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Brumadinho einen Monat nach der Schlammlawine

 

In Brumadinho ist die Suche nach Vermissten auch Wochen nach dem Dammbruch an einer brasilianischen Eisenerzmine nicht vorbei. Überlebende warten auf Entschädigungen des Betreiberunternehmens. Nádia Pontes, Brumadinho.

Vier Wochen nach dem Dammbruch von Brumadinho in Brasilien ist die Suche nach Vermissten noch nicht vorbei. (Foto: DW/Nádia Pontes)

Edson Albanez kehrt zum letzten Mal zu der Ruine seines Hauses zurück, in dem er 30 Jahre lang gelebt hat. Hinter einem kaputten Eisentor türmen sich Schlamm und Trümmer. Alles, was hier einmal war - ein Haus, ein Swimmingpool, Haustiere, ein Auto, Unterlagen, Erinnerungen eines Lebens - ist dahin. Albanez' Grundstück liegt nur einen Kilometer von dem Staudamm des Rückhaltebeckens für Erzschlammreste entfernt, der am 25. Januar brach. Daraufhin bahnte sich eine riesige Schlammlawine mit 70 Kilometern pro Stunde ihren Weg und begrub ohne jegliche Vorwarnung erst die Kantine des Minenbetreibers Vale unter sich und dann Häuser der naheliegenden Kleinstadt Brumadinho.

Albanez' Ehefrau, Sirlei de Brito Ribeiro, schaffte es damals nicht, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Ihre Leiche wurde fünf Tage nach dem Dammbruch gefunden. Sie war Sekretärin für soziale Entwicklung in Brumadinho. "Mit 64 Jahren muss ich noch einmal von vorne anfangen - auf eine Art und Weise, die ich niemals erwartet hätte; ohne meine Frau, ohne mein Zuhause. Ich habe alles verloren", sagt Albanez, der 22 Jahre für Vale gearbeitet hat. Er selbst war bei einem Meeting in der 25 Kilometer südwestlich gelegenen Landeshauptstadt Belo Horizonte, als sich die Katastrophe ereignete.

Bergungstrupps finden nur noch Körperteile

In der Nähe von Albanez Grundstück sind Feuerwehrleute in der Schlammwüste, zu der Brumadinho geworden ist, immer noch auf der Suche nach 134 Vermissten. Dafür setzen sie schweres Gerät ein. 176 Leichen konnten bislang gefunden und identifiziert werden. In den vergangenen Tagen fand die Feuerwehr nur noch einzelne Körperteile. Auch diese werden einer DNA-Analyse unterzogen. Neben der Feuerwehr sind auch immer noch täglich knapp 140 Soldaten in Brumadinho und der Region im Einsatz. Am Anfang waren es 470. Mit Helikoptern, Amphibienfahrzeugen und Baggern durchforsten sie auf der Suche nach Leichen eine Fläche von fast 270 Hektar.

Maria Aparecida dos Santos kann das alles immer noch nicht fassen. Es seien die absurdesten Tage ihres Lebens, so die 44-Jährige aus Brumadinho. Schuld an all dem Leid hat für sie eindeutig Vale: "Ich bin empört und werde es auch bleiben. Ich verstehe nicht, was mit der Sirene los war. Wir haben sie so oft gehört, wenn Probealarm war. Aber am Tag des Dammbruchs ist sie still geblieben." Santos arbeitete auf einem Bauernhof, der auch unter den Schlammmassen begraben wurde. Sie wohnt nun mit ihrer Familie in einem der 470 Hotelzimmer, die Vale bezahlt, für diejenigen. die obdachlos geworden sind. Eigenen Angaben zufolge hat der Bergbaukonzern für Betroffene zudem 74 Häuser in Brumadinho und Belo Horizonte angemietet.

Alles, was Maria Aparecida dos Santos nun besitzt, von der Kleidung bis hin zum Geld für Medikamente, wurde ihr gespendet. Von Vale hat sie - abgesehen von dem bezahlten Hotelzimmer - noch keine finanzielle Unterstützung erhalten. Am 25. Januar war Santos gerade zu Hause angekommen, um das Mittagessen für ihre Tochter aufzuwärmen, als sie einen Knall hörte und einen starken Wind spürte. Dann sah sie, dass sich eine gigantische Schlammlawine näherte. Sie packte ihr Handy und begann zusammen mit ihrer Tochter zu rennen. "Schau nicht zurück", habe sie zu der Neunjährigen gesagt, so Santos. Als sie sich in Sicherheit wägte, rief sie ihren Mann und Freunde an, die ein Stück weiter unten im Tal arbeiteten und die der Schlamm ebenfalls zu erreichen drohte: "Ich konnte so um die 25 Leben retten."

Vale will ein Jahr Mindestlohn an Bürger auszahlen

Der Bergbaukonzern Vale hat bis heute noch immer keine Erklärung für den Dammbruch geliefert. Ein unabhängiges Komitee wurde ins Leben gerufen, um den Fall zu untersuchen. Menschen, die in der Nähe ähnlicher Staudämme wohnen, wurden teilweise vorsorglich in Sicherheit gebracht, wie Vale mitgeteilt hat. Anders als beim Dammbruch von Mariana vor gut drei Jahren, der 19 Menschenleben kostete und den Fluss Rio Doce auf Hunderten Kilometern bis zum Atlantik hin verseuchte, bemüht sich der Bergbauriese nun mehr darum, die Betroffenen zeitnah finanziell zu entschädigen. Angehörige von Todesopfern erhalten nach einer Registrierung umgerechnet etwa 23.500 Euro.

Bewohner, Landwirte und Händler will der Konzern mit 3500 bis 12.000 Euro entschädigen. Zwölf Monate lang sollen alle Bewohner von Brumadinho zudem von Vale den gesetzlichen Mindestlohn ausgezahlt bekommen. Die Vereinbarung wurde vor dem Landgericht von Minas Gerais unterzeichnet. Trotzdem versuchen Staatsanwälte und Verteidiger zusätzlich zu erreichen, dass Vale eine Entschädigung an alle Betroffenen zahlen muss. "Wir möchten eine Lösung, die die Opfer mit einbezieht; eine gerechte Wiedergutmachung im Rahmen des Möglichen, so schnell es geht", sagt Verteidiger Antônio Lopes de Carvalho.

Schlamm kontaminiert den Rio Paraopeba

Die Eisenerzmine bei Brumadinho steht derweil still. Die Mitarbeiter, die überlebt haben, bekommen bis Ende 2019 ihr normales Gehalt. Was danach passiert, ist unklar. Während nahe des ehemaligen Staudamms bereits Straßen wieder instand gesetzt werden, tritt weiterhin giftiger Schlamm aus und erreicht den Rio Paraopeba, eine der wichtigsten Trinkwasserquellen der Region. Schätzungen zufolge haben die Rückstände aus der Eisenerzgewinnung bislang rund 150 Kilometer des Flusses durchdrungen. Die vom brasilianischen Institut für Umwelt und erneuerbare natürliche Ressourcen (Ibama) verhängten Geldstrafen für Vale liegen mittlerweile bei umgerechnet über 59 Millionen Euro.

"Ich hatte keine Kraft mehr", berichtet Maria Aparecida dos Santos. "Nur wegen meiner Tochter habe ich es geschafft, dem Schlamm zu entkommen. Aber die Tragödie ist nicht vorbei, der Fluss trägt den Schlamm weiter. Und es gibt immer noch so viele Vermisste. Brumadinho ist zerstört. Aber ich werde bis zum Schluss hierbleiben und für Gerechtigkeit kämpfen", so Santos, die immer noch auf Nachricht vermisster Freunde und Nachbarn wartet.

Autorin: Nádia Pontes, Deutsche Welle

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