Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
USA, Brasilien |

Brasiliens Politik der Unterwürfigkeit (Interview)

Celso Amorim, Verteidigungsminister in der Regierung Rousseff sowie Außenminister in den Regierungen Franco und Lula, äußert sich in der brasilianischen Wochenzeitung "Brasil de Fato" zum Militärabkommen mit den USA. Im Interview kritisiert er: Brasilien gebe seine Außenpolitik auf.

Donald Trump, Jair Bolsonaro

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro und der US-amerikanische Präsident Donald Trump am 7. März 2020 in Florida, USA. Foto: Bolsonaro - Trump, Palácio do Planalto/Alan Santos/PRCC BY 4.0

Brasil de Fato: Brasiliens Außenministerium spricht mit Blick auf das Militärabkommen zwischen Brasilien und den USA von einem Schritt hin zur gemeinsamen Entwicklung von Militärprojekten. Welche Auswirkungen kann dieses Abkommen für Brasilien haben?

Celso Amorim: Ich meine, dass die USA Brasilien im Bereich der Verteidigung in ihre Umlaufbahn bringen wollen. Offensichtlich soll Brasilien mehr militärische Produkte exportieren, und zwar solche, die den Bedürfnissen der USA entsprechen. Damit wird der Weg verlassen, den mit Nachdruck die Regierungen Lula und Dilma verfolgt haben, der aber auch schon vorher beschritten worden war: Eine multilaterale Vision der Verteidigung. Wir hatten zum Beispiel ein sehr privilegiertes Verhältnis mit Frankreich, etwa im Fall des Projekts eines Atom-U-Bootes. Wir hatten sogar den Kauf von Fliegerabwehr-Artillerie aus Russland erwogen, ohne dass unser stets intensives Verhältnis zu den USA Schaden genommen hätte. 

Nun werden sich die USA der strategischen Bedeutung Brasiliens in Südamerika und in Lateinamerika bewusst. Sie sind sehr besorgt wegen des Öls. Nicht zufällig haben die USA so ein großes Interesse an Venezuela, und inzwischen auch an Brasilien. In der Geschichte gab es nie einen Moment, in dem Brasilien seine Politik so stark an den USA ausrichtete. [...] Es gibt eine zunehmende Rivalität der USA mit China und mit Russland. Die USA sehen daher in Brasilien einen potenziellen Verbündeten. Für uns bedeutet es, dass wir technologisch und strategisch sehr abhängig bleiben von einem einzigen Lieferanten von Militärgütern. In der heutigen Welt ist das keine gute Sache.

Das Militärabkommen wurde als beispiellos verkauft, als eine große Tat der Regierung Bolsonaro. Welchen politischen Nutzen kann der Präsident daraus  ziehen?

Sie werden zeigen wollen: Viele Menschen in Brasilien sehen in den USA ein Modell. Sie finden alles gut, was es in den USA gibt. Wir werden mit dem Abkommen nichts gewinnen. Wir werden vielleicht das Recht haben, mehr Schrott von den USA zu kaufen, wie es schon in der Vergangenheit geschah. Die Vereinigten Staaten ließen uns außerdem bekanntlich keine Atomenergie entwickeln. Sie werden auch nicht zulassen, dass Brasilien ein Atom-U-Boot hat. 

Ein den USA untergeordnetes Land kann mit deren Ermächtigung handeln, wenn es nicht das Leben der eigenen Soldaten riskieren will. Das kann geschehen. Ich meine, Brasilien sollte ein gutes Verhältnis zu den USA haben, das war ja auch nie anders. Die Beziehungen waren immer von viel Respekt getragen. Es war ein Verhältnis auf der Grundlage von Dialog. Heute aber ist es ein Verhältnis der Unterordnung. Heute definieren sie die Politik, und wir führen sie aus, das ist der Unterschied zu früher. 

Glauben Sie, dass brasilianische Soldaten auf Druck der USA in den Konflikt in Venezuela eingreifen könnten?

Ich habe schon so viele Dinge erlebt, von denen ich gedacht hatte, sie könnten nicht passieren, so dass ich jetzt nicht mit „nein“ antworten kann. Aber ich hoffe, dass es nicht so kommt. Viele Brasilianer leben ja weiterhin in Venezuela trotz der angespannten Lage. Wenn allerdings sogar Konsulate zurückgezogen werden, werde ich  unsicher. Es wirkt wie die Vorbereitung einer militärischen Aktion. Aber ich hoffe, dass die Militärs gesunden Menschenverstand zeigen, wie es ja schon zu Beginn des Jahres der Fall war, und nichts passieren wird. Man weiß nicht, ob Venezuela oder Brasilien eine Provokation begehen wird. Wenn ja, dürfte diese von unserer Seite ausgehen. Brasilien zieht seine Diplomaten aus Venezuela zurück, all das ist sehr Besorgnis erregend. 

Wie ist es aus Ihrer Sicht in den kommenden Jahren um die Souveränität Brasiliens und die internationale Position des Landes bestellt?

Da sieht es sehr traurig aus, was ich so höre und lese über die Öffnung des Amazonasgebietes für Bergbauunternehmen. Übrigens nicht nur für US-amerikanische, sondern auch für kanadische Firmen. Das Amazonasgebiet war immer eine sehr wertvolle Sache, die wir verteidigt und gehütet haben.
Ich bin sehr besorgt hinsichtlich des Verkaufs von Embraer an Boeing (das brasilianische Unternehmen ist der viertgrößte Flugzeugbauer weltweit).
Was Venezuela betrifft, so könnten am Ende US-Soldaten nach Brasilien gebracht werden. Ich bin sehr besorgt. 

Quelle: https://www.brasildefato.com.br/, deutsche Bearbeitung: Bernd Stößel

Weitere Nachrichten zu: Politik

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz