wahl jedenfalls werden: erstmals seit dem Ende der Pinochet-Diktatur ist in Chile die Dichotomie “Concertación gegen Rechts” aufgelöst. Ein Szenarium, das zumindest in der ersten Runde klar Piñera favorisiert. Entsprechend euphorisch ist die Stimmung in seinem Wahlkampflager. Für den millionenschweren Teilhaber der Fluglinie LAN ist es bereits der dritte Anlauf. Und noch nie lag er so weit vorne. Piñera vertritt den gemäßigten Flügel des rechten Lagers, in dem neben seiner wirtschaftsliberalen, konservativen Partei Renovacion Nacional auch die pinochetistische UDI vertreten ist. Ob seinen den Vorsprung in die Stichwahl retten kann, ist noch unklar. Sein struktureller Makel liegt nach den Worten des mexikanischen Politologen Jorge Castañeda darin, dass bei seinem Wahlsieg die politische und die wirtschaftliche Macht in den gleichen Händen läge. Frei hingegen baut darauf, dass sich die Chilenen im Zweifelsfall doch für die Kontinuität entscheiden werden und setzt auf den Regierungsapparat, den Bachelet für den Wahlkampf mobilisiert hat.

Autorin: Sandra Weiss

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