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Colonia Dignidad: Opfer kritisieren deutsche Justiz

Die Einstellung des Verfahrens gegen den Ex-Arzt der Colonia Dignidad stößt bei Opferverbänden und Angehörigen auf teils heftige Kritik. Sie beklagen Mängel bei der Untersuchung und ein Klima der Straflosigkeit.

Die Straffreiheit für den ehemaligen Arzt der Colonia Dignidad, Hartmut Hopp, hat bei Vertretern der Opfer Bestürzung ausgelöst. Foto (Archivbild): picture-alliance/dpa/M.Hernandez 

Mit Bestürzung und Unverständnis haben Anwälte und Experten in Chile auf die Entscheidung der deutschen Justiz im Fall Hartmut Hopp reagiert. Der Staatsanwaltschaft Krefeld zufolge habe sich kein eindeutiger Tatverdacht gegen den ehemaligen Arzt der Colonia Dignidad erhärten können, deshalb beendete sie in dieser Woche das seit 2011 laufende Ermittlungsverfahren. Hopp galt als rechte Hand von Paul Schäfer, dem 2010 in chilenischer Haft verstorbenen Gründer und Leiter der sektenähnlichen Siedlungsgemeinschaft in Chile. Die Colonia Dignidad diente während der Militärdiktatur in Chile als Folterzentrum des Geheimdienstes. Doch auch wegen weiterer dort begangener Verbrechen wie sexuellem Missbrauch und illegalem Waffenhandel sorgte die Sektensiedlung für Schlagzeilen.

Von all dem will der heute 75-Jährige Hopp bis zuletzt nichts gewusst haben. Jetzt wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt - als letztes von insgesamt zwölf Verfahren, die von der deutschen Justiz zu verschiedenen Zeiten gegen Mitglieder der Colonia Dignidad angestrengt wurden. Im Fall Hopp hatte die Staatsanwaltschaft Krefeld unter anderem Unterlagen aus den chilenischen Ermittlungsverfahren und aus dem Geheimarchiv der Colonia Dignidad ausgewertet, zudem seien Geschädigte vernommen worden, hieß es. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse hätten aber nicht ausgereicht, um Hopp nach deutschem Recht anzuklagen. "Diese Entscheidung ist inakzeptabel", sagte Petra Schlagenhauf, Anwältin der Opfer, gegenüber der DW. "Die Staatsanwaltschaft hat kein Interesse, in der Sache zu ermitteln. Ich habe mehrere Zeugen benannt, die Hopps Beteiligung an den Verbrechen belegen können, aber sie haben sich nie die Mühe gemacht, diese Aussagen aufzunehmen", so die Anwältin. Dazu erklärte Oberstaatsanwalt Stahl, man habe alle "erfolgsversprechenden" Zeugen befragt. Nur weil jemand damals Mitglied der Colonia Dignidad gewesen sei, könne er nicht unbedingt etwas zu den Tatvorwürfen sagen. Zudem hätten Arbeitsüberlastung und Verzögerungen bei der Zusammenarbeit mit der chilenischen Justiz das Verfahren verzögert, so Schlagenhauf, dies könne aber kein Grund sein, das Verfahren einfach einzustellen.

Beschuldigungen gegen Hopp

Die Ermittlungen gegen Hartmut Hopp betrafen den Tod und das Verschwinden von politischen Gefangenen während der Zeit der chilenischen Militärdiktatur, das Verabreichen von Psychopharmaka und die Mittäterschaft in Fällen von Kindesmissbrauch durch den Gründer der Sekte, Paul Schäfer. Auch das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) mit Sitz in Berlin hatte eine Klage gegen Hopp eingereicht, in der ihm die Mittäterschaft bei Kindesmissbrauch vorgeworfen wurde. Hierfür wurde Hopp in Chile sogar schon zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Der Arzt setzte sich jedoch direkt nach dem Urteilsspruch 2011 nach Deutschland ab. "Ich weiß nicht, was die verschiedenen Staatsanwälte in den siebeneinhalb Jahren des Verfahrens gemacht haben", sagt Jan Stehle, Mitarbeiter am Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) in Berlin. "Sie sagen, sie hätten gründlich nachgeforscht, aber das ist nicht der Fall. Es ist ein Fall von Gerechtigkeitsverweigerung angesichts monströser systematischer Verbrechen, die über Jahrzehnte hinweg Hunderte von Opfern gefordert haben. Aber für die Justiz in Nordrhein-Westfalen scheint es keine Täter zu geben", meint Stehle.

"Unfähigkeit gepaart mit Bürokratie"

Gegen Hartmut Hopp wurde insgesamt über einen Zeitraum von 30 Jahren ermittelt: von 1988 bis 2010 bei der Bonner Staatsanwaltschaft aufgrund der Zeugenaussagen mehrerer ehemaliger Bewohner der Colonia Dignidad, und von 2011 bis 2019 in Krefeld. "Dieser Justizskandal zeigt, dass sich Täter jetzt in Deutschland sicher fühlen können", sagt Stehle. Er bedauere, dass "viele Opfer im Zuge dieser langwierigen Pseudoermittlungen verstorben sind, ohne Gerechtigkeit erhalten zu haben." In einer gemeinsamen Erklärung betonen Stehle, das ECCHR und Schlagenhauf, dass der Umgang mit den Verbrechen der Colonia Dignidad ein dunkles Kapitel in der Geschichte der deutschen Justiz sei. Die Betroffenen seien fassungslos und ihr Vertrauen in die deutsche Justiz sei erschüttert, so die gemeinsame Pressemitteilung.

Während die Anwälte in Deutschland weitere legale Möglichkeiten prüfen, mehren sich die kritischen Stimmen aus Chile. Hernán Fernández, Anwalt der Opfer der Colonia Dignidad, hält den Beschluss der Krefelder Staatsanwaltschaft für ein "Paradebeispiel für Unfähigkeit gepaart mit Bürokratie", und fügt hinzu, dass "alle kriminellen und mafiösen Organisationen die Botschaft bekommen haben, dass nur der Anführer der allein Schuldige ist". Fernández bedauert, dass Deutschland "trotz seines Einsatzes gegen Kindesmissbrauch, Mord und Sexualverbrechen in anderen Ländern im Fall der Colonia Dignidad geschwiegen hat". Auch Margarita Romero, Präsidentin der Vereinigung der Angehörigen und Opfer der Colonia Dignidad, lehnt die Einstellung des Verfahrens in Deutschland ab: "Hopp beteiligte sich nicht nur an den Verbrechen gegen seine eigenen Mitbürger innerhalb der Colonia Dignidad, sondern auch an der Folter und dem Verschwinden politischer Gefangener der Pinochet-Diktatur. Deutschland setzt ein sehr schlechtes Zeichen für die Straflosigkeit, indem es diese schweren Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen nicht ahndet".

Autorin: Victoria Dannemann, Quelle: Deutsche Welle

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